Iberer

Alt-iberische Büste: Dama de Elche

Die Iberer waren eine Volks- oder Stammesgruppe, die in ur- und frühgeschichtlicher Zeit die Iberische Halbinsel, zeitweise auch Gebiete außerhalb derselben, bewohnten.

Quellen

Der römische Geschichtsschreiber Marcus Terentius Varro (Plinius der Ältere, Nat. Hist. III, I, 8) berichtet, die Iberische Halbinsel sei nacheinander von den Iberern, Kelten, Phöniziern, Griechen und Karthagern besiedelt worden.

Geschichte

Iberischer Ritter von Moixent, in Valencia
Rekonstruierte Sprachräume
um 300 v. Chr.

Die Iberer waren ein vorindogermanisches, möglicherweise aus Nordafrika stammendes Volk und vorrömische Bewohner des Ostens und Südens der Iberischen Halbinsel, darunter des heutigen Kataloniens. Das älteste Datum stammt aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. und die letzten sind um das 1. Jahrhundert n. Chr. datiert. Die Iberer lebten zunächst in geschlossenen Stammesgemeinschaften. Sie betrieben Ackerbau und hatten Kenntnisse und Fertigkeiten in der Metallverarbeitung, einschließlich der Verarbeitung von Bronze. In späteren Jahren entwickelten die Iberer eine vielschichtige Kultur mit verstädterten Siedlungen (über 30 dieser poblados sind untersucht) und gesellschaftlicher Schichtung.

Die Phönizier errichteten im 8. Jahrhundert v. Chr. mit Gadir oder Gades (heute Cádiz) einen ihrer bedeutendsten Handelsstützpunkte auf der Iberischen Halbinsel und nahmen mit den Iberern wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt oder wenig später Verbindung auf. Griechische Kolonisatoren gaben im 6. Jahrhundert v. Chr. die ersten historischen Hinweise auf die Iberer. Die Griechen titulierten auch einen anderen Volksstamm als Iberer, die kaukasischen Iberer. Der Grund für diese Namensgleichheit ist unbekannt.

Die Iberer bauten mit den Phöniziern und Griechen Handelskontakte auf, bei denen das auf der Iberischen Halbinsel vorkommende Silber ein begehrtes Produkt war. Diese bis ins 5. vorchristliche Jahrhundert reichende Periode des Handels stellt gleichzeitig die Blütezeit der iberischen Kultur dar. Aus den vorwiegend südspanischen Kerngebieten breiteten sich die Iberer nach Nordosten, bis in das heutige Südfrankreich hin, aus (oppida von Ullastret und Ensérune). Die iberische Kultur ist durch zahlreiche archäologische Funde nachgewiesen (siehe etwa die Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland)[1]. Die iberischen Fundstellen in Katalonien, wie der Puig de Castellet bei Lloret de Mar, sind in der Ruta dels Ibers zusammengeschlossen, die vom Museu d’Arqueologia de Catalunya organisiert wird.

Äußere Einflüsse

Die Ligurer siedelten vor allem nördlich der Pyrenäen, aber auch im Osten der Iberischen Halbinsel. Im 5. und 4. vorchristlichen Jahrhundert wanderten Kelten nach Westen und verdrängten die Ligurer. Die Kultur der Kelten herrschte dann im Norden und Westen der Halbinsel vor, während die Iberer den Süden hielten. Die Iberer im heutigen Spanien bewahrten ihre Eigenständigkeit oder vermischten sich mit den Kelten zu den Keltiberern. Aus dieser Zeit stammen die Stammeseinteilungen in Keltiberer, Lusitanier (heutiges Portugal), Asturer und Kantabrer (Nord-West-Spanien) sowie Turdetaner (bei Tartessos).

Die Iberer und die Keltiberer trieben intensiven Handel mit anderen mittelländischen Kulturen. Iberische Keramik wurde in Frankreich, in Italien und in Nordafrika gefunden. Iberer hatten ebenfalls einen intensiven Kontakt mit den griechischen Kolonisatoren, welche ihre kulturellen Fähigkeiten mit ihnen teilten. Die Iberer haben möglicherweise einige künstlerische Fähigkeiten der Griechen übernommen.

Zur Zeit der Punischen Kriege gerieten die Iberer ins Blickfeld der überlieferten Geschichte. Zwischen dem ersten und dem zweiten Punischen Krieg kamen sie für kurze Zeit unter die Herrschaft der Karthager. Beide Volksgruppen stellten auch Truppen für Hannibals Heer. Anschließend wurden sie vom römischen Reich militärisch bedrängt und letztendlich besetzt. Die folgende Romanisierung bedeutete das Ende einer eigenständigen Kultur oder Politik.

Nach dem Untergang des römischen Reiches endete die Epoche der Iberer endgültig mit dem Einfall der Vandalen (406), der Westgoten (415) und schließlich der Mauren (712).

Iberische Falcata (Krummschwert)

Sprache und Schrift

Die Iberische Sprache gehört wahrscheinlich zum Kreis der altmediterranen Sprachen. Die Hypothese einer Verwandtschaft mit dem Baskischen (einschließlich des Aquitanischen) wird inzwischen weitgehend abgelehnt. Die Vermutung, das Iberische habe als Ausgangssprache für das moderne Baskische gedient, ging zurück auf Manuel Larramendis La antigüedad y universalidad del Bascuenze (1728) und Wilhelm von Humboldts Prüfung der Ursachen über die Urbewohner Hispaniens vermittelst der Vaskischen Sprache (1821). Jedoch bot das Baskische keinerlei Hilfe bei der Entschlüsselung Iberischer Texte.

Iberische Texte wurden aus der Zeit zwischen dem 5. und dem 1. Jh. v. Chr. gefunden, vor allem Weih- und Grabinschriften, die mehrheitlich aus Andalusien stammen. Zur Aufzeichnung des Iberischen wurden vier Schriftsysteme eingesetzt: Die nordostiberische Schrift, die der südlusitanischen, der südostiberischen und der keltiberischen Schrift eng verwandt ist, ist ein Mischsystem von Buchstaben- und Silbenzeichen; ein Einfluss der kyprischen Silbenschrift wird deshalb diskutiert.[2] Im Gebiet der heutigen Provinzen Murcia und Alicante wurde zur Aufzeichnung des Iberischen außerdem das gräko-iberische Alphabet verwendet.

Herkunft

Siedlung Puig Castellar bei Barcelona
Puig Castellar

Zum Ursprung der Iberer gibt es eine Reihe von Vermutungen:

Eine Meinung ist, sie seien im Neolithikum von Nordafrika in das heutige Spanien eingewandert. Ihre Ankunft wird um das 4. Jahrtausend vor Christus datiert. Die meisten Gelehrten, die dieser Theorie anhängen, glauben auf Grund archäologischer, anthropologischer und genetischer Befunde, dass die Iberer von einem Gebiet stammen, welches im östlichen Mittelmeerraum liegt. Andere wiederum sind der Auffassung, dass die Iberer möglicherweise in Nordafrika selbst beheimatet waren und mit den Vorfahren der Berber verwandt waren. Die Iberer hätten dann zunächst entlang der spanischen Ostküste gesiedelt und sich möglicherweise später über die ganze iberische Halbinsel ausgebreitet.

Eine andere Ansicht betrachtet sie als Teil der Ureinwohner Europas und als Schöpfer und Erben einer großen megalithischen Kultur in diesem Gebiet. Für diese Theorie sprechen ebenfalls genetische Befunde. Demnach bestehen engere Beziehungen zu denjenigen Volksstämmen, welche von den Kelten im ersten Jahrtausend vor Christus im heutigen Irland, Großbritannien und Frankreich unterworfen wurden.[3][4]

Der belgische Archäologe Louis Siret (1860-1934) setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Produzenten neolithischer Funde in Südostspanien mit den Iberern gleich, wobei er sich vermutlich auf die Angaben Varros stützte.

Die in Jerusalem ansässige orthodoxe jüdische Organisation Brit-Am glaubt beweisen zu können, dass der Begriff „Iberer“ etymologisch auf „Hebräer“ zurückgeht, was auf eine genetische Abkunft der Volksgruppe von den verlorenen Stämmen Israels schließen ließe.[5][6]

Kunst

Die künstlerischen Hinterlassenschaften der Iberer bestehen in der Hauptsache aus Skulpturen. Man glaubt, dass Statuen wie die Dama de Elche, die Dama de Guardamar oder die Dama de Baza durch iberische Künstler mit recht hoher (wahrscheinlich griechischer) Ausbildung in Bildhauerei und Ästhetik geschaffen wurden. Die wesentlichen Artefakte der iberischen Kunst finden sich im Museo Arqueológico Nacional de España in Madrid, im Museo Internacional de Arte Íbero in Jaén, im Museo Arqueológico y Etnológico de Córdoba und im Museo de Albacete.

Literatur

  • Michael Koch (Hrsg.): Die Iberer. (Ausstellungskatalog Paris, Galeries Nationales du Grand Palais, 15. Oktober 1997 – 5. Januar 1998; Barcelona, Centre Cultural de la Fundación "La Caixa", 30. Januar – 12. April 1998; Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, 15. Mai – 23. August 1998). Hirmer Verlag, München 1998. ISBN 3-7774-7710-9
  • Michael Kunst: Zambujal. Teil 2: Glockenbecher und kerbblattverzierte Keramik aus den Grabungen 1964 bis 1973 (= Madrider Beiträge, Band 5). Verlag Philipp von Zabern, Mainz 1987, S. 9–17 (zur Geschichte des Begriffs „Iberer“ in der spanischen Archäologie).

Weblinks

Commons: Iberer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Iberer – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Kunst- und Ausstellungshalle Bonn (Memento vom 6. November 2011 im Internet Archive)
  2. Harald Haarmann: Lexikon der untergegangenen Sprachen, C. H. Beck, München 2002, S. 98
  3. Indoeuro (Memento vom 11. Februar 2007 im Internet Archive)
  4. Hebrews or yew trees?? What did the celts call themselves? In: Brit-Am, the Hebraic tribes movement. Abgerufen am 28. Juli 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  5. Lost Ten Tribes of Israel: Research, representation, and reconciliation. In: Hebrew Nations. A Britam Website. Abgerufen am 28. Juli 2021 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).

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