Die Tianyuan-Höhle (田园洞) ist ein Fundort in Zhoukoudian, einem Stadtbezirk von Peking. Sie liegt auf 175 Metern Höhe über dem Meeresspiegel und befindet sich im Dorf Huangshandian ungefähr sechs Kilometer südwestlich der bekannten mittelpleistozänen Fundorte, von denen die Überreste der Peking-Menschen stammen. Sie wird auch als Zhoukoudian Locality 27 (Zhoukoudian-Fundstelle Nr. 27) bezeichnet.
Die Höhle wurde 2001 von den Arbeitern einer Baumschule entdeckt und anschließend von einem Forscherteam von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften archäologisch untersucht (Tong und Shang, 2004).Die Höhle umfasst insgesamt vier Schichten, von denen nur eine (Layer III) menschliche Überreste enthielt. Zwar wurde der Fundkontext von den Arbeitern etwas gestört, glücklicherweise konnte man jedoch die menschlichen Knochen mittels Radiocarbon-Datierung auf ein Alter zwischen 42.000 und 39.000 vor heute bestimmen. Damit gehören die Knochen zu den ältesten Überresten des anatomisch modernen Menschen außerhalb Afrikas.
Die menschlichen Überreste aus der Tianyuan-Höhle
Die Wissenschaftler konnten aus der Höhle 34 menschliche Knochen bergen, die wahrscheinlich von einem einzigen, etwa 40 - 50 jahre alten Individuum stammen. Darunter ein Kieferknochen, Finger und Zehen, Beinknochen (sowohl Femur als auch Tibia), beide Schulterblätter, und Armknochen (beide Humeri, eine Ulna). Den Schädel fand man nicht, genauso fehlen irgendwelche Artefakte wie Steinwerkzeuge usw. Das Skelettmaterial zeigt die größte Ähnlichkeit mit dem anatomisch modernen Menschen, obwohl einige Merkmale auch an den Neandertaler erinnern.
Hinweise auf die Ernährung - viel Fisch
Mithilfe chemischer Analysen von Knochenkollagen können Wissenschaftler herausfinden, ob Fisch nur ab und zu oder regelmäßig gegessen wurde. Dafür untersuchen die Forscher die Verhältnisse von Stickstoff- und Schwefelisotopen im Kollagen. Ein internationales Forscherteam (Hu et al., 2009) analysierte dazu Kollagen aus den Knochen des Tianyuan-Menschen und fand heraus, dass Menschen schon vor 40 000 Jahren regelmäßig Fisch auf dem Speiseplan hatten. Süßwasserfisch gehört heute bei vielen Völkern der Welt zu den Hauptnahrungsmitteln und gilt als besonders gesund.
"Analysen von Kohlenstoff- und Stickstoffisotopen eines Knochens des Tianyuan-Menschen und der tierischen Überreste aus dem archäologischen Kontext deuten darauf hin, dass Ersterer sich überwiegend von tierischen Eiweißen ernährt hat", erklärt Michael Richards vom Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. "Die hohen Stickstoffisotopenwerte legen den Konsum von Süßwasserfisch nahe."
Die damals lebenden Menschen müssen also einen beträchtlichen Aufwand in Kauf genommen haben, um Fische zu fangen. Der Übergang zu einer Ernährungsweise, die größtenteils auf Fischfang basiert, zeigt, wie knapp die Nahrungsmittelressourcen der expandierenden Population moderner Menschen gewesen sein muss, als sie Europa besiedelte.
DNA-Analysen erweitern das Bild
Überreste von Menschen, deren anatomische Eigenschaften denen heute Lebender ähneln, erscheinen erstmals vor etwa 40.000 bis 50.000 Jahren in Asien und Europa. Die genetischen Beziehungen zwischen diesen frühen modernen Menschen und heutiger Populationen zu bestimmen, war das Ziel eines internationalen Forscherteams vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig.
Mit einem neuen von ihnen entwickelten Verfahren isolierten und sequenzierten sie DNA aus Zellkern und Mitochondrien. Damit können die Forscher uraltes Erbmaterial aus einem archäologischen Fund selbst dann identifizieren, wenn die Probe durch große Mengen an DNA von im Boden lebenden Bakterien verunreinigt ist. Die Wissenschaftler untersuchten Oberschenkel- und Schienenbeinknochen und rekonstruierten anschließend ein genetisches Profil des Tianyuan-Menschen. Es zeigt, dass der frühe moderne Mensch aus der Tianyuan-Höhle und die Vorfahren vieler heute lebender Asiaten und amerikanischer Ureinwohner eine gemeinsame Herkunft haben. Andererseits hatte sich seine Abstammungslinie bereits von der der Vorfahren heute lebender Europäer getrennt. Weiterhin ergab die Analyse: Im Erbgut des Tianyuan-Menschen findet sich kein größerer Anteil an Neandertaler- oder Denisova-DNA als bei heute in der Region lebenden Menschen. „Die Untersuchung weiterer früher moderner Menschen aus Eurasien wird unser Verständnis davon, wie sich moderne Menschen über Europa und Asien hinweg ausgebreitet haben, noch verfeinern“, sagt Svante Pääbo vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.
Die Säugetiere aus der Tianyuan-Höhle
Neben den menschlichen Überresten fand man Knochen von Hirschen, Primaten, Zibetkatzen und Stachelschweinen - eine ähnliche Fauna wie in der oberen Höhle bei Zhoukoudian. Die Tianyuan-Höhle ist somit eine der am besten dokumentierten Fundstätten von frühen Menschen in Ostasien.
Die menschlichen Überreste sind ähnlich alt wie die aus Pestera cu Oase in Rumänien und älter noch als viele andere europäischen Funde wie beispielsweise Mladec in Tschechien. Die Ähnlichkeit sowohl mit dem anatomisch modernen Menschen als auch mit dem Neandertaler bietet Diskussionsstoff zwischen den Anhängern der multiregionalen Hypothese und der Out-of-Africa-Hypothese.
Weblink: history.cultural-china.com, Bilder von der Höhle
Literatur
- Tong, H., Shang, H., Zhang, S., & Chen, F. 2004. A preliminary report on the newly found Tianyuan Cave, a Late Pleistocene human fossil site near Zhoukoudian. Chinese Science Bulletin, 49(8), 853-857.
- Yaowu Hu, Hong Shang, Haowen Tong, Olaf Nehlich, Wu Liu, Chaohong Zhao, Jincheng Yu, Changsui Wang, Erik Trinkaus, Michael P. Richards. 2009. Stable Isotope Dietary Analysis of the Tianyuan 1 Early Modern Human. PNAS 106(27), DOI: 10.1073/pnas.0904826106
- Qiaomei Fu, Matthias Meyer, Xing Gao, Udo Stenzel, Hernán A. Burbano, Janet Kelso, Svante Pääbo. 2013. DNA analysis of an early modern human from Tianyuan Cave, China. PNAS, 110(6) 2223–2227, DOI: 10.1073/pnas.1221359110
- Artikel mit Material des idw-online
Koordinaten von GeoHack - Tianyuan-Höhle