Reric

Reric war ein frühmittelalterlicher slawisch-dänischer Handelsplatz bei Groß Strömkendorf nahe Wismar an der Ostseeküste Mecklenburgs, dessen genaue Lage bis zum Ende des 20. Jahrhunderts unbekannt war.

Lageplan von Reric nach Grabungsbefunden

Geschichte

Das emporium Reric, also der Handelsplatz Reric, wird in den Reichsannalen für das Jahr 808 im Zusammenhang mit einem Krieg zwischen dem dänischen König Göttrik und den Obodriten erwähnt. Der obodritische Herrscher Drasco hatte mit Hilfe des abtrünnigen Godelaib den ursprünglich dem Dänenkönig abgabenpflichtigen Handelsplatz seinem Herrschaftsbereich unterstellt. Daraufhin landete Göttrik mit seiner Flotte an der Ostseeküste, zerstörte Reric und die umliegenden Dörfer, tötete den Godelaib, belagerte eine obodritische Burg und kehrte dann mit den bis dahin in Reric ansässigen Kaufleuten nach Haithabu zurück. Das zerstörte Reric wurde von den Obodriten wieder aufgebaut und zunächst weiter betrieben, bis Drasco 810 in Reric auf Veranlassung Göttriks ermordet wurde.

Forschung

Die Lage des Handelsplatzes des 8. Jahrhunderts konnte lange nicht eindeutig bestimmt werden, so dass sich noch die Literatur der 1980er Jahre mit der Frage auseinandersetzte, ob nicht Lübeck oder die Mecklenburg mit Reric identisch seien. Bekannt war aus den Reichsannalen nur, dass es sich um einen Handelsplatz an der Ostseeküste im Stammesgebiet der Obodriten handelte. Der Name (abgeleitet von Röhricht) wies auf große Schilfgebiete hin, wovon es an der südlichen Ostseeküste jedoch etliche gab.[1]

Seit den Grabungen durch die Forschungsstelle für Ur- und Frühgeschichte Schwerin (heute Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern) in den Jahren 1989–1992 und der monographischen Bearbeitung durch den Ausgräber Frank Wietrzichowski wird eine an der Wismarer Bucht nördlich von Wismar und westlich von Groß Strömkendorf untersuchte und als überregional bedeutender Seehandelsplatz des 8. und frühen 9. Jahrhunderts erkannte frühmittelalterliche Großsiedlung[2] mit Gräberfeld[3] mit einem hohen Grad an Sicherheit mit dem emporium Reric identifiziert. Weitere Grabungen der Landesarchäologie mit der Universität Kiel Mitte bis Ende der 1990er Jahre haben diese Interpretation bestätigt. Dafür spricht außer dem Fundmaterial auch die Lage zwischen Nord- und Ostsee, die auch für die Entwicklung der Handelsplätze Haithabu, Liubice und Dankirke/Ribe bedeutsam war. Es wird angenommen, dass Reric zur Blütezeit etwa 100–200 ständige Einwohner hatte.

Sonstiges

Reric ist nicht zu verwechseln mit der heutigen Stadt Rerik am Salzhaff, die ihren Namen in bewusster Anlehnung an Reric zu einer Zeit erhielt (1938), als dessen Lage noch unbekannt war.

Literatur

  • Ole Harck, Christian Lübke (Hrsg.): Zwischen Reric und Bornhöved. Die Beziehungen zwischen den Dänen und ihren slawischen Nachbarn vom 9. bis ins 13. Jahrhundert. Beiträge einer internationalen Konferenz, Leipzig, 4.–6. Dezember 1997 (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa. 11). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07671-9. Digitalisat
  • Hauke Jöns, Michael Müller-Wille: Der Ostseehandel. Schiffsverkehr und Warenströme. In: Wilfried Menghin, Dieter Planck (Hrsg.): Menschen, Zeiten, Räume. Archäologie in Deutschland. Theiss, Stuttgart 2002, ISBN 3-88609-467-7, S. 346–351, (Begleitband zur Ausstellung Berlin und Bonn 2002–2003).
  • Michael Müller-Wille: Ribe – Reric – Haithabu. Zur frühen Urbanisierung im südskandinavischen und westslawischen Gebiet. In: Klaus Brandt, Michael Müller-Wille, Christian Radtke (Hrsg.): Haithabu und die frühe Stadtentwicklung im nördlichen Europa (= Schriften des Archäologischen Landesmuseums. 8). Wachholtz, Neumünster 2002, ISBN 3-529-01812-0, S. 321–337 und 431–441.
  • Alexander Pöche: Perlen, Trichtergläser, Tesserae. Spuren des Glashandels und Glashandwerks auf dem frühgeschichtlichen Handelsplatz von Groß Strömkendorf, Landkreis Nordwestmecklenburg (= Beiträge zur Ur- und Frühgeschichte Mecklenburg-Vorpommerns. 44 = Forschungen zu Groß Strömkendorf. 2). Archäologisches Landesmuseum und Landesamt für Bodendenkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin 2005, ISBN 3-935770-07-3.
  • Frank Wietrzichowski: Untersuchungen zu den Anfängen des frühmittelalterlichen Seehandels im südlichen Ostseeraum unter besonderer Berücksichtigung der Grabungsergebnisse von Groß Strömkendorf (= Wismarer Studien zur Archäologie und Geschichte. 3, ISSN 0945-3504). Stadtgeschichtliches Museum, Wismar 1993, (Zugleich: Halle, Universität, Dissertation, 1993).
  • Frank Wietrzichowski: Untersuchungen auf einem frühmittelalterlichen Seehandelsplatz von Gross Strömkendorf, Kr. Wismar. In: Informationen für die Bodendenkmalpflege in Westmecklenburg. 33, 1993, ISSN 0944-7571, S. 23–30, (Erstmalige Darstellung und Begründung der Lokalisierung von Reric in Groß Strömkendorf).

Einzelnachweise

  1. Frank Wietrzichowski: Untersuchungen zu den Anfängen des frühmittelalterlichen Seehandels im südlichen Ostseeraum unter besonderer Berücksichtigung der Grabungsergebnisse von Gross Strömkendorf. Wismar 1993, S. 45.
  2. Frank Wietrzichowski: Untersuchungen zu den Anfängen des frühmittelalterlichen Seehandels im südlichen Ostseeraum unter besonderer Berücksichtigung der Grabungsergebnisse von Gross Strömkendorf. Wismar 1993, S. 14–48.
  3. Frank Wietrzichowski: Untersuchungen auf einem frühmittelalterlichen Seehandelsplatz von Gross Strömkendorf, Kr. Wismar. In: Informationen für die Bodendenkmalpflege in Westmecklenburg. 33, 1993, S. 23–30, hier S. 28 f.

Koordinaten: 53° 57′ 20″ N, 11° 28′ 53″ O

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