Lucy - AL 288-1 - Australopithecus afarensis


FUNDFUNDORTALTERENTDECKERDATUM
adultes Teilskelett, »Lucy«Hadar, Äthiopien3.2 Millionen JahreDonald Johanson30. November 1974
VERÖFFENTLICHUNG
Taieb, M., D. C. Johanson und Y. Coppens, 1975.Expédition internationale de l'Afar, Ethiopie (3e campagne 1974); découverte d'Hominidés plio-pléistocènes à Hadar. Comptes Rendus de lAcadémie des Sciences Série D

Lucy war ein kleiner weiblicher Australopithecus afarensis, der vor mehr als drei Millionen Jahren an einem prähistorischen See bei Hadar im heutigen Äthiopien lebte. Da vierzig Prozent ihres Skeletts geborgen werden konnten, gehört Lucy zu den vollständigsten Exemplaren eines frühen Homininen, die jemals gefunden wurden. Die Knochen der Beine liefern einen starken Beweis für den aufrechten Gang und die Form des Beckens zeigt, dass es sich um ein weibliches Individuum handelte. Die Zähne verraten uns, dass Lucy etwa 20 Jahre alt war, als sie starb.

Donald Johanson kam 1973 zusammen mit amerikanischen und französischen Kollegen zu einer ersten Erkundung in die Region von Hadar, jene Gegend Äthiopiens, die sich einmal als wahre Schatzkammer für Fossilien erweisen sollte. Die Gegend ist heute ein trocken-heißer Landstrich im äthiopischen Afar-Dreieck, dem erdgeschichtlich jungen nördlichen »Eingang« zum ostafrikanischen Grabenbruch.

Lucys Überreste wurden 1978 der neuen Spezies Australopithecus afarensis zugeordnet, die offenbar am Anfang einer Linie von mehreren Homininen steht, die sich in der Zeit vor drei bis zwei Millionen Jahren in Afrika entwickelten. Fossilien von A. afarensis kennt man heute aus Kenia, Äthiopien und Tansania. Die Art existierte vor vier bis drei Millionen Jahren und Lucys Artgenossen waren es auch, die jene spektakulären, 3½ Millionen Jahre alte Fußspuren in Laetoli in Tansania hinterließen.

Bereits bei der ersten Suchaktion 1973 fand Johanson ein paar sehr interessante Primaten-Knochen: den oberen Teil eines Schienbeinknochens und den unteren Teil eines Oberschenkelknochens. Beide passten perfekt zusammen und bildeten ein Kniegelenk, das heute die Bezeichnung AL 129-1 trägt. Die Analyse des Fundes gab eine aufregende Tatsache preis: Die Knochen müssen von einem aufrecht gehenden Primaten stammen, der vor mehr als drei Millionen Jahren lebte. Niemand in der Expertenrunde hatte jedoch mit einem »90 Zentimeter großen Affen gerechnet, der auf seinen Hinterbeinen herum rennt«, wie sich der US-Anthropologe Owen Lovejoy ausdrückte.

Lucys Skelett wurde 1974 entdeckt, nachdem Johanson und seine Kollegen nach Hadar ins äthiopische Afar-Dreieck zurückkehrten. Am 30. November 1974 passierte es dann: Johanson begleitete den amerikanischen Studenten Tom Gray zu einer Fundstelle. Auf dem Rückweg bemerkte er das Stück eines Armknochens, aber Gray war der Meinung, dass es von einem Affen stammt. Johanson scheint sich aber sicher gewesen zu sein. Ringsum lagen Wirbel, Rippen, Stücke von einer Hand.

Nach der Ausgrabung stand fest: Lucys Überreste bestehen aus etwa 47 der 207 Knochen, darunter Teile von Armen und Beinen, Wirbelsäule, Rippen und Becken. Vom Schädel blieben nur fünf Stücke des Schädeldachs erhalten, auch von den Hand- und Fußknochen fehlt der größte Teil. Dass die Fossilien von einem einzigen Individuum stammen, beweist die Tatsache, dass kein einziger Knochen doppelt vorhanden ist [1].

Am Unterkiefer kann man sehen, dass der dritte Molar, der Weisheitszahn, durchgebrochen ist und an den geschlossenen Epiphysen erkennt man, dass Lucy trotz ihrer geringen Körpergröße (etwa 1 Meter) ein erwachsenes Individuum war. Wenn man Lucy mit Überresten anderer Individuen ihrer Art vergleicht, wird schnell ersichtlich, dass bei unseren Vorfahren ein großer Sexualdimorphismus vorherrschte, wobei die geringe Größe für die Weibchen charakteristisch ist.

Seit den Tagen von Lucys Entdeckung hat man vollständigere und ältere Überreste von Vormenschen gefunden. Ihr Skelett mit der offiziellen Bezeichnung »AL 288-1« (Afar Locality 288-1) ist aber nach wie vor ein Bezugspunkt, mit dem man andere Funde vergleicht. So birgt die Aussage »älter als Lucy« oder »vollständiger als Lucy« bereits eine Menge an Information in sich, mit der auch paläoanthropologische Laien etwas anfangen können. Lucy ist weltweit zum Inbegriff unserer frühesten Vorfahren geworden. Wie ein Magnet zieht sie selbst Menschen an, die nichts von der menschlichen Evolution wissen und jeder hat irgendwie schon einmal von Lucy gehört [1].

Am Abend nach der Entdeckung von Lucy soll ein Kassettenrecorder immer und immer wieder den Beatles-Song Lucy in the Sky with Diamonds in voller Lautstärke in die Nacht geplärrt haben. Irgendwann hatte das »Ding« den Namen »Lucy« weg.

Literatur

[1] Johanson, D., und B. Edgar. 2000. Lucy und ihre Kinder. Spektrum akad. Verlag ISBN: 3-8274-1049-5



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