Mladeč (deutsch: Lautsch) ist ein Dorf in der Region Olomouc in Tschechien, etwa 20 km nordwestlich von Olomouc (Olmütz) und 190 km östlich von Prag. In der nahe gelegenen Boček-Höhle (auch Lautscher Höhle) nahm im Juni 1881 und im Juni 1882 der Wiener Archäologe und Gründer der urgeschichtlichen Abteilung des Naturhistorischen Museums Wien Josef Szombathy (1853-1943) Ausgrabungen vor. Später grub dort der mährische Lehrer und Archäologe Jan Knies (1860-1937). Von 1954 bis 1960 erfolgten Ausgrabungen des Mährischen Museums. Zu den Fossilien gehören menschliche Beinknochen und gut erhaltene Schädel, Tierknochen, knöcherne Werkzeuge (Pfrieme) und Waffen (Lanzenspitzen) sowie eine Halskette aus Tierzähnen.
Die Bedeutung von Mladeč
Der moderne Mensch betrat vor etwa 40.000 Jahren erstmals europäischen Boden. Zu dieser Zeit lebten auch die Neandertaler in Europa. Die beiden Menschenarten lebten nebeneinander, bis die Neandertaler vor rund 28.000 Jahren verschwanden. In einer Studie aus dem Jahr 2005, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Nature, berichten Forscher erstmals über eine genaue Datierung. Sie bestimmten das Alter der Knochen mit Hilfe der Radiocarbon-Methode auf etwa 31.000 Jahre.
Die Mladec-Knochen sind nicht die ältesten menschlichen Überreste von modernen Menschen in Europa - nur die ältesten, die im Kontext mit einer menschlichen Ansiedlung gefunden wurden. Die Überreste aus Pestera cu Oase in Rumänien (ein Schädel und Schädelfragmente) sind vermutlich älter als Mladec, datiert auf rund 35.000 Jahre.
Für viele Wissenschaftler sind die Überreste von Mladec entscheidend für das Verständnis, wie und wann die ersten anatomisch modernen Menschen, früher allgemein als Cro-Magnon-Menschen bezeichnet, in Europa ankamen und sich ausbreiteten. Die Überreste zeigen Hinweise auf eine Beziehung zwischen Mensch und Neandertaler, ein Thema, das bis heute Kontroversen hervorruft.
Kunst und Kultur
In der Studie aus dem Jahr 2005 verwendeten die Wissenschaftler eine Technik namens "Accelerator mass spectrometry" (abgekürzt AMS, deutsch Beschleuniger-Massenspektrometrie), um die Proben zu datieren. Die Analysen zeigten, dass die Überreste etwa 31.000 Jahre alt sind. Sie stammen also aus dem Aurignacien, einer frühen Kultur des modernen Menschen, die vor etwa 40.000 bis 30.000 Jahren ihre Blütezeit hatte.
Die Jäger und Sammler aus dem Aurignacien trugen Kleidung aus Fellen und Leder. Sie lebten zumeist im Freien, wo sie Zelte oder Hütten errichteten, lagerten aber auch in Höhlen und unter Felsdächern. Sie jagten Wildpferde, Rentiere, Mammute, Wollnashörner und Höhlenbären und schufen mit Höhlenmalereien und Schnitzereien die ersten Kunstwerke in der Geschichte der Menschheit. Außerdem begannen die Menschen Anhänger und Perlen zu tragen und auf Knochenflöten zu musizieren.
Auch in den Höhlen von Mladec stieß man auf Bemalungen der Wände, deren exaktes Alter allerdings in der Fachwelt umstritten ist. Die Sammlung aus Mladec umfasst neben den Fossilien auch Artefakte und Kunstgegenstände aus jener fernen Epoche, in der auch Werkzeuge aus Knochen und Geweih üblich waren. Unter den zahlreichen typischen Artefakten jener Zeit waren auch Speespitzen, die so genannten knöchernen „Lautscher Spitzen“.
Die Überreste von Mladec repräsentieren eine recht komplette Knochensammlung, die von mindestens einem halben Dutzend Individuen stammen, darunter auch Kinder. Eine solch große Fundspanne ermöglicht ein genaueres Studium der Variabilität innerhalb einer Bevölkerung. Viele der Mladec-Überreste wurden am Ende des Zweiten Weltkriegs bei einem Brand in Schloss Mikulov an der tschechisch-österreichischen Grenze zerstört. Seitdem wurden am übriggebliebenen Fossilmaterial mehrere Versuche unternommen, an Informationen über das Alter heranzukommen - auf dem Umweg über anhaftendes Erdreich und Tierreste - aber die Versuche scheiterten.
"Die Datierung der Funde ist für die Überprüfung des angenommenen Ursprungs der Fossilien im Aurignacien wichtig und für die Bestimmung ihrer Position innerhalb dieses kulturellen Zeitraums", sagte Maria Teschler-Nicola vom Naturhistorischen Museum in Wien, Co-Autorin der Studie aus dem Jahr 2005 in Nature.
Vermischung mit dem Neandertaler?
Man kann nicht gänzlich ausschließen, dass die Artefakte aus der Umgebung von Mladec von Neandertalern hergestellt wurden, doch die Knochen sprechen eine eindeutige Sprache. Sie stammen unmissverständlich vom frühen modernen Menschen und nicht vom Neandertaler - dies wird heute allgemein akzeptiert.
Aber es gab viele Diskussionen darüber, ob die Überreste im Hinblick auf Struktur und Form einige Merkmale der Neandertaler in sich bergen oder nicht. Eine klare morphologische Abrenzung von den Neandertalern würde die "Out of Africa"-Theorie stützen, die besagt, dass der frühe moderne Mensch in Afrika entstand, später in Europa einwanderte und schließlich den Neandertaler ersetzte.
Die Studie von 2005 geht nicht speziell auf die Frage der Interaktion zwischen Neandertalern und modernen Menschen ein. Aber einige Experten glauben, dass sich Homo sapiens und Homo neanderthalensis in Europa vermischten, so dass Letzterer zur Abstammung des modernen Menschen bis zu einem gewissen Grad seinen Beitrag leistete.
Weblink
Radio Prag - Der frühe moderne Europäer war in Mähren zu Hause (inkl. Interview mit Prof. Maria Teschler-Nicola als Podcast).
Literatur
- Szombathy J. 1925. Die diluvialen Menschenreste aus der Fürst-Johanns-Höhle bei Lautsch in Mähren. Die Eiszeit 1, Leipzig.
- Pacher, M. 2004. Die Tierknochen der Höhlen von Mladec in Mähren, Tschechische Repuplik. Ber. Inst. Erdwiss. K.-F.-Univ. Graz, Band 9, pp. 314-316. PDF
- E. M. Wild, M. Teschler-Nicola, W. Kutschera, P. Steier, E. Trinkaus, W. Wanek. 2005. Direct dating of Early Upper Palaeolithic human remains from Mladeč. Nature, Band 435, pp. 332-335 doi:10.1038/nature03585
Koordinaten von fossilized.org