Wulfhere

Britannien im 7. Jahrhundert

Wulfhere (auch Uulfhere, Uulfherus, Vulfhere, Wlfarius, Wlfharius, Wulfere, Uulfharius; † 675) war in den Jahren 658 bis zu seinem Tod König des angelsächsischen Königreiches Mercia.[1] Einige Historiker datieren seine Regierungszeit in die Jahre von 657 bis 674.[2]

Leben

Wulfhere war ein jüngerer Sohn von König Penda aus der Dynastie der Iclingas. Sein (Halb-)Bruder Merewalh (fl. 650), ein Unterkönig der Magonsæte, scheint aus einer früheren Ehe seines Vaters zu stammen. Weitere Geschwister, die vermutlich aus Pendas Ehe mit Cynewise[3] hervorgingen, waren seine Brüder Peada (655–656) und Æthelred (674/675–704), die ebenfalls als Könige Mercias herrschten.[4] Seine Schwester Cyneburg war mit Ealhfrith (655–664), dem Unterkönig von Deira verheiratet.[5]

Wulfhere war mit Eormenhild, einer Tochter des Königs Earconberht I. von Kent und dessen Frau Seaxburg, verheiratet.[6] Sein Sohn Cenred (704–709) wurde später ebenfalls König von Mercia und seine Tochter Werburg Äbtissin des Klosters Ely.[7]

Thronfolge

Nachdem Penda 655 im Kampf gegen Oswiu von Northumbria in der Schlacht von Winwaed gefallen war folgte zunächst Wulfheres Bruder Peada als Unterkönig Oswius im Süden Mercias auf den Thron, während Oswiu den Norden selbst regierte. Peada wurde bereits 656 ermordet. Daraufhin herrschte Oswiu selbst über Mercia bis im Jahr 658 die mercischen Ealdormen Immin, Eafa und Eadberht gegen ihn revoltierten und mit Wulfhere den jüngeren Sohn Pendas zum König Mercias erhoben.[1]

Herrschaft

Wulfhere war, wie sein Bruder Peada, aber im Gegensatz zu seinem Vater Penda, Christ; er setzte energisch die Fortsetzung der Christianisierung mit Hilfe der Geistlichen Jaruman und Chad durch.[8] Die Ernennung Trumheres zum Bischof von Mercia, Lindsey und des Gebiets der Mittelangeln[9] um das Jahr 659 könnte ein Versuch König Oswius gewesen sein, die Oberherrschaft Northumbrias über Mercia zu festigen,[10] wobei jedoch angemerkt worden ist, dass es gerade der mercische König Wulfhere gewesen sein könnte, der Trumhere eingesetzt hatte, um den northumbrischen Einfluss, repräsentiert durch Ceollach, zu verringern.[11] Wulfhere betrieb eine expansive Politik und konnte sich in der Folge als Oberkönig der südhumbrischen Königreiche etablieren. Die Herrschaft über Mercia, die Mittelangeln und Lindsey übte er selber aus.[1] Vermutlich wurde das Tribal Hidage zur Zeit Wulfheres als Steuerliste angelegt.[12]

Er unternahm um 660[13] einen erfolgreichen Feldzug gegen die von Jüten besiedelte Isle of Wight und das zu Wessex gehörende Meonwara (Tal des Flusses Meon, südöstliches Hampshire). Beide provinciae (Provinzen), die zuvor eine „Pufferzone“ zwischen den Königreichen Sussex und Wessex bildeten, unterstellte er dem ihm untergeordneten König Æthelwalh von Sussex.[14] Um das Jahr 661 ließ sich Æthelwalh auf Veranlassung Wulfheres, der sein Taufpate war, in Mercia zum Christentum bekehren.[15] Sogleich wurde mit der Missionierung der Isle of Wight begonnen.[1][16]

661 fiel Wulfhere in Wessex ein. König Cenwalh stellte sich bei Posentesbyrg (Lage unbekannt) zur Schlacht. Von Wulfhere verfolgt musste er sich bis Ashdown in Berkshire zurückziehen.[17] Cenwalh entzweite sich um 663 mit Bischof Wine, der zu Wulfhere nach Mercia floh und von diesem 666 das Bistum London erwarb.[18]

Als während einer Seuche in den Jahren 663/664 zahlreiche Ostsachsen ins Heidentum zurückfielen, war dies der Vorwand für König Wulfhere die Oberherrschaft über Essex anzustreben. Er sandte um 665 den mercischen Bischof Jaruman zur Rechristianisierung nach Essex. Tatsächlich ging es um die Kontrolle über das blühende Handelszentrum London.[19] In einer Charta aus dem Jahr 664 bezeichnete sich König Sighere von Essex selbst als Sighere Rex … Regi Uulfhero subjectus („König Sighere … Untertan des Königs Wulfhere“).[20]

Der northumbrische Bischof Wilfrid musste sich 666 für drei Jahre ins Exil in sein Kloster in Ripon zurückziehen. Von dieser Basis aus wirkte er bis 669 als Bischof in Mercia. Wulfhere übergab ihm große Ländereien auf denen er Klöster errichtete.[21] Wulfhere förderte auch andere Klöster, wie z. B. Barking[22] oder durch Landschenkungen bei Barrow an den mercischen Bischof Chad.[1] Weitere Landschenkungen sind durch Chartas belegt.[23] Wulfhere vollendete den von Oswiu und Peada begonnenen Bau der Kathedrale von Peterborough und gewährten dem Kloster Abgabenfreiheit.[24]

Um 669 erlangte Wulfhere die Oberherrschaft über Surrey von seinem Schwager Ecgberht von Kent.[25] Nach Ecgberhts Tod am 4. Juli 673 kam es in Kent zu einem einjährigen Interregnum durch Wulfhere.[26]

Der Versuch einer Invasion in Northumbria im Jahre 674 wurde von Ecgfrith zurückgeschlagen. Ecgfrith brachte das Königreich Lindsey und vermutlich einen großen Teil Mercias unter seine direkte Kontrolle.[27] Nach einer militärischen Niederlage gegen Northumbria schwand Wulfheres Einfluss und im Jahr 675, dem Todesjahr Wulfheres, beurkundete der kentische König Hlothhere im „ersten Jahr seiner Herrschaft“ eine Charta[28] ohne die sonst übliche Zustimmung der Hegemonialmacht Mercia.[29] Ein erneuter Krieg Wulfheres gegen Wessex im Jahr 675 blieb erfolglos; Er starb noch im selben Jahr in der Schlacht von Bedanheafde (nicht identifiziert) gegen König Æscwine von Wessex.[30] Nachfolger als Könige von Mercia wurden nacheinander sein Bruder Æthelred (675–704) und sein Sohn Cenred (704–709).[31]

Quellen

Literatur

  • Simon Keynes: Wulfhere. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 490–491.
  • Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of Early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3 (cultorweb.com PDF; 6,2 MB).
  • D. P. Kirby: The Earliest English Kings. Unwin Hyman, London 1991, ISBN 0-04-445691-3.
  • Michelle P. Brown, Carol Ann Farr (Hrsg.): Mercia: An Anglo-Saxon Kingdom In Europe. Continuum, 2005, ISBN 978-0-8264-7765-1
  • Nicholas J. Higham: The Convert Kings: Power and Religious Affiliation in Early Anglo-Saxon England. Manchester University Press, Manchester 1997, ISBN 0-7190-4827-3.
  • Steven Basset (Hrsg.): The Origins of Anglo-Saxon Kingdoms, Leicester University Press, Leicester 1989, ISBN 0-7185-1317-7.
  • James Campbell et al. (Hrsg.): The Anglo-Saxons, Phaidon, London 1982, ISBN 0-7148-2149-7.
  • Frank M. Stenton: Anglo-Saxon England. 3. Aufl., Oxford University Press, Oxford 1971, ISBN 0-19-280139-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 Simon Keynes: Wulfhere. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 490–491.
  2. Michelle P. Brown, Carol Ann Farr (Hrsg.): Mercia: An Anglo-Saxon Kingdom In Europe. Continuum, 2005, ISBN 0-8264-7765-8, S. 147.
  3. John Cannon, Anne Hargreaves: The Kings and Queens of Britain. Oxford University Press, 2009 (2. überarb. Aufl.), ISBN 978-0-19-955922-0, S. 44–45.
  4. Simon Keynes: Penda. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 361–362.
  5. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 0-415-16639-X, S. 82.
  6. Mary Dockray-Miller: Motherhood and Mothering in Anglo-Saxon England. Palgrave Macmillan, 2000, ISBN 0-312-22721-3, S. 13.
  7. F. Stenton, Anglo-Saxon England. S. 130
  8. A. Vince: Pre-Viking Lindsey. S. 144
  9. N. J. Higham: The Convert Kings: Power and Religious Affiliation in Early Anglo-Saxon England. S. 247.
  10. P. Stafford: The East Midlands in the Early Middle Ages. S. 98.
    M. Gelling: The West Midlands in the Early Middle Ages. S. 95.
  11. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London / New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 10.
  12. Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages. Continuum, 1995, ISBN 978-0-7185-1856-1, S. 39–40.
  13. S. E. Kelly: Sussex, Kingdom of. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 431–432.
  14. Beda: HE 4,13
  15. Barbara Yorke: Cenwalh (Memento vom 25. Oktober 2014 im Internet Archive) (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. abgerufen am 13. November 2011
  16. Beda: HE 3,7
  17. Barbara Yorke: The Kingdom of Essex. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Enzyclopaedia of Anglo-Saxon England. S. 174–175.
  18. S68
  19. Alan Thacker: Wilfrid (Memento vom 5. November 2014 im Internet Archive) (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. Abgerufen am 15. Februar 2012
  20. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 55.
  21. Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: @1@2Vorlage:Toter Link/ascharters.net Charta S1246, Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: @1@2Vorlage:Toter Link/ascharters.net Charta S68, Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven: @1@2Vorlage:Toter Link/ascharters.net Charta S787 etc.
  22. ASC, s. a. 655 und 656.
  23. John Blair: Chertsey. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England, Wiley-Blackwell, 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 102
  24. D. P. Kirby: The Earliest English Kings, Routledge, 2000, ISBN 978-0-415-24211-0, S. 96.
  25. J. R. Maddicott: Ecgfrith (645/6–685) (Memento vom 14. Mai 2013 im Internet Archive) (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. abgerufen am 11. November 2011.
  26. S7
  27. Frank Merry Stenton (Autor), Doris Mary Stenton (Hrsg.): Preparatory to Anglo-Saxon England: Being the Collected Papers of Frank Merry Stenton (Oxford Scholarly Classics), Oxford University Press, 2001, ISBN 978-0-19-822314-6, S. 50.
  28. D. P. Kirby, The Earliest English Kings. S. 43
  29. Simon Keynes: Kings of the Mercians. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 0-631-22492-0, S. 505–508.

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