FUNDFUNDORTALTERENTDECKERDATUM
Cranium eines NeandertalersLe Moustier, Dordogne, Frankreichca. 45.000 JahreOtto Hauser1909
VERÖFFENTLICHUNG
Hauser, O; Klaatsch, H. Le Périgord Préhistorique: Guide pour les excursions dans les Vallées de la Vézère et de la Dordogne et pour l étude de leurs stations préhistoriques. Regue, Le Bugue 1911

Le Moustier ist ein archäologischer Fundort aus dem Paläolithikum in der Gemeinde Peyzac-le-Moustier im Departement Dordogne, im Südwesten Frankreichs. Der Ort wurde im Jahre 1979 neben den Höhlenmalereien des Val Vézère von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Das Fundareal besteht im wesentlichen aus zwei Teilen: das obere Abri, das hauptsächlich Stücke aus der nach Le Moustier benannten Kulturstufe (Moustérien) hervorgebracht hat, und das etwa 14 Meter darunter liegenden Abri auf dem derzeitigen Niveau des Vézère-Tales.

Erste Forschungen in dieser Gegend wurden 1860 von E. Lartet und H. Christy durchgeführt. Die ans Tageslicht geförderten Steinwerkzeuge und andere Gerätschaften wurden alsbald von G. Mortillet unter dem Sammelbegriff Moustérien zusammengefasst. Weitere Ausgrabungen wurden durch Maurice Bourlon, Otto Hauser und Denis Peyrony durchgeführt. Die Arbeiten Peyronys, die 1930 veröffentlicht wurden, gelten dabei als die genauesten.

Otto Hauser führte bereits im Jahr 1907 Ausgrabungen bei Le Moustier durch, die dann 1909 das Skelett eines jugendlichen Neandertalers ans Licht brachten. Die Knochen haben eine bewegte Geschichte hinter sich: O. Hauser verkaufte das Skelett zusammen mit einem Fund eines Homo sapiens aus Combe Capelle an das Königliche Museum für Völkerkunde in Berlin. Das Museum wurde im zweiten Weltkrieg zerstört, mit ihm verbrannten und verkohlten die Gebeine des Neandertalers, nur der Schädel blieb übrig.

Der Fund von Le Moustier ist etwa 45.000 Jahre alt. Die Merkmale des Schädels sind weniger ausgeprägt als bei anderen Funden aus der gleichen Zeit, so ist etwa der Überaugenwulst kleiner. Die wenig ausgeprägten Merkmale deuten darauf hin, dass es sich um einen Jugendlichen handelte.

Ab 1910 hat auch Denis Peyrony Arbeiten in Le Moustier durchgeführt. Dabei entdeckte er das Skelett eines Neandertalerkindes, das nach seiner Vorstellung der Öffentlichkeit auf unerklärliche Weise verschwand. Erst 2002 konnte man den Fund schließlich im Musée National de Préhistoire in Les Eyzies-de-Tayac-Sireuil wieder auffinden.

Viele Quellen berichten, dass die Ausgrabungen von Le Moustier in unwissenschaftlicher Weise durchgeführt wurden, so dass viele Informationen des Fundkontextes, die so wichtig für die Beurteilung von Funden sind, verloren gingen.

Die Bedeutung der Höhle von Le Moustier liegt jedoch nicht in dem Skelettfund des Neandertalers, sondern in der Entdeckung typischer Werkzeuge und Gerätschaften, die heute unter dem Namen Moustérien-Tradition zusammengefasst werden. Diese Technologie tauchte vor etwa 200.000 Jahren auf - überschneidete sich um mehrere tausend Jahre mit dem Acheuléen - und blieb bis vor 40.000 Jahren erhalten.

In verschiedenen regionalen Formen kommt das Moustérien in Europa, dem Nahen Osten und Afrika praktisch in dem gleichen Gebiet vor, in dem auch die Werkzeuge des Acheuléen gefunden wurden. In Europa findet man diese Artefakte meist in Verbindung mit Homo neanderthalensis, aber in anderen Gegenden, so an den nahöstlichen Fundstellen von Kebara, Tabun, Qafzeh und Skhul wurden Moustérien-Werkzeuge sowohl von Neandertalern als auch vom frühen Homo sapiens hergestellt.

Es ist nicht ohne weiteres sicher, dass die Überreste des Neandertalers aus den gleichen Schichten wie die Werkzeuge stammen. An anderen Fundorten können allerdings Neandertaler eindeutig dem Moustérien zugeordnet werden. Jüngste Datierungen in der Höhle von Le Moustier deuten darauf hin, dass die Funde weniger als 45.000 Jahre alt sind.

Literatur

Farizy, C. et Vandermeersch, B., «Le Moustier» en Dictionnaire de la Préhistoire, bajo la dirección de A. Leroi-Gourhan, Presses universitaires de France, París, 1988

Maureille, B. «A lost Neanderthal neonate found», Nature, vol. 419, pp. 33-34, 2002.

Valladas, H., Geneste, J.-M., Joron, J.-L. et Chadelle, J.-P., «Thermoluminescence dating of Le Moustier (Dordogne, France)», Nature, vol. 322, n° 6078, pp. 452-454, 1986


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