UR 501 - Homo rudolfensis


FUNDFUNDORTALTERENTDECKERDATUM
MandibulaUraha, Malawi2,5 - 1,9 Millionen JahreTyson Msikia11. August 1991
VERÖFFENTLICHUNG
Schrenk, F., Bromage, T.G., Betzler, C., Ring, U. & Juwayeyi, Y. 1993. Oldest Homo and Pliocene Biogeography of the Malawi Rift. Nature 365:833-836. DOI: 10.1038/365833a0

Friedemann Schrenk und Tim Bromage wussten von Homininen-Funden im südlichen und im östlichen Afrika und so fassten sie den Plan, zwischen den bekannten Fundorten Ost- und Südafrikas nach weiteren Plätzen zu suchen, an denen Vor- und Frühmenschen gelebt haben könnten.

Die pliozäne Tier- und Pflanzenwelt des Malawi Rift, in dem dieser Unterkiefer eines Homo rudolfensis gefunden wurde, stellt eine biogeographische Verbindung zwischen den besser bekannten Faunen Ost- und Südafrikas dar. Das Malawi Rift befindet sich in einer geographischen Region Afrikas, die sehr gut dafür geeignet ist, Spuren von Wanderbewegungen der Homininen und anderer Tiere zu finden, die durch das trockenere Klima des pliozänen, äquatorialen Afrikas vermehrt aufgetreten sein müssten.

So wollten Schrenk und Bromage diese vermuteten Wanderungsbewegungen im afrikanischen Grabensystem (Rift Valley) nachweisen. Sie riefen das »Hominid Corridor Research Project« ins Leben und suchten in einem geologisch vielversprechenden Gebiet in Malawi. Nachdem sie zunächst nur auf Fossilien von Tieren stießen, wurde dieser Homininen-Korridor von Kollegen gern als »Schweine-, Antilopen-, Giraffen- und Elefantenkorridor« bezeichnet.

Im Jahr 1991 gelang den Forschern vom Hominid Corridor Research Projekt (HCRP) dann ein bedeutungsvoller Fund, der u.a. auch durch eine kleine archäologische Sensation von sich reden machte. In der Region um Uraha'>Uraha, einem kleinen Dorf im Karonga Distrikt, gelang Tyson Msikia, einem Mitglied des Teams um Schrenk und Bromage der Fund eines Homininen-Unterkiefers.

Mit diesem Fund verwandelten sich wissenschaftliche Thesen in Fakten. Bei UR 501, so seine Bezeichnung im Fundkatalog, sind dritte und vierte Prämolaren, also die Backenzähne, sowie erste und zweite Molaren erhalten. Nachdem die wissenschaftlichen Untersuchungen des sensationellen Fundes abgeschlossen waren, konnte man ihn sehr sicher dem Homo rudolfensis zuordnen, dem frühesten Vertreter der Gattung Homo.

Diese Menschenart war bereits aus dem späten Pliozän Ost-Turkana (Kenia) bekannt und besitzt ein relativ großes Gehirn sowie robuste Zähne und Kiefer. Die mit UR 501 assoziierte Fauna lässt biochronologisch auf ein Alter von ca. 2,5 Millionen Jahren schließen. Das Fundstück ist damit um eine halbe Million Jahre älter als der Schädel KNM-ER 1470, den Richard Leakey 1972 am Turkana See, der ursprünglich nach dem österreichischen Thronfolger Rudolf benannt war, gefunden hatte. Die Funde aus Malawi weisen nun darauf hin, dass die pliozänen Homininen ursprünglich aus dem tropischen Ostafrika stammen und nur unter günstigen ökologischen Bedingungen bis nach Südafrika wanderten.

Der Kiefer, den Tyson Msikia fand, hatte jedoch einen Schönheitsfehler: Ihm fehlte ein Teil des Backenzahns. Gerade der Backenzahn ist jedoch äußerst wichtig für eine nähere taxonomische Bestimmung des Fragments. Studenten wuschen sieben Tonnen Steine im Malawisee aus. Und tatsächlich: Sie stießen auf das winzige Teil. Die paläoanthropologische Sensation war perfekt. Dieser ergänzende Fund grenzt an ein archäologisches Wunder.

Der Kiefer brauchte nun einen Namen. Die wissenschaftlichen Richtlinien für die Namensgebung, die Nomenklatur, setzt sich bei einem Fossil meistens aus einer Lokalitätsbezeichnung und einer Katalogfundnummer zusammen. UR bezeichnet das Fundgebiet Uraha'>Uraha im afrikanischen Malawi. Die Bezeichnung 501 wurde von Tim Bromley etwas willkürlich vergeben: Sie bezieht sich augenzwinkernd auf die Lieblingsmarke seiner Jeans. Das Fundstück konnte auf ein Alter von 2,5 bis 1,9 Millionen Jahren datiert werden. Der Hominide gehört damit zur Gattung des Homo rudolfensis. Mit diesem Fund bewiesen die beiden Wissenschaftler ihre These von der Wanderung der Homininen durch den von ihnen so benannten Homininengraben.



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