Swanscombe - Homo heidelbergensis


FUNDFUNDORTALTERENTDECKERDATUM
adultes feminines Hinterhaupts-
bein
Barnfield Pit, Swanscombe, England200.000 bis 300.000 JahreAlvan T. Marston29. Juni 1935
VERÖFFENTLICHUNG
M. A. C. Hinton, K. P. Oakley, H. G. Dines, W. B. R. King, A. S. Kennard, C. F. C. Hawkes, S. Hazzledine Warren, M. Aylwin Cotton, W. E. Le Gros Clark and G. M. Morant. 1938. Report on the Swanscombe Skull. J. Roy. Anthrop. Inst., Vol. 68, pp 17-98

Swanscombe ist eine Ortschaft an der Themse im Nordwesten der Grafschaft Kent in England. In den Jahren ab 1935 wurden in einer 2 Kilometer entfernten Kiesgrube (Barnfield Pit) zwei fossile Schädelfragmente entdeckt. Heute ist die Grube ein Naturschutzgebiet (Swanscombe Heritage Park)

Die Grube war schon früher durch zahlreiche, etwa 400.000 Jahre alte Faustkeile aus der Acheuléen-Kultur bekannt, doch weltweite Beachtung fand sie erst durch die beiden Schädelfragmente, die als »Mann von Swanscombe« in die Literatur eingingen. Den Namen behielten sie auch, als eine neue Untersuchung ergab, dass es sich dabei um die sterblichen Überreste einer jungen Frau handelt.

Die Schädelfragmente wurden in den unteren Kiesterrassen in einer Tiefe von fast 8 Metern von Alvan T. Marston gefunden, einem Amateur-Archäologen, der in den Arbeitspausen die Grube nach prähistorischen Feuersteinwerkzeugen absuchte. Im Jahr 1955 fand man schließlich ein drittes Fragment des gleichen Schädels. Das Alter der Schädelfragmente wird auf 200.000 bis 300.000 Jahre geschätzt. Die Knochen sind sehr dick und zeigen sowohl primitive als auch moderne Merkmale. Das Gehirnvolumen wird auf 1.325 Kubikzentimeter geschätzt.

Weitere Ausgrabungen, die zwischen 1968-1972 von Dr. John d'Arcy Waechter durchgeführt wurden, brachten weitere Tierknochen und Steinwerkzeuge ans Licht. Die meisten Knochenfunde werden am Natural History Museum in London aufbewahrt, die Werkzeugfunde aus Stein am British Museum.

Der Swanscombe Schädel - Kleine Fundgeschichte

Am Samstag, den 29. Juni 1935 durchsuchte Alvan T. Marston, ein Zahnarzt mit Interesse an der Altsteinzeit, die Abraumhalden im Steinbruch Barnfield Pit nach Werkzeugen aus Feuerstein. An einer Stelle, sechs Meter über dem Boden der Grube, entdeckte er ein Stück Knochen, das aus dem Boden ragte. Bei genauerem Hinsehen erkannte er als Zahnarzt sofort, dass es sich um das Hinterhauptbein eines Menschen handelte.

Obwohl sich Marston der möglichen Konsequenzen bewusst war, entfernte der den Fund von der Stelle, da er sonst durch die Arbeiten im Steinbruch zerstört worden wäre. Er markierte die Fundstelle und hinterließ einen Zettel für den Vorarbeiter mit der Bitte, die Stelle nicht abzugraben, bevor sie eingehender untersucht wurde. Er deponierte den Teilschädel in der örtlichen Apotheke und schickte ein Eiltelegramm an das British Museum.

Neun Monate später, am Sonntag, den 15. März 1936, nachdem er bereits die meisten Wochenenden mit der Suche in der Nähe der Fundstelle verbracht hatte (nicht ohne Bitterkeit und Frustration über den Mangel an offizieller Unterstützung) fand Marston einen weiteren Teil des Schädels, und zwar das linke Scheitelbein.

Knapp 20 Jahre später fand John Wymer bei seinen Untersuchungen einen dritten Teil, erstaunlicherweise an einer rund 25 Meter von den früheren Entdeckungen entfernten Stelle.

Obwohl der Schädel umgangssprachlich oft "Swanscombe Man" genannt wird, deuten die relativ zarten Muskelansätze - trotz der Dicke der Schädelwand - auf eine junge Frau. Die Innenseite des Schädels deutet in Form und Größe auf ein Gehirn, das dem des modernen Menschen recht ähnlich war. Die Proportionen und eine kleine Vertiefung in der Nähe der Basis sind allerdings Merkmale, die der Schädel von Swanscombe mit den später lebenden Neandertalern teilt. Es scheint daher, dass die Frau eine Nachfahrin des Homo heidelbergensis und eine entfernte Verwandte der Neandertaler war.

Wie die junge Frau starb, weiß man nicht. Ob als Folge von Krankheit oder einer schweren Geburt - beides wäre möglich, oder vielleicht hatte sie eine zu nahe Begegnung mit einem der Löwen oder Bären, die die Landschaft von Swanscombe zu dieser Zeit durchstreiften.

Außerdem wurde bei Swanscombe in den Sedimenten eines früheren, kleinen Sees das Skelett eines urtümlichen Elefanten konserviert. In Großbritannien gibt es nur eine Handvoll solcher Skelette, aber das eigentlich Interessante ist, dass es von Steinwerkzeugen umgeben war. Die Knochen, die der Geologe Dr. Peter Allen entdeckte, gehörten zu einem Europäischen Waldelefanten (Palaeoloxodon antiquus), der vor über 100.000 Jahren ausstarb.

Der Fundort Swanscombe

Der Sand und Kies, den man in den Schichten unterhalb von Swanscombe findet, wurde zwischen 425.000 und 350.000 Jahren von der Themse abgelagert, als der Flusslauf mehr als 30 Meter höher lag als heute. In diesen Ablagerungen kann man Feuersteinwerkzeuge finden, die die Menschen in dieser Flusslandschaft herstellten, aber auch Knochen von Tieren aus der Zeit, wie etwa Löwen, Waldelefanten, Waldnashörner, Riesenhirsche und viele mehr.

Solche Funde sind bei Swanscombe - und an Fundorten aus der Altsteinzeit generell - recht häufig. Sie gewähren einen Einblick, welche Werkzeugtypen in welchem Gebiet hergestellt wurden und welche Tiere zur Bejagung verfügbar waren. Manchmal jedoch trat der Fluss sanft über die Ufer und begrub die Zeugnisse menschlicher Aktivität fast ungestört unter feinen Sedimenten. Solche Fundstellen sind viel seltener, doch bei Swanscombe sind weite Bereiche ungestört (in ihrem ursprünglichen Kontext) erhalten geblieben und wurden archäologisch untersucht.

Die untersten und damit frühesten Ablagerungen bei Swanscombe enthalten Hinweise auf eine Reihe von Steinwerkzeugen, die von großen Feuerstein-Abschlägen dominiert werden. Einige sind einfach bearbeitet, damit sie besser in der Hand liegen, oder eine gekerbte Schneide bilden. Ähnliche Funde gleichen Alters sind aus Clacton-on-Sea bekannt, nach ihrem Fundort als Clactonien-Industrie benannt.

Höher in der Schichtenfolge tauchen plötzlich Ablagerungen reich an Faustkeilen auf. Dies mag mit dem Zustrom neuer Populationen mit einer unterschiedlichen Werkzeugpalette zusammenhängen, wahrscheinlicher ist jedoch, dass die Menschen des Clactonien ihre Gewohnheiten und Jagdmethoden änderten, möglicherweise als Reaktion auf eine nicht mehr vorhandene Verfügbarkeit von Feuerstein.

Die Tierarten spiegeln auch das Klima und die Umwelt wider, in der die Menschen von Swanscombe lebten. Die Anwesenheit von Nashörnern, Elefanten und Hirschen deutet auf ein warmes Klima, eine überwiegend bewaldete Umgebung, aber mit offenen Grasflächen. Kleine Tiere wie Muscheln, Mäuse, Fledermäuse, Fische und Reptilien sind ebenfalls erhalten, so ergibt sich ein detailliertes Bild von einer Umwelt mit einem Klima etwas wärmer als heute und einer üppigen Landschaft, in der es von Tieren nur so wimmelte.



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