Musikinstrument aus der Eiszeit


Tübinger Wissenschaftler präsentieren rund 40.000 Jahre altes Fragment einer Knochenflöte – Höhlenfundstellen der Schwäbischen Alb könnten im Juli zum Weltkulturerbe werden


Schon vor 40.000 Jahren haben Menschen Musik gemacht. Dies ist bekannt, seit in den Höhlen der Schwäbischen Alb die ältesten Musikinstrumente weltweit gefunden wurden: Fragmente von Flöten, die Höhlenbewohner während der Eiszeit aus den Knochen von Schwänen und Gänsegeiern oder aus Mammutelfenbein schnitzten. Professor Nicholas Conard vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment der Universität Tübingen, Leiter der Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie, hat heute ein weiteres Fragment erstmals der Öffentlichkeit präsentiert: Die Knochenflöte aus der Vogelherdhöhle ist 42 Millimeter lang und misst im Durchmesser 9,0 Millimeter. Die archäozoologische Bestimmung ergab, dass es sich um einen Knochen in Gänsegeiergröße handelt, der Mittelteil wurde vor rund 40.000 Jahren zum Instrument umgearbeitet. Zwei Ansätze von Grifflöchern sowie die charakteristische Überarbeitung der Oberfläche zeigen, dass hier eine Flöte vorliegt.

Bild oben: Das neu entdeckte Fragment stammt von einer Flöte aus Gänsegeierknochen und ist rund 40.000 Jahre alt.
Bild unten: So sahen die Instrumente aus: Diese nahezu komplette Flöte aus einem Gänsegeierknochen wurde bereits 2008 in der Hohle Fels-Höhle gefunden und ist im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren ausgestellt.

Die Flöte wurde im Jahr 2015 bei Sortierarbeiten der ausgeschlämmten Sedimente entdeckt. Diese Sedimente waren zuvor in tausende Plastiksäcke verpackt, sie wurden nach und nach geschlämmt und die darin befindlichen Artefakte im Anschluss nach Fundkategorien aussortiert. Die Flöte wird ‒ neben den anderen eiszeitlichen Fundstücken aus den Höhlen ‒ in der Jubiläumsausstellung „Ursprünge“ im Museum der Universität Tübingen (MUT) zu sehen sein (www.unimuseum.de).

In den Höhlen der Schwäbischen Alb wurden bereits einige gesicherte eiszeitliche Flöten aus Vogelknochen und Elfenbein gefunden. Experimentelle Nachbauten haben gezeigt, dass es sich tatsächlich um Flöten handelt, mit denen man musizieren kann.

Die Vogelherdhöhle im Lonetal bei Niederstotzingen ist eine der bedeutendsten archäologischen Fundstellen Deutschlands. Hier wurden schon 1931 die ersten figürlichen Kunstwerke ausgegraben, die heute im Museum der Universität, „Alte Kulturen“, auf Schloss Hohentübingen zu sehen sind. Neugrabungen der Universität Tübingen zwischen 2005 und 2012 lieferten zahlreiche weitere Funde, die Auswertung dauert bis heute an. Vom Vogelherd stammen mit Abstand die meisten figürlichen Kunstwerke und Flötenfragmente, darunter das berühmte Mammut. Im Jahr 2006 gefunden, ist es heute im Archäopark Vogelherd in direkter Nähe zur Fundstelle ausgestellt.

Publikation:


Antje Karbe
Musikinstrument aus der Eiszeit
Eberhard Karls Universität Tübingen

Im Juli entscheidet die UNESCO über die Aufnahme von sechs Höhlenfundstellen in den Tälern der Ach und der Lone (Schwäbische Alb) in die Welterbeliste. In vier eiszeitlichen Fundstellen in den dortigen Höhlen wurden die frühesten Belege für figürliche Kunst und Musikinstrumente weltweit gefunden. Nicht umsonst gilt diese Region als Ort des „Weltkultursprungs“ (http://welt-kultursprung.de/).

„Kulturelle Ursprünge sind ebenso wissenschaftlich faszinierend wie historisch fragil. Gerade deshalb möchte unsere Jubiläumsausstellung ‚Ursprünge. Schritte der Menschheit‘ die Anfänge wichtiger kultureller Entwicklungen in Form von historischen und gegenwärtigen Artefakten buchstäblich greifbar werden lassen“, so MUT-Direktor Professor Ernst Seidl.


Diese Newsmeldung wurde mit Material idw erstellt


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