Cynric

Cynric (auch Cinric; † 560 oder 581[1]) war im 6. Jahrhundert König der Gewissæ, einer Volksgruppe, die im späten 7. Jahrhundert als „Westsachsen“ das angelsächsische Königreich Wessex bildete.[2]

Quellenlage

Familie

Cynric stammt aus dem Haus Wessex und gilt als Sohn des Cerdic[3] oder Creoda.[4][5] Nach der Anglian Collection war Cynric ein Sohn des sonst unbekannten[6] Creoda, dessen mythische Ahnenreihe über Cerdic, Aluca, Giwis, Brand, Bældæg, Woden auf Frealafing zurückgeht.[7] Bischof Assers Vita Alfredi fügt zwischen Woden und Frealafing einen Frithowald ein und erweiterte die Ahnenreihe bis auf Adam und Eva zurück.[8]

Seine Söhne waren nach der Angelsächsischen Chronik:

  1. Ceawlin,[3][7]
  2. Cutha[9],
  3. Ceolwulf[9]
  4. Celm.[5]

Herrschaft

Nach der Angelsächsischen Chronik landeten Cerdic und sein Sohn Cynric im Jahr 495 mit fünf Schiffen bei Cerdicesora und setzten sich an der Küste fest.[5] Im Jahr 508 siegten sie bei Natanleaga (Netley Marsh, Hampshire) gegen den britonischen König Natanleod.[10] 514 landeten Cerdics und Cynrics Verwandte (nefum „Neffen“, oft allgemein für „Verwandter“)[11] Stuf und Wihtgar bei Cerdicesora mit drei Schiffen als Verstärkung.[12]

Im Jahr 519 erhielten Cerdic und Cynric die Königskrone, sodass dieses Jahr als Beginn des Königreiches Wessex gilt. Sie kämpften gegen die Britonen bei Cerdicesford (Charford in Hampshire).[13] Weitere Kämpfe gegen die die Briten folgten 527 bei Cerdicesleaga (Lage unbekannt), deren Ausgang unbekannt ist.[14] Im Jahr 530 eroberten Cerdic und Cynric in der Schlacht bei Wihtgarabyrg (Carisbrooke) die Isle of Wight.[15] Auf Wight setzte Cerdic und Cynric ihre Verwandten Stuf und Wihtgar als Herrscher ein.[11] Cerdic starb im Jahr 534 und Cynric wurde sein Nachfolger.[11][16]

Cynric schlug die Britonen im Jahr 552 in einer Schlacht bei Searobyrig (Old Sarum) in die Flucht[17] und kämpfte gemeinsam mit Ceawlin im Jahr 556 bei Beranburh (Barbury Castle) nochmals gegen die Briten.[18] Nach Cynrics Tod folgte ihm sein Sohn Ceawlin im Jahr 560 auf den Thron.[19]

Forschungsstand

England um 540

Die Quellenlage wirft einige unlösbare Probleme auf. Die Angelsächsische Chronik wurde fast 400 Jahre nach den tatsächlichen Ereignissen verfasst und viele dort angegebenen Details müssen als legendär gelten.[16] Ein möglicher historischer Kern wurde in der Überlieferung verzerrt und zeigt eher die Vorstellungen des 9. Jahrhunderts über den Ursprung des Königreiches auf als historische Fakten.[20]

Die Chronologie ist sicherlich fehlerhaft und einige Ereignisse scheinen im Abstand von 19 Jahren doppelt genannt zu werden. So werden z. B. die Landung Cerdics und Cynrics 495 und die Landung von Stuf und Wihtgar im Jahr 514 als spätere Abschriftfehler oder Missverständnisse aufgefasst, die auf die Osterberechnung des Dionysius Exiguus zurückgehen, der Ereignisse in 19-jährigen Zyklen gruppierte.[16] Cerdics Regierungszeit von 519 bis 534 deckt sich zwar mit der 16-jährigen Amtszeit in den westsächsischen Königslisten, doch deuten Abweichungen zwischen der Angelsächsischen Chronik und anderen Königslisten darauf hin, dass seine Herrschaft zu früh datiert ist.[16] , vgl.[1] Eine Datierung von Cerdics und Cynrics „Ankunft“ um 532[20] und Cynrics Regierungszeit von 554 bis 581[21] ist vorgeschlagen worden.

Die Ankunft eines Gründerpaares mit alliterierenden Namen und auf wenigen Schiffen gleicht anderen angelsächsischen Ursprungsmythen (z. B. Hengest und Horsa) und ist Bestandteil indoeuropäischer Tradition. Ein weiterer Topos sind von Personen abgeleitete Ortsnamen wie Natanleaga (nach König Natanleod), was wahrscheinlicher „nasser Wald“ bedeutet.[16] Vermutlich ist der umgekehrte Fall richtig, dass die Personen nach bestehenden Ortsnamen benannt wurden.[20]

Die widersprüchlichen Angeben zu seinem Vater (Cerdic oder Creoda) konnten von der Forschung nicht endgültig aufgelöst werden.[1] Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Cynrics bzw. Ceawlins Linie keine Cerdicingas waren, sondern nachträglich mit dem Dynastiegründer Cerdic verknüpft wurden.[22] Cynric, der nach der Angelsächsischen Chronik 495 bereits „erwachsen“ war und 560 starb, hätte das für diese Zeit außergewöhnliche Alter von über 80 Jahren erreicht. Daher scheinen seine „frühen Jahre“ der Legende anzugehören und Creoda erscheint als Vater plausibler.[23] Bemerkenswert ist auch die Angabe, dass Cynric seit 519 gemeinsam mit Cerdic geherrscht haben soll, während die Zählung seiner 26 oder 27 Regierungsjahre mit dem Tod Cerdics 534 einsetzte.[1]

Die Eroberung der Isle of Wight ist offenbar eine spätere Hinzufügung, welche die westsächsische Expansion nach Süden legitimieren sollte.[24] Cynric oder ein Nachfolger weiteten das Einflussgebiet vermutlich in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts auf das heutige Wiltshire aus. Diese Region war seit dem 5. Jahrhundert von Angelsachsen besiedelt. Die Kämpfe der Jahre 552 (nach ASC) bei Searobyrig (Old Sarum) und gemeinsam mit Ceawlin im Jahr 556 (nach ASC) bei Beranburh (Barbury Castle), beides Orte mit eisenzeitlichen Wallburgen, wurden daher nicht notwendigerweise gegen Briten geführt.[1] Die Zuordnung archäologischer Befunde ist mit Unsicherheiten verbunden, da die Gewissæ sich kaum von anderen sächsischen Gruppen jener Zeit unterscheiden lassen.[6] Nach Cynrics Tod folgte ihm sein Sohn Ceawlin auf den Thron.[1]

Quellen

Literatur

  • Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3. PDF (6,2 MB)
  • Barbara Yorke: Wessex in the early Middle Ages (Studies in the Early History of Britain), Continuum, 1995, ISBN 978-0718518561.
  • D. N. Dumville: The West Saxon genealogical regnal list and the chronology of early Wessex, Peritia, 4/1985, S. 21–66.
  • Alheydis Plassmann: Origo gentis. Identitäts- und Legitimitätsstiftung in früh- und hochmittelalterlichen Herkunftserzählungen (= Orbis mediaevalis. Band 7). Akademie-Verlag, Berlin 2006, ISBN 3-05-004260-5, S. 107–110 (zugleich: Habilitationsschrift, Bonn 2004).
  • Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-6312-2492-1.
  • D. P. Kirby: The Earliest English Kings, Routledge, London-New York 2000, ISBN 978-0415242110.
  • John Cannon, Anne Hargreaves: The Kings and Queens of Britain, Oxford University Press, 2009 (2. überarb. Aufl.), ISBN 978-0-19-955922-0, S. 24.
  • B. Eagles: The archaeological evidence for settlement in the fifth to seventh centuries AD. In: Michael Aston, Carenza Lewis (Hrsg.): The medieval landscape of Wessex, Oxbow, 1994, ISBN 978-094689778-0, S. 13–32.

Weblinks

Anmerkungen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 1,4 1,5 Barbara Yorke: Cynric@1@2Vorlage:Toter Link/www.oxforddnb.com (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, 2004. abgerufen am 13. November 2011
  2. Simon Keynes: Kings of the West Saxons. In: Lapidge et al. (Hrsg.): The Blackwell Encyclopaedia of Anglo-Saxon England. Wiley-Blackwell, Oxford u. a. 2001, ISBN 978-0-6312-2492-1, S. 511–514.
  3. 3,0 3,1 Angelsächsische Chronik zum Jahr 688
  4. Angelsächsische Chronik zum Jahr 854
  5. 5,0 5,1 5,2 Angelsächsische Chronik zum Jahr 495
  6. 6,0 6,1 Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 131–132.
  7. 7,0 7,1 Anglian Collection
  8. Asser: Vita Alfredi; The Life of King Alfred, online (Memento des Originals vom 21. Oktober 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/omacl.org bei Online Medieval and Classical Library (englisch)
  9. 9,0 9,1 Angelsächsische Chronik zum Jahr 597
  10. Angelsächsische Chronik zum Jahr 508
  11. 11,0 11,1 11,2 Angelsächsische Chronik zum Jahr 534
  12. Angelsächsische Chronik zum Jahr 514
  13. Angelsächsische Chronik zum Jahr 519
  14. Angelsächsische Chronik zum Jahr 527
  15. Angelsächsische Chronik zum Jahr 530
  16. 16,0 16,1 16,2 16,3 16,4 Barbara Yorke: Cerdic@1@2Vorlage:Toter Link/www.oxforddnb.com (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. (kostenpflichtige Registrierung erforderlich). In: Oxford Dictionary of National Biography, Oxford University Press, Oxford 2004, abgerufen am 13. November 2011
  17. Angelsächsische Chronik zum Jahr 552
  18. Angelsächsische Chronik zum Jahr 556
  19. Angelsächsische Chronik zum Jahr 560
  20. 20,0 20,1 20,2 Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 3–4.
  21. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 133.
  22. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 143.
  23. John Cannon, Anne Hargreaves: The Kings and Queens of Britain, Oxford University Press, 2009 (2. überarb. Aufl.), ISBN 978-0-19-955922-0, S. 54.
  24. Barbara Yorke: Kings and Kingdoms of early Anglo-Saxon England. Routledge, London-New York 2002, ISBN 978-0-415-16639-3, S. 155.

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