Esus
Esus (auch Hesus, Aesus) war ein keltischer Gott des Handels und der Wege, der, selten auch als Kriegsgott gesehen[1], von den Galliern verehrt wurde.
Mythologie
Ob eine Identifikation des Esus mit einer römischen Gottheit möglich ist, ist unklar. Der römische Dichter Lucan ordnete ihn neben Teutates und Taranis als einen der drei gallischen Hauptgötter ein.[2] Spätere Lucan-Kommentatoren setzten ihn dem römischen Mercurius gleich. Unklar ist, ob sich auch der römische Eroberer Galliens, Gaius Iulius Caesar, bei seiner Beschreibung des Mercurius als des am häufigsten verehrten Gottes der Gallier auf Esus bezog. In den Berner Lukan-Scholien wird Esus auch mit Mars verglichen. Sein Name hängt eventuell mit dem gallischen Stamm der Esuvier zusammen, deren Stammesgott er vielleicht war. Ebenfalls unklar ist, ob eine Inschrift aus Hültenhausen, die einen Mercurio Esunertus nennt, eine Variante von Esus bezeichnet; sehr wahrscheinlich handelt es sich hier um den Namen des Stifters.[3] Interessant ist eine Grabinschrift aus Caesarea in der Nähe des heutigen Cherchell in Algerien, die einen Esus nennt[4] – neben einer Inschrift aus Paris die einzige inschriftliche Bezeugung Esus.
Kultpraxis
Nach den Berner Lukan-Scholien war Esus vor allem der Gott der Händler, dem in den Augen der Römer „unmenschliche Altäre“ geweiht waren und dem zu Ehren Menschen an Bäumen erhängt wurden, „bis das Fleisch sich von den Knochen löse“. Es ist nicht gänzlich klar, welche Art des Opfers hiermit gemeint war, ob Hingerichtete lediglich an Bäumen zur Schau gestellt oder ob Menschen am Baum selbst erhängt oder gar durch zurückschnellende Äste zweigeteilt wurden. Allgemein ist die Quellenlage zum tatsächlichen Kult des Esus spärlich und schwierig zu beurteilen, so dass kaum ein zufriedenstellendes Bild der tatsächlichen Funktion des Gottes und seines Kultes rekonstruiert werden kann.
Ikonographie
Nur eine Darstellung des Esus – auf der Stele der Nautae Parisiaci – wird inschriftlich eindeutig als ESVS benannt.[5] Da das Relief auf dem Trierer Mercurius-Altar dieser sehr ähnelt, scheint die Identifikation als Esus gesichert. Auf beiden Darstellungen erkennt man eine baumfällende Gottheit, und in den Ästen sind ein Stier und drei bzw. zwei Kraniche dargestellt, wobei letzteres in Paris auf einem eigenen Relief zu sehen und mit Tarvos Trigaranus beschriftet ist.[5] Auf dem Trierer Weihestein sind zudem auf den anderen Seiten Mercurius und eine Begleiterin sowie eine andere unbenannte Göttin dargestellt.[6] Jedoch ist der Esus-Mythos, der hier dargestellt wird, ebenso wie der Charakter des Esus nicht überliefert.
Schwierigkeiten der Etymologie
Stark umstritten ist die Deutung des Namens Esus. So findet man häufig eine Deutung als „Herr“, z. B. bei Bernhard Maier, der auf eine Verwandtschaft zum lat. und etrusk. erus („Herr“, „Gebieter“) bei langem „ē“, aber auch auf venet. aisu („Gottheit“) bei kurzem „e“, hinweist.[7] D. F. L. Belloguet vermutete eine Verwandtschaft mit der Wurzel As („Leben“) (wie im Indo-iranischen Asura und im nordischen Aesir). R. Nedoma leitet den Namen von der proto-indoeuropäischen Wurzel eis- („Wut, Leidenschaft“) her und auch H. d’Arbois de Jubainville vermutete die Bedeutung „Wut, Hast“. J. Vendryes leitet den Namen hingegen von Esu- („gut“) ab, während D. Martin mit seiner Herleitung vom bretonischen (h)euzuz mit der Bedeutung „schrecklich“ quasi das genaue Gegenteil vertritt. Andere weniger bekannte Deutungen leiten sich von kelt. (v)esu- („Gut“, vgl. Vendryes), is- („Verlangen“), proto-indoeuropäisch Ais („Ehre, Respekt“) oder italisch Aisus, Esus („Gott“) ab (vgl. Belloguet).
Esoterik
Der walisische Autor Iolo Morganwg, der als Vater der neuzeitlichen Druiden gilt, setzte Esus mit der Sagengestalt „Hu-Gadarn“ zu „Hu-Hesus“ gleich und identifizierte ihn mit Jesus Christus und dem sagenhaften Begründer des Druidenkultes und Erfinders der Ogham-Schrift. Andere neopagane Autoren identifizieren Esus mit der irischen Sagengestalt Easar und verehren ihn als Jagd- oder Feuergott (nach einer unsicheren Etymologie von Indo-europäisch *aidh- („Feuer“)).
Siehe auch
- Liste keltischer Götter und Sagengestalten
- Keltische Religion
- Keltische Mythologie
- Liste der Gottheiten in den Asterix-Comics
Literatur
- Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1999, ISBN 3-7001-2609-3.
- Miranda J. Green: The Gods of the Celts. Sutton Publishing, Stoud 1997, ISBN 0-7509-3479-4.
- Bernhard Maier: Die Religion der Kelten. Götter, Mythen, Weltbild. Beck, München 2001, ISBN 3-406-48234-1.
- Bernhard Maier: Lexikon der keltischen Religion und Kultur (= Kröners Taschenausgabe. Band 466). Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-46601-5.
- Jan de Vries: Keltische Religion. Edition Amalia, Bern 2006, ISBN 3-905581-20-5.
Weblinks
- Chronarchy: Esus. Umfangreiche Abhandlung, Wissenschaftliches und Neoheidnisches getrennt (englisch).
- Hu-Gadarn in der Neo-Druidischen Religion (englisch).
- Eine kritische Betrachtung von Iolo Morganwgs Theorien zu Hu-Hesus beim "Order of Bards, Ovates and Druids" (englisch).
- Esus im Neokeltischen Neuheidentum (Memento vom 19. Oktober 2007 im Internet Archive) (englisch).
- Eine Neo-keltische Interpretation des Mythos von Esus und dem Tarvos Trigaranus (englisch).
Einzelnachweise
- ↑ Helmut Birkhan: Kelten - Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 1999, S. 643ff.
- ↑ Lucan: Pharsalia. Liber I, Z. 444 ff.
- ↑ CIL 13, 11644 Mercurio / Esuner/tus / Souni f(iliuds) / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito)
- ↑ AE 1985, 934 Peregrinus [3] / quod Esus fuit iuben[s]
- ↑ 5,0 5,1 CIL Tib(erio) Caesare / Aug(usto) Iovi Optum/o / Maxsumo(!) s(acrum) / nautae Parisiac[i] / publice posierun/[t(!)] // Eurises // Senant U[s]eiloni(?) // Iovis // Tarvos(?) Trigaranus // Volcanus // Esus // [C]ernunnos // Castor // [3] // Smert[ri]os // Fort[una?] // ]TVS[ // D XIII, 03026
- ↑ Rheinisches Landesmuseum Trier: Trier - Augustusstadt der Treverer. Verlag Philipp von Zabern, Mainz am Rhein 1984, ISBN 3-8053-0792-6, S. 249f.
- ↑ Bernhard Maier: Die Religion der Kelten. Götter, Mythen, Weltbild. S. 118 f.