Banyoles ist eine katalanische Stadt in der Provinz Girona im äußersten Nordosten Spaniens. Sie liegt etwa 60 km nordöstlich von Barcelona in der Comarca Pla de l'Estany.
Im Jahr 1887 fand der Steinmetz Lorenzo Roura in einem Steinbruch in der Nähe des Sees von Banyoles einen menschlichen Unterkiefer, eingebettet in Travertin in einer Tiefe von vier bis fünf Metern. Der Unterkiefer kam bald in den Besitz von Don Pedro Aslius, einem bekannten Apotheker und Naturforscher, der das Stück vom Großteil der Travertin-Matrix befreite. Der Unterkiefer von Banyoles ist noch heute im Besitz der Familie Alsius.
Eine Datierung der dem Fundstück anhaftenden Travertin-Matrix mittels Uran/Thorium Methode ergab ein Alter von 45.000 ± 4.000 Jahre. Eine direkte Datierung mittels einer Kombination aus Uran/Thorium Methode und ESR vom Zahnschmelz ergab 66.000 ± 7.000 Jahre.
Der Unterkiefer von Banyoles wurde ursprünglich dem Neandertaler (Homo neanderthalensis) zugeordnet. Spätere Autoren weisen in ihren Arbeiten auf das Fehlen abgeleiteter Neandertalermerkmale hin. Während das Banyoles-Fossil sowohl in der Ausprägung seiner individuellen Merkmale als auch in seiner Gesamtform besser zum Homo sapiens zu passen scheint, teilt es aber viele dieser Merkmale auch mit früheren menschlichen Spezies, was eine unmittelbare Zuordnung zum Homo sapiens erschwert. Außerdem fehlt Banyoles ein Kinn, eines der charakteristischsten Merkmale des Unterkiefers des Homo sapiens.
„Wir wurden mit Ergebnissen konfrontiert, die uns zeigten, dass der Banyoles-Unterkiefer kein Neandertaler ist, aber die Tatsache, dass er kein Kinn hat, ließ uns zweimal darüber nachdenken, ihn dem Homo sapiens zuzuordnen“, sagte Rolf Quam, Professor für Anthropologie an der Binghamton University, State Universität New York. „Das Vorhandensein eines Kinns gilt seit langem als Kennzeichen für unsere eigene Spezies.“ (Keeling et al. 2022).
Laut den Forschenden scheint es eine Herausforderung zu sein, einen wissenschaftlichen Konsens darüber zu erreichen, welche Art Banyolas repräsentiert. Die Autoren verglichen Banyolas auch mit einem Unterkiefer eines frühen Homo sapiens von der Fundstelle Peştera cu Oase in Rumänien.
Im Gegensatz zum Banyolas-Fund zeigt dieser Unterkiefer ein volles Kinn zusammen mit einigen Neandertalermerkmalen, und eine Analyse alter DNA hat ergeben, dass diese Person vier bis sechs Generationen früher einen Neandertaler-Vorfahren hatte. Da der Banyoles-Unterkiefer keine eindeutigen Merkmale von Neandertalern besitzt, schlossen die Forscher die Möglichkeit einer Vermischung zwischen Neandertalern und H. sapiens aus, um seine Anatomie zu erklären.
Siehe auch: Spanischer Unterkiefer könnte von der frühesten Präsenz eines Homo sapiens in Europa zeugen
Literatur
- Julià, R., & Bischoff, J. L. (1991). Radiometric dating of Quaternary deposits and the Hominid mandible of Lake Banyolas, Spain. Journal of archaeological Science, 18(6), 707-722.
- Grün, R., Maroto, J., Eggins, S., Stringer, C., Robertson, S., Taylor, L., Mortimer, G., McCulloch, M. 2006. ESR and U-series analyses of enamel and dentine fragments of the Banyoles mandible. Journal of Human Evolution, 50, pp 347-358.
- Stringer, C., Hublin J. J., and Vandermeersch, G. 1984. The Origin of Anatomically Modern Humans in Western Europe. In: F.H. Smith and F. Spencer (eds.) The Origins of Modern Humans. New York: Alan R. Liss
- Brian A. Keeling, Rolf Quam, Ignacio Martínez, Juan Luis Arsuaga, Julià Maroto. Reassessment of the human mandible from Banyoles (Girona, Spain) Journal of Human Evolution, 2023; 174: 103291 DOI: 10.1016/j.jhevol.2022.103291
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