Amud 1 - Homo neanderthalensis


FUNDFUNDORTALTERENTDECKERDATUM
adultes maskulines SkelettAmud-Höhle, Israel40.000 - 50.000 JahreHisashi Suzuki28. Juni 1961
VERÖFFENTLICHUNG
Suzuki, H. und F. Takai (Hrsg.), 1970. The Amud Man and His Cave Site (University of Tokyo Press, Tokio)

Das Skelett eines erwachsenen männlichen Homininen, das in der Amud-Höhle'>Amud-Höhle in Israel gefunden wurde, kann man mit zwei Superlativen beschreiben. Erstens handelt es sich mit 1,80 Metern um den größten bekannten Neandertaler, und zweitens befand sich in seinem Schädel das größte Gehirn aller bekannten Homininen - ein Klotz von 1740 Kubikzentimetern. Nach der Verwachsung der Schädelnähte zu schließen, starb er vermutlich mit etwa 25 Jahren.

Das zerstückelte Skelett lag mit angewinkelten Gliedmaßen auf der linken Seite oben auf einer Schicht aus dem mittleren Paläolithikum, umgeben von jüngeren Werkzeugen des oberen Paläolithikums und sogar von noch jüngerer Keramik. Die blassgrauen Knochen waren nicht vollständig versteinert und erwiesen sich im feuchten Höhlenboden als sehr brüchig. Als erstes fand man den von der Seite her zerquetschten Schädel; er war so mit Kalksteinschutt verkrustet, dass man ihn fast für ein heruntergefallenes Stück der Höhlendecke gehalten hatte. Leider fehlen der Gaumen und ein großer Teil der aufschlussreichen Gesichtsregion, aber der gewaltige Unterkiefer ist unversehrt. Die Kiefer enthalten das vollständige Gebiss mit 32 Zähnen, die für ein Individuum dieser Größe recht klein sind. Viele andere Teile sind weniger vollständig: Wirbel, Becken und rechtes Bein zum Beispiel waren stark beschädigt oder fehlten ganz.

Amud 1 zeigt eine bunte Mischung anatomischer Merkmale. Er ist zwar eindeutig ein Neandertaler, entspricht aber nicht dem "klassischen" Typ, zu dem die meisten berühmten Funde aus Europa gehören. Die größte Ähnlichkeit hat Amud 1 mit den Neandertalern aus der Shanidar'>Shanidar-Höhle im Irak - Shanidar I diente bei der Rekonstruktion des Schädels als Orientierung - und Tabun in Israel, er hat jedoch auch einige Ähnlichkeit mit den Populationen des frühen modernen Homo sapiens aus Skhul und Qafzeh.

Das große, lange, schmale Gesicht liegt im gleichen Größenbereich wie das der europäischen Neandertaler, allerdings gibt es in den Einzelheiten Unterschiede. Der Überaugenwulst über den Augen ist viel schmaler und seitlich am Gesicht nach hinten abgeknickt. Die Augenhöhlen haben scharf umrissene Grenzen wie beim Jetztmenschen und nicht die typischen abgerundeten Kanten der Neandertaler. Der Oberkiefer sieht im Wangenbereich weniger "aufgeblasen" aus als bei dem Neandertaler von La-Chapelle-aux-Saints oder sogar den Funden von Shanidar'>Shanidar, und auch das Kinn ist deutlicher ausgeprägt, als es sonst bei Neandertalern üblich ist.

Am Gehirnschädel setzt sich die Mischung von Merkmalen der Neandertaler und Jetztmenschen fort. Der Schädel ist breit und lang, länger als bei allen Jetztmenschen und als bei dem größten europäischen Neandertaler, dem Fund von La Ferrassie. Der Warzenfortsatz des Schläfenbeins, der hinter dem Ohr wie ein Knopf vorsteht, hat fast die gleiche Größe wie bei heutigen Menschen und ist größer als bei den Neandertalern von La-Chapelle-aux-Saints und Gibraltar. Von hinten sieht der Schädel völlig rund aus wie eine Kegelkugel - ein typisches Merkmal der Neandertaler -, aber das Hinterhauptbein zeigt eine Kombination aus dem für Neandertaler typischen, quer verlaufenden Wulst und einer stark gewölbten Gesamtform, die der eines modernen menschlichen Schädels ähnelt. Amud ist das hebräische Wort für "Pfeiler" und bezieht sich auf eine Steinsäule am Höhleneingang. Die Höhle lag etwa 30 Meter über dem Flussbett Wadi Amud, dessen Wasser in den See Genezareth fließt.

Auch eine nahegelegene, ganzjährig wasserführende Quelle könnte die Neandertaler angezogen haben. Erste Versuche, die Besiedlungszeit der Höhle mit der Radiokarbonmethode zu ermitteln, ergaben nicht das wahre Alter. Neuere Untersuchungen mit dem Elektronenspin-Resonanzverfahren lassen auf ein Alter von 40.000 bis 50.000 Jahren schließen, also auf eine relativ späte Phase im Dasein der Neandertaler. Das recht geringe Alter und die besonderen anatomischen Eigenschaften sind möglicherweise ein Hinweis, dass es sich bei Amud 1 um eine weiterentwickelte Form der Neandertaler handelt, als bei seinen unmittelbaren europäischen Vorfahren; vielleicht sind die Abweichungen aber auch einfach durch die geographische Trennung entstanden.


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