Knie und Hüfte – Muskeluntersuchungen bei Dinosauriern und ihren Verwandten


Eine neue Studie erlaubt Einblicke in die Entwicklung der Beinmuskeln von Dinosauriern. Forschende scannten fossile Knochen von Dinosauriern und verbanden diese zu digitalen Skeletten inklusive der Muskeln. Die Ergebnisse der Simulationen und Modellierungen zeigen, dass sich die Bewegung von Vögeln und ihren Dinosaurier-Vorfahren signifikant unterscheidet und die Fortbewegung der frühen Dinosaurier eher mit Säugetieren wie dem Menschen, als mit Vögeln vergleichbar war.


Forschende des Royal Veterinary College (RVC) um John Hutchinson in Zusammenarbeit mit Brandon Kilbourne vom Museum für Naturkunde Berlin veröffentlichten heute eine neue Studie in Science Advances. Das Team scannte Fossilien von Dinosauriern ein, u.a. auch aus der Forschungssammlung des Museums, erstellte 3D-Modelle der Knochen und verband diese zu digitalen Skeletten. Dann fügten sie den Modellen die Muskeln der Hintergliedmaßen hinzu.

Durch die Untersuchung der Ansatzstellen an den fossilen Knochen sowie durch Vergleiche mit lebenden Tieren konnte festgestellt werden, wo diese Muskeln ansetzten. Die Computermodelle berechneten dann die Hebelkräfte der Muskeln um die Gelenke, und statistische Analysen zeichneten die Veränderungen dieser Funktionen im Laufe der Evolution der Dinosaurier auf.


Die Veränderung der Hüftmuskeln erleichterte den Vögeln die für sie charakteristische geduckte Beinhaltung.

Publikation:


V. R. Allen, B. M. Kilbourne and J. R. Hutchinson
The evolution of pelvic limb muscle moment arms in bird-line archosaurs
Science Advances 19 Mar 2021: Vol. 7, no. 12, eabe2778

DOI: 10.1126/sciadv.abe2778

13 Modelle mit jeweils 35 Muskeln wurden geschaffen. Die Forscher entdeckten, dass sich die Fähigkeit der Muskeln an den Hintergliedmaßen, die den Körper stützen und bewegen, vor und während des evolutiven Übergangs zu Vögeln drastisch veränderte. Die Veränderung der Hüftmuskeln erleichterte den Vögel die für sie charakteristische geduckte Beinhaltung - im Gegensatz zu einer relativ aufrechten Haltung bei frühen Dinosauriern und Säugetieren. Auch die Kniemuskeln spiegelten diese Veränderungen wider, von einem "hüftgesteuerten" frühen Fortbewegungsmodus - wie bei lebenden Krokodilen - zu einem eher "kniegesteuerten", wie bei den heutigen Vögeln. Die überraschendste Entdeckung war, dass relativ großwüchsige, fleischfressende Dinosaurier, die während der frühen Jurazeit vor etwa 200 Millionen Jahren die Hinterbeine zum zweibeinigen Laufen benutzten, eine ungewöhnlich spezialisierte Muskelfunktion entwickelten, die mit beweglicheren Beingelenken im Zusammenhang steht.

Die Forschungsergebnisse haben bisherige Kenntnisse bezüglich der Entwicklung der Fortbewegung von Dinosauriern in ein neues Licht gerückt. Bisher wurde angenommen, dass die Haltung der Beine während der Dinosaurierevolution allmählich weniger aufrecht und mehr geduckt wurde und somit von einem hüftgetriebenen zu einem kniegetriebenen Mechanismus des Gehens und Laufens überging. Die Entdeckung von Spezialisierungen bei großwüchsigen Dinosauriern deckte jedoch eine faszinierende "Neuerfindung" des Mechanismus der Beinfunktion auf, die nicht einfach in das vogelähnliche Entwicklungsmuster passen. Das Team interpretierte diese „Neuerfindung“ als eine Phase der Evolution des Bewegungsapparates, die sich in der späteren Vogelstammlinie umkehrte.

"Die Fortbewegung der frühen Dinosaurier ist in mancher Hinsicht eher mit der von Säugetieren als mit der von Vögeln vergleichbar. Mit Hilfe von Muskel-Skelett-Modellen haben wir über 230 Millionen Jahre hinweg die evolutionären Veränderungen untersucht, die dazu führten, dass das Knie eine zentrale Rolle in der terrestrischen Fortbewegung der rund 10.000 heute lebenden Vogelarten einnimmt. Indem wir die Veränderungen in der dreidimensionalen Hebelwirkung von 35 Muskeln über Hunderte von Millionen Jahren betrachteten, haben wir ein klareres Bild dieser Transformation und ihrer Komplexität als je zuvor", so Zweitautor Dr. Brandon Kilbourne vom Museum für Naturkunde Berlin.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Museum für Naturkunde - Leibniz-Instituts für Evolutions- und Biodiversitätsforschung via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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