Jungfrauen-Reinigungsmythos

Der Jungfrauen-Reinigungsmythos (auch bekannt als Jungfrauen-Heilungsmythos, Jungfrauen-Vergewaltigungsmythos oder Jungfrauenmythos (engl. Virgin rape myth/ virgin cleansing myth)) ist der irrtümliche Glaube, dass man sich durch Sex mit einer Jungfrau von HIV/AIDS oder anderen sexuell übertragbaren Krankheiten heilen kann.[1]

Die Anthropologin Suzanna Leclerc-Madlala gab an, dass dieser Mythos ein Faktor ist, der zu Vergewaltigungen von Kindern in Südafrika beiträgt.[2] Nicht nur junge Mädchen, sondern auch „Blinde, Taube, Behinderte und psychisch Kranke“ werden vergewaltigt, weil davon ausgegangen wird, dass sie Jungfrauen sind.[1]

Geschichte

Der Mythos kam zuerst im 16. Jahrhundert in Europa auf. Im 19. Jahrhundert verbreitete er sich stark im viktorianischen England. Es wurde angenommen, dass Syphilis und Gonorrhö unter anderem darüber geheilt werden können. Die genaue Herkunft ist nicht eindeutig feststellbar. Die Historikerin Hanne Blank schrieb, dass der Mythos wahrscheinlich aus christlichen Legenden von jungfräulichen Märtyrerinnen entstammte. Ihre Reinheit diente dazu, sich vor Dämonen zu beschützen.

Vorkommen

Eine Umfrage durch die Universität von Südafrika in Südafrika ergab, dass 18 Prozent der Arbeiter glaubten, dass man durch Sex mit einer Jungfrau HIV/AIDS heilen könnte. Eine ältere Studie aus dem Jahr 1999 in Gauteng ergab, dass dort 32 Prozent der Teilnehmer der Umfrage an den Mythos glaubten.[3]

Nach Aussage von Betty Makoni vom Girl Child Network in Simbabwe wird der Mythos von Wunderheilern weiterverbreitet. Sie geben HIV-positiven Männern den Ratschlag, sich durch Sex mit Jungfrauen zu heilen.[4] In Simbabwe glauben einige Leute, dass das Blut der Jungfrau, welches bei der Vergewaltigung hervortritt, das Blut der infizierten Person von dem Virus reinigt.[4]

Im Jahre 2002 schrieb der Psychologe Earl-Taylor, dass der Jungfrauen-Vergewaltigungsmythos den starken Anstieg von Kindervergewaltigungen in Südafrika erkläre. Denn in diesem Land besteht gleichzeitig eine HIV/AIDS-Epidemie. Nach Aussagen von UNICEF ist der Mythos indirekt für die Vergewaltigung von hunderten von Mädchen verantwortlich.[5]

Wie auch immer ist es nicht genau bekannt, wie verbreitet der Mythos ist und wie viele Vergewaltigungen deswegen begangen werden. Die Behauptung, dass durch den Mythos die Infektionsrate mit HIV steige oder mehr Kinder missbraucht würden, wird von den Wissenschaftlern Rachel Jewkes und Helen Epstein bestritten,[6] sowie durch Forschungsergebnisse zu Sexualstraftätern in Malawi, bei denen kein Zusammenhang zwischen den Straftaten und dem Mythos gefunden werden konnte.[7]

Bedeutung von Bildung

Ignoranz in Bezug dazu, wie HIV übertragen wird, ist eine große Hürde vor dem Versuch der Eindämmung der Epidemie in vielen afrikanischen Ländern.[8]

Bildung kann helfen, die Verbreitung der Krankheit einzudämmen. Außerdem hülfe sie dabei, den Mythos in Vergessenheit geraten zu lassen. Frauen wie Betty Makoni setzen sich so öffentlich für mehr Bildung in dem Bereich ein, damit weniger Menschen an den Mythos glauben.[9][10]

Nach Angaben von UNICEF wird der Mythos durch traditionelle Geschlechtsrollen verstärkt. Dieses passiert dadurch, dass Mädchen einerseits als unschuldig gelten und nicht dazu angehalten werden, sich weiterzubilden oder Informationen zum Thema zu suchen. Andererseits wird promiskuitives Verhalten von Männern akzeptiert oder gefördert. Andere kulturelle Einflüsse, wie dass Mädchen oft dazu gedrängt werden, ältere Männer zu heiraten, erhöhen ebenfalls das Risiko der HIV-Übertragung. Das Stigma rund um AIDS macht es vielen Menschen schwer, sich Hilfe bei Beratungsorganisationen zu suchen. Dadurch wissen viele Leute nicht, ob sie infiziert werden, und verbreiten schlimmstenfalls die Krankheit weiter.[11]

In den Medien

Der Mythos wird in dem Broadway Musical The Book of Mormon aufgegriffen. Die Nebenfigur des Mattumbo wird davon abgehalten, ein Baby zu vergewaltigen, um sich von AIDS zu heilen. In dem Song Making Things Up Again sagt der Älteste Cunngingham zu Mattumbo wiederholt, dass es gegen den Willen Gottes ist, Babys zu vergewaltigen. Er erfindet ebenfalls einen neuen Abschnitt im Buch Mormon, in dem Gott Joseph Smith sagt, dass er stattdessen Sex mit einem Frosch haben sollte, um sich von AIDS zu heilen.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Groce, Nora E.: Rape of individuals with disability: AIDS and the folk belief of virgin cleansing. In: The Lancet. 363, Nr. 9422, 2004, S. 1663–1664. doi:10.1016/S0140-6736(04)16288-0. PMID 15158626. Abgerufen am 29. Dezember 2011.
  2. Leclerc-Madlala, Suzanne: On The Virgin Cleansing Myth: Gendered Bodies, AIDS and Ethnomedicine. In: African Journal of AIDS Research. 1, Nr. 2, 2002, S. 87–95. doi:10.2989/16085906.2002.9626548. PMID 25871812. Abgerufen am 29. Dezember 2011.
  3. IRIN: SOUTH AFRICA: Focus on the virgin myth and HIV/AIDS. IRIN, 2002, abgerufen am 30. Dezember 2011.
  4. 4,0 4,1 Vickers, Steve: Staging sex myths to save Zimbabwe’s girls. BBC, 24. Oktober 2006, abgerufen am 31. Dezember 2011.
  5. CNN: Child rape survivor saves ‘virgin myth’ victims. CNN, 1. Oktober 2009, archiviert vom Original am 27. Januar 2012; abgerufen am 31. Dezember 2011.
  6. Helen Epstein, Rachel Jewkes: The myth of the virgin rape myth. In: The Lancet. 374, Nr. 9699, November. doi:10.1016/S0140-6736(09)61858-4. Abgerufen am 21. September 2013. “In the current South African case, this claim is predicated on racist assumptions about the amorality of African men...”
  7. Mtibo C, Kennedy N, Umar E: Explanations for child sexual abuse given by convicted offenders in Malawi: no evidence for “HIV cleansing”. In: Child Abuse Negl. 35, Nr. 2, 2011, S. 142–6. doi:10.1016/j.chiabu.2010.10.001. PMID 21353703.
  8. Connor, Steve: Focus AIDS: The myth that sex with a virgin can cure HIV. The Independent, 5. September 1999, abgerufen am 31. Dezember 2011.
  9. Mullins, K.J.: ‘Virgin Myth’ Behind Zimbabwe Child Rapes. Digital Journal, 2009, abgerufen am 31. Dezember 2011.
  10. Stein, Sadie: Silver Linings: One Woman Takes On The ‘Virgin Myth.’ Many Others Perpetuate It. Jezebel, 2009, abgerufen am 31. Dezember 2011.
  11. UNICEF Regional Office for South Asia: Faith-Motivated Actions on HIV/AIDS Prevention and Care for Children and Young People in South Asia: A Regional Overview. UNICEF. 2003. Archiviert vom Original am 17. Oktober 2012. Abgerufen am 31. Dezember 2011.

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