Ceawlin

Ceawlin (auch Ceaulin, Caelin; † ca. 593) war von 560 bis 591/593 oder von 581 bis 588[1] König der Gewissæ, einer Volksgruppe, die im 7. Jahrhundert als „Westsachsen“ das angelsächsische Königreich Wessex bildete.[2]

Im Eintrag des Jahres 827 (829) der Angelsächsischen Chronik, der wiederum auf Angaben in Bedas Historia ecclesiastica gentis Anglorum II,5 beruht, wird er als zweiter Bretwalda bezeichnet.[3]

Das Manuskript C der Angelsächsischen Chronik nennt „Ceaulin“ (Zeile 5) als zweiten Bretwalda

Quellenlage

Familie

Er stammt aus dem Haus Wessex und gilt als Sohn des Cynric.[4] Seine Brüder waren nach der Angelsächsischen Chronik Cutha[5], Ceolwulf[5] und Celm.[6] Ceawlins Söhne waren Cuthwine[4] und Cutha.[7] Sein Nachfolger Ceol war sein Neffe.[8]

Herrschaft

Im Zusammenhang mit Ceawlin genannte Orte

Cynric kämpfte gemeinsam mit Ceawlin im Jahr 556 bei Beranburh (Barbury Castle) gegen die Briten.[9] Nach Cynrics Tod folgte ihm sein Sohn Ceawlin im Jahr 560 auf den Thron.[10] Æthelberht von Kent marschierte in die Region zwischen Andredsweald und Themse (südlich von London) ein, wurde aber von Ceawlin und dessen Bruder Cutha 568 bei Wibbandune (Wimbledon ?) geschlagen und bis nach Kent verfolgt.[11] 571 wird ein Sieg Cuthwulfs über die Briten bei Bedcanford (Bedford in den Chiltern Hills?) und die Eroberung der Städte Limbury (Bedfordshire), Aylesbury (Buckinghamshire), Bensington (Oxfordshire) und Eynsham (Oxfordshire) erwähnt. Cuthwulf starb im selben Jahr.[12]

Die bedeutendste Schlacht war wohl die Schlacht von Deorham 577 (Dyrham bei Bath), in der die drei britischen Könige Coinmail, Condidan und Farinmail gefallen sein sollen, in der Folge habe Ceawlin die Orte Gloucester, Cirencester und Bathcester gewinnen können.[13] Damit wäre es Ceawlin gelungen, den Severn zu erreichen und die britischen Königreiche von Wales und Cornwall voneinander zu trennen. Im Jahr 584 führte ein Feldzug Ceawlin und Cutha nach Fethanleag (unsicher: Stoke Lyne nordöstliches Oxfordshire[14] oder Fretherne in Gloucestershire). Cutha fiel und Ceawlin kehrte mit reicher Beute heim.[15] Für das Jahr 591/592 wird erwähnt, dass Ceawlin nach einem Massaker in Wôdnesbeorg (Alton Priors in Wiltshire) vertrieben worden sei, ohne dass die genauen Zusammenhänge klarwerden.[16] Ceol übernahm als Nachfolger die Königswürde.[6] Ceawlin starb im Jahr 593.[17]

Forschungsstand

Südengland um 575
England um die Zeit von Ceawlins Tod ca. 593

Die widersprüchlichen Angaben zu seinem Großvater (Cerdic oder Creoda) konnten von der Forschung nicht endgültig aufgelöst werden.[18] Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Cynrics bzw. Ceawlins Linie keine Cerdicingas waren, sondern nachträglich mit dem Dynastiegründer Cerdic verknüpft wurden.[19] Die Quellenlage zu Ceawlin ist deutlich besser und umfangreicher als die seiner Vorgänger und geht vermutlich auf eine mündliche Überlieferungstradition zurück.[20] Da die Angelsächsische Chronik jedoch zur Zeit Alfred des Großen (871–899), eines direkten Nachfahren Ceawlins, verfasst wurde, besteht die Gefahr, dass Ceawlins Taten „ins rechte Licht gerückt“ wurden. Eine Biographie kann daher nur grobe Züge tragen.[21]

Die Gewissæ weiteten ihr Einflussgebiet vermutlich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts auf das heutige Wiltshire aus. Diese Region war seit dem 5. Jahrhundert von Angelsachsen besiedelt. Die Kämpfe (ASC 556) bei Beranburh (Barbury Castle), einer eisenzeitlichen Wallburg, wurden daher nicht notwendigerweise gegen Briten geführt.[18] Die Zuordnung archäologischer Befunde ist mit Unsicherheiten verbunden, da die Gewissæ sich kaum von anderen sächsischen Gruppen jener Zeit unterscheiden lassen.[20]

Nach Cynrics Tod folgte sein Sohn Ceawlin als dritter bekannter König der Gewissæ auf den Thron. Er gilt als einer der mächtigsten Könige seiner Zeit. Die Datierung seiner Herrschaft bereitet Schwierigkeiten und scheint vom Schreiber der Angelsächsischen Chronik auf 31 bzw. 32 Jahre (560–591/592) „gedehnt“ worden zu sein, während ihm die westsächsischen Königslisten eine deutlich kürzere Amtszeit von sieben oder siebzehn Jahren zuordnen. Als Beginn seiner Herrschaft ergäben sich daher die Jahre 574/575 oder 584/585.[22] Möglicherweise hatte ihn sein Vater Cynric aber bereits zuvor an seiner Herrschaft beteiligt. Ceawlin teilte sein Königtum offenbar zunächst mit Cuthwulf, der vielleicht mit seinem Bruder Cutha identisch war. Später beteiligte er seinen Sohn Cuthwine an der Macht.[22] Die Zuverlässigkeit der Berichte über seine Feldzüge (ASC 568, 571, 577, 584) ist schwer zu beurteilen, zumindest die Datierung muss in Frage gestellt werden. Der Sieg Cuthwulfs (ASC 571), der Tod dreier britischer Könige und die Eroberung der drei Städte (ASC 577) mag historische Fakten darstellen, doch ist die Verknüpfung mit Ceawlin zu hinterfragen. Sächsische Siedlungsspuren sind im heutigen Gloucestershire schon aus älterer Zeit nachgewiesen. Die Region war wahrscheinlich bereits in sächsischer Hand, worauf auch die Ortsnamen, die alle sächsischen Ursprungs sind, hinweisen. Der Eintrag zum Jahr 571 ist möglicherweise insgesamt ein späteres Konstrukt, um den Anspruch Wessex' gegenüber Mercia auf das im 8. Jahrhundert umstrittene Gebiet durch „alte Rechte“ zu stärken.[22]

Die Darstellung Ceawlins als erfolgreicher und weiträumig agierender Herrscher wird durch Beda Venerabilis gestützt,[23] der ihn als zweiten Bretwalda nennt. Auch die regionale Beschreibung seiner Aktivitäten im weiteren Umfeld der oberen Themse ist plausibel, da der spätere König Cynegils (611–642) dieses Gebiet offenbar als „Kernland“ der Gewissæ ansah und in Dorchester-on-Thames den ersten Bischofssitz etablierte.[22] Vermutlich haben die angelsächsischen Reiche im Südosten Englands, Sussex, Isle of Wight und Kent, seine Oberherrschaft anerkannt.[21] Auch britische Gebiete in den Chiltern Hills, Buckinghamshire, Cotswolds (Gloucestershire, Oxfordshire und Warwickshire), an den Flüssen Avon und Severn gehörten wohl zumindest zeitweilig zu seinem Einflussbereich.[24]

Ceawlins Herrschaft endete offenbar mit Unruhen im Königshaus. Um 588[1]/591 kam sein Neffe Ceol an die Macht und Ceawlin wurde nach einem „großen Massaker“ bei Wôdnesbeorg (bei Wansdyke[25] oder Alton Priors in Wiltshire) vertrieben. Um 592/593 starben Ceawlin und seine sonst unbekannten mutmaßlichen Verwandten Cwichelm und Crida.[22] Nach dem Tod Ceawlins schwand die Vormacht der Gewissæ. Æthelberht von Kent, der durch seine Heirat eine Allianz mit dem Frankenreich, Europas zu der Zeit mächtigstem Staat eingegangen war, gewann an Einfluss und war um 600 südlich des Humber als dritter Bretwalda anerkannt.[26]

Quellen

Literatur

  • Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3. PDF (6,2 MB)
  • Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages (Studies in the Early History of Britain), Continuum, 1995, ISBN 978-0718518561.
  • John Cannon, Anne Hargreaves: The Kings and Queens of Britain, Oxford University Press, 2009 (2. überarb. Aufl.), ISBN 978-0-19-955922-0, S. 24.
  • Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-6312-2492-1.
  • D. P. Kirby, Alfred Smyth, Ann Williams (Hrsg.): A Biographical Dictionary of Dark Age Britain, Routledge, London-New York 1991, ISBN 978-1-85264-047-7.
  • D. P. Kirby: The Earliest English Kings, Routledge, London-New York 2000, ISBN 978-0415242110.
  • D. N. Dumville: The West Saxon genealogical regnal list and the chronology of early Wessex, Peritia, 4/1985, S. 21–66.
  • Patrick Sims-Williams: The settlement of England in Bede and the Chronicle. In: Peter Clemoes, Simon Keynes, Michael Lapidge (Hrsg.): Anglo-Saxon England, 12 Cambridge University Press, 2007, ISBN 9780521038348, S. 1–41.

Weblinks

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 133.
  2. Simon Keynes: Kings of the West Saxons. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-6312-2492-1, S. 511–514.
  3. Angelsächsische Chronik zum Jahr 827
  4. 4,0 4,1 Angelsächsische Chronik zum Jahr 688
  5. 5,0 5,1 Angelsächsische Chronik zum Jahr 597
  6. 6,0 6,1 Angelsächsische Chronik zum Jahr 495
  7. Angelsächsische Chronik zum Jahr 685
  8. Angelsächsische Chronik zum Jahr 611
  9. Angelsächsische Chronik zum Jahr 556
  10. Angelsächsische Chronik zum Jahr 560
  11. Angelsächsische Chronik zum Jahr 568
  12. Angelsächsische Chronik zum Jahr 571
  13. Angelsächsische Chronik zum Jahr 577
  14. D. P. Kirby, Alfred Smyth, Ann Williams (Hrsg.): A Biographical Dictionary of Dark Age Britain, Routledge, London-New York 1991, ISBN 978-1-85264-047-7, S. 74.
  15. Angelsächsische Chronik zum Jahr 584
  16. Angelsächsische Chronik zum Jahr 591
  17. Angelsächsische Chronik zum Jahr 593
  18. 18,0 18,1 Barbara Yorke: Cynric@1@2Vorlage:Toter Link/www.oxforddnb.com (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. abgerufen am 13. November 2011
  19. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 143.
  20. 20,0 20,1 Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 131–132.
  21. 21,0 21,1 Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 135–138.
  22. 22,0 22,1 22,2 22,3 22,4 Barbara Yorke: Ceawlin@1@2Vorlage:Toter Link/www.oxforddnb.com (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. abgerufen am 13. November 2011
  23. Beda: HE 2,5
  24. Robin George Collingwood, John Nowell Linton Myres: Roman Britain and English Settlements, Biblo & Tannen, 1998, ISBN 978-0819611604, S. 424 und 453.
  25. Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages (Studies in the Early History of Britain), Continuum, 1995, ISBN 978-0718518561, S. 35.
  26. S. E. Kelly: Æthelberht; In: Michael Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-6312-2492-1, S. 13

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