Petralona 1 - Homo heidelbergensis
FUND | FUNDORT | ALTER | ENTDECKER | DATUM |
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adultes Cranium | Berg Katsika, Petralona, Griechenland | 300.000 - 400.000 Jahre | J. Malkotsis; J. Stathis; B. Avaramis, C. Sarijanides und C. St. Hantzarides | 16. September 1960 |
VERÖFFENTLICHUNG | ||||
Kokkoros, P. und A. Kanellis, 1960. Découverte d´un crane d´homme paléolithique dans peninsule Chalcidique.Anthropologie 64: 132 - 147 |
Anfang der 1960er Jahre, an einem Nachmittag Ende September, führte Christos Sarianniddis vier von seinen Freunden zu einer Stelle an den Hängen des Katsika-Berges oberhalb von Petralona, einem Dorf ungefähr 50 km südöstlich von Saloniki. Onkel Philipos, wie er genannt wurde, war Schäfer und hatte schon seit Jahren vermutet, dass an dieser Stelle eine unterirdische Höhle sein müsse; er hatte nämlich bemerkt, dass im Sommer kühle Luft aus einer Felsspalte kam, die dann im Winter warme Luft auszuströmen schien. Philipos brauchte Hilfe, um die Öffnung zu erweitern und die Höhle zu erforschen, da er hoffte, sie würden auf Wasser stoßen, das für das Dorf in Zeiten der Dürre nützlich sein könnte.
Nachdem die fünf Männer einige Felsbrocken beiseite geräumt hatten, zwängten sie sich in die Erde hinab. Sie kletterten etwa fünf Meter in die Tiefe und gelangten in eine lange, enge Höhle. Leider gab es keinen unterirdischen Wasserlauf, wie sie gehofft hatten, und so kehrten sie erst nach ungefähr einem Jahr wieder. Wenn sie die Höhle überhaupt wieder aufsuchten, so war es, um sich einen Bärenschädel anzusehen, den einer der Männer bei ihrer ersten Begehung bemerkt hatte.
Ganz überraschend stießen sie jetzt aber nicht auf einen Bärenschädel, sondern auf etwas, was eher wie der Schädel eines großen Affen aussah. Er klebte an der Höhlenwand und war teilweise mit einem dünnen Überzug aus Kalkspatkristallen bedeckt, wie es für diese mit Stalaktiten bedeckten Kalksteinhöhlen charakteristisch ist.
Die Männer waren verblüfft und beschlossen, ihren Fund den Wissenschaftlern an der nahen Universität von Saloniki mitzuteilen. Der »Affenschädel« erwies sich als das versteinerte Calvarium eines frühen menschlichen Vorfahren und stellt vermutlich das beste Exemplar eines Schädels jener Leute dar, die vor ungefähr 400.000 bis 200.000 Jahren ganz Europa bewohnten. Seit dieser Entdeckung ist an der Höhle von Petralona eine ganze Menge Arbeit geleistet und eine große Zahl von Steingeräten und Tierresten geborgen worden.
Das tatsächliche Alter des Petralona-Schädels ist umstritten; Aris Pouliannos, der frühere Chef der Griechischen Anthropologischen Gesellschaft, sprach sich für ein viel höheres Alter aus, als die meisten anderen Wissenschaftler anzunehmen bereit sind. So variieren die Altersangaben für den Schädel zwischen 70.000 und 700.000 Jahren. 1981 überprüften Wissenschaftler den Schädel, der bald nach dem Tod des Individuums mit einer braunen Calcit-Schicht überzogen wurde, mittels der Elektronenspinresonanz-Methode (ESR) das Alter der Verkrustung sowie das Knochenmaterial und ermittelten ein Alter von 160.000 bis 240.000 Jahren [1].
Viel wichtiger dürfte die Tatsache sein, dass der Schädel bemerkenswert vollständig ist und vermutlich ganz wesentliche Hinweise für den Übergang von den jüngeren Homo erectus-Typen zu ihren europäischen Nachfolgern, den Neandertalern (Homo neanderthalensis) liefert. Der Schädel zeigt ein Gemisch von Merkmalen, ein Mosaik aus einigen Homo-erectus-Kennzeichen und aus solchen des Neandertalers. Weitere solche Schädel mit einem ähnlichen Merkmalsmosaik sind an verschieden anderen Stellen Europas gefunden worden. Sie stellen ein wichtiges Beweismaterial bei den Bemühungen dar, die entwicklungsgeschichtlichen Beziehungen zwischen dem vollentwickelten modernen Menschen Homo sapiens, dem Homo neanderthalensis und dem Homo erectus in Europa und dem Nahen Osten zu verstehen.
Literatur
[1] G. J. Hennig, W. Herr, E. Weber & N. I. Xirotiris. 1981. ESR dating of the fossil hominid cranium from Petralona Cave, Greece. Nature 292, 533-536. DOI:10.1038/292533a0