Neue Meereskrokodile aus der frühen Kreidezeit


Alte Sammlungen sind immer für Überraschungen gut! Wissenschafter entlocken fossilen Zähnen von kreidezeitlichen Urkrokodilen neue Erkenntnisse. Schon im Jahr 1912 gelangten mit verschiedenen Meeresfossilien auch zwei rund 2 cm große Zahnkronen aus den Steinbrüchen der tschechischen Stadt Štramberk ans Naturhistorische Museum Wien, wo sie vorerst ohne nähere Bestimmung in die Sammlung aufgenommen wurden.


Mehr als hundert Jahre später erkannte Sven Sachs vom Naturkunde-Museum Bielefeld während einer Studienreise ans NHM Wien die wahre Natur der 138 Millionen Jahre alten Fossilien. Die Zähne stammen von Vertretern der ausgestorbenen Meereskrokodile der Familie Metriorhynchidae. Ihren Namen verdanken diese Meeresreptilien ihrer nur moderat verlängerten Schnauze. Gemeinsam mit den Dinosauriern, Flugsauriern, Krokodilen und Vögeln gehören sie zur Gruppe der Archosaurier. Die Metriorhynchidae waren ein wichtiger Bestandteil in seichten marinen Ökosystemen des mittleren Jura bis in die frühe Kreidezeit. Sie waren von Nord- und Südamerika bis hin zum europäischen Archipel verbreitet und gehörten zu den am besten an das Leben im Wasser angepassten Archosauriern. Die Tiere waren bis zu 7 Meter lang und hatten zu Flossen umgewandelte Gliedmaßen.


Plesiosuchus und Torvoneustes aus dem NHM Wien.

Publikation:


Madzia, D., Sachs, S., Young, M.T., Lukeneder, A., Skupien, P.
Evidence of two lineages of metriorhynchid crocodylomorphs in the Lower Cretaceous of the Czech Republic
Acta Paleontologica Polonica

DOI: 10.4202/app.00801.2020



Nun untersuchte ein internationales Team um Alexander Lukeneder, Paläontologe am Naturhistorischen Museum Wien, gemeinsam mit Daniel Madzia, Sven Sachs, Mark T. Young und Petr Skupien, die historischen Funde neu. Analysen des Zahnschmelzes zeigen, dass die Zahnkronen zu zwei verschiedenen Tieren gehörten: Plesiosuchus und Torvoneustes. Beide Gattungen hatten unterschiedliche Ernährungsweisen. So jagte Plesiosuchus andere Meeresreptilen wie Pliosaurier, während Torvoneustes auf Fische und Ammoniten spezialisiert war.

Die neu beschriebenen Exemplare aus dem Naturhistorischen Museum Wien gehören zu den geologisch jüngsten Vertretern der metriorhynchiden Krokodile weltweit. Noch während der Kreidezeit, lange vor dem Aussterben der Dinosaurier, verschwanden diese Meeresreptilien.

Ein großer mariner Verwandter der Krokodile (Plesiosuchina) attackiert einen kleineren Plesiosaurier, im Hintergrund ein Torvoneustes.

Die Studie zeigt die Bedeutung von isolierten Zahnfossilien für die Rekonstruktion vergangener Lebensräume und unterstreicht das große Potenzial von historischen naturwissenschaftlichen Sammlungen für die moderne Forschung. Auch Jahrzehnte nach der Akquise vermögen neue Methoden oder der Besuch von Forschenden den Sammlungen neue Informationen zu entlocken.


Diese Newsmeldung wurde mit Material Naturhistorisches Museum Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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