Neue Beweise: Neandertaler begruben ihre Toten
Wurden Verstorbene von Neandertalern bestattet oder handelt es sich dabei um eine Praktik, die nur unserer Spezies eigen ist? Es gibt neue Hinweise für die Bestattungshypothese, doch einige Wissenschaftler bleiben skeptisch. Zum ersten Mal in Europa hat ein multidisziplinäres Team anhand verschiedener Kriterien demonstriert, dass ein vor 41.000 Jahren gestorbenes Neandertaler-Kind am Fundort Ferrassie (Dordogne) wahrscheinlich beigesetzt wurde.
In Eurasien wurden bislang Dutzende von eingegrabenen Neandertaler-Skeletten entdeckt, was einige Wissenschaftler zu dem Schluss führte, dass die Neandertaler wie wir ihre Toten in einem Ritual bestattet haben. Andere Experten sind jedoch immer noch skeptisch, da die meisten der am besten erhaltenen Skelette, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gefunden wurden, nicht mit modernen archäologischen Techniken ausgegraben wurden.
Publikation:
Antoine Balzeau, Alain Turq, Sahra Talamo, Camille Daujeard, Guillaume Guérin, Frido Welker, Isabelle Crevecoeur, Helen Fewlass, Jean-Jacques Hublin, Christelle Lahaye, Bruno Maureille, Matthias Meyer, Catherine Schwab, Asier Gómez-Olivencia
Pluridisciplinary evidence for burial for the La Ferrassie 8 Neandertal child
Scientific Reports, 2020; 10 (1)
DOI: 10.1038/s41598-020-77611-z
In diesem Rahmen analysierte nun ein internationales Team unter der Leitung der Paläoanthropologen Antoine Balzeau (CNRS und Muséum national d'histoire naturelle, Frankreich) und Asier Gómez-Olivencia (Universität des Baskenlandes, Spanien) ein menschliches Skelett von einem der berühmtesten Neandertaler-Fundorte in Frankreich: das Felsdach von La Ferrassie in der Dordogne. Nachdem zu Beginn des 20. Jahrhunderts sechs Neandertal'>Neandertal-Skelette entdeckt worden waren, konnte man zwischen 1970 und 1973 ein siebtes Skelett eines etwa zweijährigen Kindes ausgraben. Fast ein halbes Jahrhundert lang wurden die mit diesem Exemplar verbundenen Sammlungen in den Archiven des Musée d’archéologie nationale nicht untersucht und blieben ungenutzt.
Forscher eines multidisziplinären Teams sichteten kürzlich nocheinmal die alten Aufzeichnungen der Grabung und überprüften das Material erneut. Dabei wurden 47 neue menschliche Knochen entdeckt, die während der Ausgrabung nicht identifiziert wurden und zweifellos zum selben Skelett gehören. Die Wissenschaftler führten auch eine gründliche Analyse der Knochen durch: Erhaltungszustand, Untersuchung von erhaltenen Proteinen, genetische Untersuchungen, Datierung usw. Dann kehrten sie nach La Ferrassie zurück, in der Hoffnung, weitere Fragmente des Skeletts zu finden. Obwohl mit den Notizbüchern ihrer Vorgänger keine neuen Knochen entdeckt wurden, konnten sie die räumliche Verteilung der menschlichen Überreste und der seltenen damit verbundenen Tierknochen rekonstruieren und interpretieren.
Die Forscher zeigten, dass das Skelett in einer Sedimentschicht begraben war, die nach Westen geneigt ist (d.h. der Kopf nach Osten lag höher als das Becken), während die anderen stratigraphischen Schichten des Fundorts nach Nordosten geneigt sind. Die Knochen, die relativ wenig gestreut lagen, waren in ihrer ursprünglichen anatomischen Position geblieben. Der Zustand der Knochen, der besser ist als die eines Bisons und anderer Pflanzenfresser, die in derselben Schicht gefunden wurden, weist auf eine rasche Bestattung nach dem Tod hin. Darüber hinaus erwies sich diese Schicht als älter als das sie umgebende Sediment[1]. Schließlich konnte ein winziger Knochen, der von den Proteinen her als menschlich und von seiner mitochondrialen DNA her als der eines Neandertalers identifiziert wurde, direkt mit der Radiocarbon-Methode datiert werden. Mit rund 41.000 Jahren ist es eines der jüngsten direkt datierten Überreste eines Neandertalers.
Endnote [1]
Datiert mit der Thermolumineszenz-Methode: Sie zeigt an, wie lange es her ist, seit das Sediment das letzte Mal dem Licht ausgesetzt war, und zeigt daher wann in etwa die Bestattung erfolgte.
Diese neuen Informationen belegen, dass der Körper dieses zweijährigen Kindes vor etwa 41.000 Jahren absichtlich in eine zuvor ausgehobene Grube gelegt wurde. Allerdings sind noch weitere Entdeckungen erforderlich, um die Chronologie und geografische Ausdehnung der Bestattungspraktiken der Neandertaler besser zu verstehen, so die Forscher.
Diese Newsmeldung wurde mit Material CNRS erstellt