Der aufrechte Gang früher Menschen entwickelte sich in den Bäumen

Presseldung vom 16.12.2022

Laut einer neuen Studie hat sich der Bipedalismus – wissenschaftlich für das aufrechte Gehen auf zwei Beinen – möglicherweise in den Bäumen entwickelt und nicht auf dem Boden, wie bisher angenommen.


In einer neuen Studie untersuchten Forscher vom University College London (UCL), der University of Kent und der Duke University in den USA das Verhalten von wilden Schimpansen, unseren nächsten lebenden Verwandten im Tierreich. Dabei konzentrierten sie sich auf die im Issa-Tal im Westen Tansanias in der Region des Ostafrikanischen Grabenbruchs lebenden Tiere.


Issa-Schimpansen

Publikation:


Rhianna C. Drummond-Clarke, Tracy L. Kivell, Lauren Sarringhaus, Fiona A. Stewart, Tatyana Humle, Alex K. Piel
Wild chimpanzee behavior suggests that a savanna-mosaic habitat did not support the emergence of hominin terrestrial bipedalism
Science Advances (2022)

DOI: 10.1126/sciadv.add9752



Das Issa-Tal zeigt eine Umwelt, die man als „Savannenmosaik-Landschaft“ (Was für ein Wort!) bezeichnet. Das ist eine Mischung aus trockenem, offenem Land mit wenigen Bäumen, abgewechselt mit Inseln aus dichtem Wald. Diese Umwelt ist der unserer frühesten menschlichen Vorfahren sehr ähnlich und wurde von den Forscherinnen und Forschern ausgewählt, um die Frage zu untersuchen, ob diese offene Landschaft die Entwicklung der Zweibeinigkeit bei Homininen gefördert haben könnte.

Aufrecht gehender Schimpanse

Die Studie ist die erste ihrer Art. Sie untersucht, ob die Issa-Schimpansen aufgrund der Landschaftssituation mehr Zeit am Boden verbringen und vergleicht ihr Verhalten mit ihren ausschließlich im Wald lebenden Verwandten in anderen Teilen Afrikas.


Ein interessantes Verhalten: Ein männlicher Schimpanse auf dem Weg zwischen zwei Waldinseln macht dies aufrecht gehend!

Insgesamt ergab die Studie, dass die Issa-Schimpansen trotz ihres offeneren Lebensraums genauso viel Zeit in den Bäumen verbrachten wie jene Schimpansen, die in dichten Wäldern leben. Die Issa-Schimpansen bewegten sich also nicht öfter terrestrisch (auf dem Boden) fort, als man erwartet hatte. Im Gegensatz zur Erwartung der Forscher, dass die Issa-Schimpansen in ihrer offenen Savannenvegetation öfter aufrecht gehen würden, fanden mehr als 85 % der Fälle von aufrechtem Gehen in den Bäumen statt.

Die Autoren sagen, dass ihre Ergebnisse der weithin akzeptierten Theorie widersprechen, wonach es eine offene, trockene Savannenumgebung war, die unsere frühen menschlichen Verwandten dazu veranlasste, aufrecht zu gehen. Stattdessen deutet die neue Forschung darauf hin, dass sich die Zweibeinigkeit gerade deshalb entwickelt hat, um sich in den Bäumen besser zurechtzufinden.

„Wir gingen natürlich davon aus, dass wir die Schimpansen häufiger auf dem Boden als in den Bäumen antreffen würden, einfach aus dem Grund weil es im Issa-Tal weniger Bäume gibt als in typischen tropischen Wäldern. Daher dachten wir, dass wir hier natürlich auch mehr aufrecht gehende Tiere sehen würden, auch weil viele der traditionell angenommenen Gründe für Zweibeinigkeit (wie das Tragen von Gegenständen oder das Hinwegblicken über hohes Gras) mit einem Leben auf dem Boden assoziiert sind.“ sagt Co-Autor Alex Piel.

„Unsere Studie legt nahe, dass der Rückzug der Wälder beim Übergang vom späten Miozän zum Pliozän vor etwa fünf Millionen Jahren und die damit verbundenen offeneren Savannenlebensräume tatsächlich keine Triebfeder für die Entwicklung des aufrechten Ganges waren. Stattdessen denken wir, dass Bäume für seine Entwicklung wahrscheinlich unerlässlich waren: die Suche nach Früchte tragenden Bäumen war wahrscheinlich ein Antreiber bei der Entwicklung des aufrechten Ganges.“

Statistik

Während des Verlaufs ihrer 15-monatigen Studie zeichneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr als 13.700 Körperhaltungen von 13 erwachsenen Schimpansen auf, darunter sechs Weibchen und sieben Männchen. Unter den Aufzeichnungen waren etwa 2.850 Beobachtungen einzelner lokomotorischer Ereignisse (z. B. Klettern, Gehen, Hangeln). Anschließend schauten sie sich das Verhältnis zwischen baum-/bodenbasiertem Verhalten und Vegetation (Wald vs. Waldland) an, um Assoziationsmuster zu untersuchen. In ähnlicher Weise notierten sie jeden Fall von aufrechtem Gang und ob er auf dem Boden oder in den Bäumen stattfand.

Die Autoren stellen fest, dass das Gehen auf zwei Beinen ein charakteristisches Merkmal des Menschen ist, auch wenn man sich im Vergleich dazu den „Knöchelgang“ der anderen Menschenaffen anschaut. Doch trotz der neuen Erkenntnisse meinen die Forscher, dass es immer noch ein Rätsel sei, warum gerade Menschen unter den anderen großen Menschenaffen anfingen, auf zwei Beinen zu gehen.

Die Co-Autorin Fiona Stewart sagt: „Bis heute teilen die zahlreichen Hypothesen zur Evolution der Zweibeinigkeit die Auffassung, dass die Homininen (Menschen und ihre ausgestorbenen Vorfahren) von den Bäumen stiegen und aufrecht auf dem Boden gingen um sich insbesondere in trockeneren Gebieten oder offeneren Lebensräumen ohne Baumbewuchs besser fortbewegen zu können. Das unterstützen unsere Daten überhaupt nicht.“

Stewart weiter: „Leider wird die althergebrachte Vorstellung, dass ein weniger an Bäumen mit mehr Fortbewegung auf dem Boden gleichzusetzen ist, durch die Daten aus dem Issa-Tal nicht bestätigt. Wir müssen uns jetzt darauf konzentrieren, wie und warum die Schimpansen in dieser Gegend so viel Zeit in den Bäumen verbringen. Darauf werden wir uns als nächstes konzentrieren, um dieses komplexe evolutionäre Puzzle zusammenzusetzen.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material der University College London via Science Daily erstellt


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