Die ältesten bekannten Pfeilspitzen aus Nordamerika

Presseldung vom 27.12.2022

Archäologen der Oregon State University graben Projektilspitzen in Idaho aus, die tausende von Jahren älter sind als bisherige Funde. Sie helfen zu verstehen, wie Menschen bei der Besiedlung von Amerika Steinwaffen herstellten und verwendeten.


Die 13 vollständig und fragmentarisch erhaltenen Steinspitzen sind rasiermesserscharf und zwischen etwa 1,3 und 5 cm lang. Mittels einer Radio-Kohlenstoffdatierung (C14) konnten die Forscher bestimmen, dass die Funde aus der Zeit vor etwa 15.700 Jahren stammen. Das ist rund 3.000 Jahre älter als die geriffelten Clovis-Spitzen, die in ganz Nordamerika gefunden wurden, und 2.300 Jahre älter als die Spitzen, die zuvor an derselben Fundstelle, genannt Cooper’s Ferry, am Salmon River in Idaho gefunden wurden.


Steinspitzen, die am Fundort Cooper’s Ferry, Bereich B, entdeckt wurden.

Publikation:


Loren G. Davis, David B. Madsen, David A. Sisson et al.
Dating of a large tool assemblage at the Cooper’s Ferry site (Idaho, USA) to ~15,785 cal yr B.P. extends the age of stemmed points in the Americas
Science Advances, 2022; 8 (51)

DOI: 10.1126/sciadv.ade1248



„Aus wissenschaftlicher Sicht erweitern diese Entdeckungen die Geschichte Nordamerikas um sehr wichtige Details, nämlich wie die archäologischen Hinterlassenschaften der frühesten Völker Amerikas aussehen“, sagt Loren Davis, Anthropologieprofessor an der OSU und Leiter der Gruppe, die die Spitzen gefunden hat. „Es ist etwas anderes zu sagen: 'Wir glauben, dass Menschen vor 16.000 Jahren hier waren' oder 'wir wissen, dass Menschen vor 16.000 Jahren hier waren, weil wir physikalisch bestimmen konnten, wie alt die gut gemachten Artefakte sind, die sie hier zurückgelassen haben.'“

(A) Karte, die den Fundort Cooper’s Ferry im Kontext der Umgebung des pazifischen Nordwestens vor 16.000 Jahren zeigt; (B) Luftbild (von Google Earth), das die Ausgrabungen der Cooper’s Ferry zeigt; (C) Lageplan mit den Ausgrabungsbereichen A und B.

Zuvor hatten Davis und andere Forscherinnen und Forscher, die an der Fundstelle Cooper’s Ferry Ausgrabungen vornahmen, einfache Abschläge aus Stein sowie Knochenfragmente gefunden, die auf die Anwesenheit von Menschen vor etwa 16.000 Jahren hindeuteten. Aber die Entdeckung der Steinspitzen erlaubt nun neue Einblicke in die Art und Weise, wie die ersten Amerikaner damals ihre komplexen Gedankengänge in Technologie umsetzten, sagt Davis.

Der Fundort am Salmon River befindet sich auf dem traditionellen Gebiet der Nez Perce, der Stamm kennt den Ort als das „alte Dorf Nipéhe“. Die Spitzen sind nicht nur wegen ihres Alters aufschlussreich, sondern auch wegen ihrer Ähnlichkeit mit Spitzen aus Hokkaido in Japan, die man auf ein Alter zwischen 16.000 und 20.000 Jahre schätzt. Die Tatsache, dass man solche Spitzen nun auch in Idaho nachweisen kann, gibt der Hypothese, wonach es frühe genetische und kulturelle Verbindungen zwischen den Eiszeitvölkern Nordostasiens und Nordamerikas gab, frischen Aufwind.


Die Ausgräberin beschriftet Artefakte am Fundort Cooper’s Ferry.
Stratigraphisches Modell des Fundorts Cooper’s Ferry. Es zeigt die Verteilung kultureller Hinterlassenschaften (z. B. Feuerstellen, Gruben), sowie das mittels Radiokarbon- und OSL-Methode (optisch stimulierte Lumineszenz) ermittelten Alters der Sedimentschichten, wie sie bei Ausgrabungen in Bereich A und Bereich B freigelegt wurden.

„Die frühesten Völker Nordamerikas besaßen spezielles kulturelles Wissen, mit dem sie überleben und sich entwickeln konnten. Ein Teil dieses Wissens kommt in der Art und Weise zum Ausdruck, wie die Menschen ihre Steinwerkzeuge herstellten, beispielsweise die Spitzen, die nun bei Cooper’s Ferry gefunden wurden“, sagt Davis. „Durch den Vergleich dieser Spitzen mit anderen, gleichaltrigen oder älteren Funde können wir die räumliche Ausdehnung sozialer Netzwerke erkennen, in denen dieses technologische Wissen zwischen den Völkern geteilt wurde.“

Die schlanken Projektilspitzen zeichnen sich durch zwei unterschiedliche Enden aus, ein scharfes und ein gestieltes, sowie eine symmetrisch abgeschrägte Form, wenn man sie frontal betrachtet. Sie waren wahrscheinlich eher an Pfeilen als an Speeren befestigt, und trotz ihrer geringen Größe waren sie eine tödliche Waffe.

„Es gibt die Annahme, dass frühe Projektilspitzen groß sein mussten, damit man Großwild erlegen kann. Doch kleinere Projektilspitzen, die an Pfeilen befestigt sind, dringen tief in das Fleisch ein und verursachen enorme innere Verletzungen“, sagt der Forscher. „Mit solchen Waffen kann man jedes nur erdenkliche Tier jagen.“

Die Entdeckungen ergänzen das neu aufkommende Bild des frühen menschlichen Lebens im pazifischen Nordwesten, sagt Davis. „Einen Ort zu finden, an dem Menschen vor fast 16.000 Jahren Gruben aushoben und ganze und zerbrochene Projektilspitzen lagerten ist ein Glücksfall und verschafft uns wertvolle Erkenntnisse über Details des Lebens der frühesten Bewohner des Nordwestens, unserer Region.“

Die neu entdeckten Gruben sind Teil des größeren Fundgebiets von Cooper’s Ferry. Hier haben Davis und seine Kolleginnen und Kollegen bereits über den Fund einer 14.200 Jahre alte Feuerstelle mit angrenzendem Bereich für die Nahrungszubereitung und den Überresten einer ausgestorbenen Pferdeart berichtet. Insgesamt fanden und kartierten sie mehr als 65.000 Gegenstände und zeichneten zur genauen Dokumentation ihre Lage millimetergenau auf.

Die Pfeilspitzen wurden über mehrere Sommer zwischen 2012 und 2017 freigelegt, wobei die Arbeit durch eine Finanzierungspartnerschaft zwischen OSU und dem BLM (Federal Bureau for Land Management) unterstützt wurde. Alle Grabungsarbeiten sind abgeschlossen und das Gelände ist nun abgedeckt. Das BLM errichtete Informationstafeln und einen Kiosk am Fundort, um Besuchern die Arbeit zu erläutern.

Davis untersucht Cooper’s Ferry bereits seit den 1990er Jahren, als er Archäologe beim BLM war. Jetzt arbeitet er mit dem BLM zusammen, um Studenten und Doktoranden der OSU einzuladen, im Sommer am Fundort mitzuarbeiten. Das Team arbeitet auch eng mit dem Stamm der Nez Perce zusammen, um alle Funde zu diskutieren und der Stammesjugend Möglichkeiten zur Mitarbeit zu bieten.

(Originaltext von Molly Rosbach)


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Oregon State University via Science Daily erstellt


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