Skhul V - Homo sapiens
FUND | FUNDORT | ALTER | ENTDECKER | DATUM |
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adultes maskulines Skelett eines Homo sapiens | Skhul-Höhle, Mount Carmel, Israel | ca. 90.000 Jahre | Theodore McCown und Hallum Movius Jr | 2. Mai 1932 |
VERÖFFENTLICHUNG | ||||
McCown, T. D. und A. Keith, 1939.The fossil remains from the Levalloiso-Mousterian. The Stone Age of Mount Carmel, vol. II (The Claredon Press, Oxford) |
Der Fund eines männlichen, erwachsenen Homo sapiens, der als Skhul V bezeichnet wird, sowie neun weitere Erwachsene und Kinder, die in der Skhul-Höhle in Israel ausgegraben wurden, dürften zusammen mit den Bewohnern der nahegelegenen Qafzeh-Höhle'>Qafzeh-Höhle die Urbevölkerung der Jetztmenschen darstellen, die sich später über die ganze Erde verbreitete.
Wie man an den Belegen aus Skhul und Qafzeh erkennt, tauchten Menschen im Nahen Osten auf, lange bevor sie ihren Fuß nach Europa setzten, und damit spielen diese Funde eine Schlüsselrolle, wenn man das Geheimnis um den Ursprung der Jetztmenschen lösen will.
Anfangs glaubte man, der Homo sapiens von Skhul sei nur etwa 40.000 Jahre alt; diese Schätzung gründete sich auf einen Vergleich zwischen den an dieser Stelle und im benachbarten Tabun gefundenen Pflanzenresten und Steinwerkzeugen. Eine derart späte Datierung hätte bedeutet, dass die in Tabun lebenden urtümlichen Neandertaler genügend Zeit gehabt hätten, sich zu den modern aussehenden Menschen von Skhul und Qafzeh weiterzuentwickeln. Ende der 1980ger Jahre stellte sich jedoch durch neue Datierungsmethoden heraus, dass die Funde von Skhul mindestens doppelt so alt waren, wie man bis dahin angenommen hatte. Diese Menschen waren Zeitgenossen der Bewohner von Tabun, und lebten früher als andere Neandertaler im Nahen Osten und in großen Teilen Europas. Dass die Neandertaler sich zur modernen Bevölkerung weiterentwickelt haben sollten, erschien plötzlich sehr viel weniger plausibel.
Die Überreste von acht Männern und zwei Frauen wurden in der Höhle absichtlich bestattet, und die gleiche Schicht enthielt auch fast 10.000 Werkzeuge aus dem Moustérien. Das Individuum Skhul V lag mit Blick nach rechts auf dem Rücken, das Kinn war an den Brustkorb gedrückt, und die Beine waren eng angezogen. Der linke Arm lag quer über dem Körper, und die Hand hielt früher offenbar einen Wildschweinkiefer umklammert - bei diesen Gräbern die einzige Grabbeigabe.
Skhul V ist der größte Mann, und sein Schädel ist am vollständigsten erhalten. Allerdings fehlt der mittlere Teil des Gesichts. Nach der Abnutzung der Zähne (die Hälfte der Kronen an den ersten Molaren ist bis auf das Zahnbein abgeschliffen) und den Schädelnähten zu schließen, war dieses Individuum bei seinem Tod zwischen 30 und 40 Jahre alt.
In den Schädeln der Homo sapiens von Skhul vereinigen sich moderne und primitive Merkmale, aber die Anatomie ähnelt zum allergrößten Teil der von heutigen Menschen und ist insbesondere deutlich anders als bei den "klassischen" europäischen Neandertalern. So zeigt Skhul V vorn am Gehirnschädel eine starke Wölbung, hinten befindet sich ein abgerundetes Hinterhauptbein (das ganz anders aussieht als der abgeflachte Nackenbereich der Neandertaler), und die Schädelbasis hat wie bei heutigen Menschen einen Knick. Das Kinn ist weniger stark ausgeprägt als bei anderen Individuen aus Skhul. Auffällige Unterschiede zwischen diesem Individuum und einem durchschnittlichen heutigen Schädel sind der ausgeprägte Überaugenwulst und die vorspringende untere Gesichtshälfte, die sich unter den schlanken Wangenbeinen wie eine Schnauze nach vorn wölbt. An den Zähnen des Homo sapiens von Skhul sind Anzeichen für Abszesse und Zahnfleischerkrankungen zu erkennen, und am Kiefergelenk, das den Unterkiefer mit dem Schädel verbindet, findet man Spuren einer rheumatoiden Arthritis.
Oben am Schädel brachte man eine kleine Öffnung an, durch die man Bohrer und Meißel einführen konnte, und dann wurde in langwieriger Arbeit der Kalkstein aus dem Schädelinneren entfernt, damit man einen Innenabguss herstellen konnte. Dieser Abguss zeigt, dass das Gehirn dieses frühen Homo sapiens in seiner Gesamtform und in den Größenverhältnissen seiner Lappen im wesentlichem wie bei heutigen Menschen aussah. Außerdem konnte man nach Entfernen des Gesteins das Gehirnvolumen messen: Es liegt bei 1518 Kubikzentimetern und ist damit geringfügig kleiner als der Mittelwert bei heutigen Europäern. Die Extremitätenknochen sind nicht kräftig und gebogen wie bei den Neandertalern, sondern lang und schlank.
Theodore McCown und Arthur Keith weisen in ihrer Beschreibung der Fossilien auf die Unterschiede zwischen den Funden von Skhul und den Neandertalern hin. Nach ihrer Ansicht ist die Anatomie von Skhul ein Vorläufer dessen, was man bei Funden wie Cro-Magnon I beobachtet, aber McCown und Keith gelangten zu dem Schluss, Skhul und Tabun seien Teile einer einzigen, vielgestaltigen Population. Andere Autoren glaubten später, in der Anatomie von Skhul V Hinweise auf eine Kreuzung der Jetztmenschen - und Neandertalerpopulation zu erkennen. Eine solche Hybridbildung ist bei Fossilien von Homo sapiens und Homo neanderthalensis schwer nachzuweisen, und wenn sie in seltenen Fällen vorgekommen sein sollte, heißt das nicht, dass Neandertaler und Jetztmenschen zu derselben Spezies gehörten. Die Individuen aus Tabun unterscheiden sich eindeutig von denen in Skhul, die zweifellos am Anfang des Weges zu den heutigen Menschen standen.