Klimabedingungen während der Wanderung des Homo sapiens aus Afrika rekonstruiert

Presseldung vom 14.06.2021

Eine Klimarekonstruktion der letzten 200.000 Jahre aus Ostafrika veranschaulicht die Lebensbedingungen des Homo sapiens als er aus Afrika auswanderte. Die Studie zeigt: Homo sapiens war während der Feuchtphasen überregional mobil und zog sich während der Trockenphasen in Höhenlagen zurück.


Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Professor Dr. Frank Schäbitz hat eine Klimarekonstruktion der letzten 200.000 Jahre für Äthiopien publiziert. Damit liegen jetzt hochaufgelöste Daten des Zeitraums vor, in dem sich der frühe Homo sapiens, unser Vorfahr, auf den Weg aus Afrika nach Europa und Asien machte. Schäbitz und seine Kolleginnen und Kollegen ermittelten die Daten anhand eines Bohrkernes von Seesedimenten, die sich im südäthiopischen Chew Bahir-Becken abgelagert hatten, das in der Nähe von Fossilfundstätten unserer Spezies liegt. Die maximal bis auf 10 Jahre genaue zeitliche Auflösung der Proben ergab, dass von 200.000 bis zu 125.000 Jahren vor unserer Zeit das Klima dort relativ feucht war und genug Wasser und damit reichlich pflanzliche und tierische Ernährungsquellen in den Tiefländern Ostafrikas bot. Von 125.000 bis 60.000 Jahren wurde es allmählich trockener, ganz besonders trocken zwischen 60.000 bis 14.000 Jahren vor heute. Die nun ermittelten Daten passen zeitlich gut zu bisher bekannten genetischen Befunden, nach denen unsere direkten genetischen Vorfahren („African Eve“) Afrika vor ca. 70.000-50.000 Jahren „erfolgreich“ – in einer Feuchtphase - verlassen haben.


Homo sapiens zog sich während Trockenphasen in Höhenlagen zurück.

Publikation:


Schaebitz, F., Asrat, A., Lamb, H.F. et al.
Hydroclimate changes in eastern Africa over the past 200,000 years may have influenced early human dispersal
Commun Earth Environ 2, 123 (2021)

DOI: 10.1038/s43247-021-00195-7



Aus den Seesedimenten sammeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Informationen über die Umwelt, da im günstigsten Fall Sedimente relativ kontinuierlich durch Abtragung im Einzugsgebiet in die Seen gelangen. Neben den mineralischen Komponenten gehören organisches Material und Reste von im See lebenden Organismen zu den Ablagerungen. Wenn es gelingt, Seesedimente aus geeigneten Seen zu erbohren, kann man diese „Stellvertreterdaten“ (engl. Proxies) nutzen, um Rückschlüsse auf ehemalige Umweltbedingungen zu ziehen und so das Klima der Vergangenheit rekonstruieren.

Im November bis Dezember 2014 konnten die Forscherinnen und Forscher einen ca. 300 m langen Bohrkern aus dem in der trockenen Jahreszeit ausgetrocknetem Chew Bahir Becken im südlichen Äthiopien bergen. In seiner Gänze reicht der Bohrkern bis ca. 620.000 Jahre vor heute zurück. „Damit sind wir in der Lage, zeitlich die gesamte Entwicklungsgeschichte des Homo sapiens in Afrika abzudecken. Die nun veröffentlichte Arbeit über die letzten 200.000 Jahre dieses Bohrkerns belegt dabei sehr gut die Umwelt- und Klimageschichte während der Ausbreitung unserer Vorfahren“, erklärt Professor Schäbitz.

„Einige unserer Proxies erlauben in weiten Abschnitten des Kerns eine dekadische Zeitauflösung, was es so bisher für diesen Teil Afrikas noch nicht gab. Damit erfassen wir auch sehr kurze klimatische Veränderungen, die weniger als ein Menschleben repräsentieren“, so Schäbitz. Dabei lässt sich erkennen, dass das Klima in Ostafrika im Wesentlichen durch die Veränderungen der Sonneneinstrahlungsmengen beeinflusste wurde, die entweder zu feuchten oder trockenen Klimabedingungen führten. Von 200.000-125.000 Jahren war das Klima generell relativ günstig, d.h. die Tieflagen boten genug Wasser und damit reichlich pflanzliche und tierische Ernährungsquellen für unsere Vorfahren. Unter derartigen Bedingungen konnten sich die Menschen relativ problemlos weit bewegen und sogar die Arabische Halbinsel erreichen, was älteste Fossilfunde dort belegen (vor ca. 175.000 Jahren). Von 125.000 bis 60.000 Jahren wurde es jedoch allmählich trockener, ganz besonders trocken dann zwischen 60.000 bis 14.000 Jahren vor heute, wobei der See mehrmals komplett austrocknete.

„Allerdings sind gerade in diesem Zeitraum auch ganz markante, kurzfristige Feuchteschwankungen zu beobachten, deren zeitliche Muster an Kalt-Warm-Klimaschwankungen erinnern, die man aus den grönländischen Eisbohrkernen her kennt. Die Menschen, die damals in Ostafrika lebten, waren also extremen Veränderungen ihrer Umwelten ausgesetzt.“, so Schäbitz. „Interessant ist, dass gerade in dem Zeitraum von 60.000 bis 14.000 Jahre, in dem die Tieflagen Ostafrikas immer wieder besonders trocken waren, zahlreiche archäologische Befunde in den Hochlagen der äthiopischen Gebirge die Anwesenheit unserer Vorfahren in größerer Höhe belegen.“ Zudem haben sich in dieser Zeitspanne auch die Waffen und Werkzeuge dieser Menschen weiterentwickelt (Übergang vom Mittel- zum Spätpaläolithikum in Afrika). „Wir vermuten, dass der größere „Umweltstress“ in den Tieflagen diese Entwicklung forciert hat“, erklärt der Wissenschaftler.

Interessant ist weiterhin, dass die letzte größere Feuchtphase, die im untersuchten Kern erkennbar ist, zeitlich gut zu den genetischen Befunden passt: danach sollen unsere direkten genetischen Vorfahren („African Eve“) Afrika vor ca. 70.000-50.000 Jahren „erfolgreich“ verlassen haben. Ihre Nachfahren erreichten vermutlich vor 50.000-40.000 Jahren Südosteuropa und trafen dort auf den Neandertaler.

„Wir vermuten, dass die in unserem Bohrkern gefundenen Belege für trocken-feucht Klimaschwankungen in Ostafrika einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung und die Mobilität unserer Vorfahren hatten“, so Schäbitz. „Das „Out of Africa“ war während der letzten 200.000 Jahre unter feuchteren Bedingungen mehrfach möglich und hat zur Ausbreitung unserer Vorfahren bis nach Europa beigetragen. Während der besonders trockenen Phasen der jüngeren Vergangenheit, ab etwa 60.000 Jahre, haben es Homo sapiens Gruppen immer wieder geschafft, in den Hochlagen des gebirgigen Äthiopiens zu überleben.“


Info
Kooperation

Die Publikation mit 20 internationalen Koautoren ist erwachsen aus dem Teilprojekt A3 des Sonderforschungsbereiches (SFB) 806 „Our way to Europe“, der seit 2009 in Köln in enger Kooperation mit dem Institut für Ur- und Frühgeschichte sowie den Universitäten Bonn und Aachen erfolgreich durchgeführt wird. Das Ziel dieses SFBs ist es, die Gründe für die Ausbreitungsgeschichte unserer Vorfahren (Homo sapiens) aus Afrika nach Europa zu verstehen. Das Chew Bahir Tiefbohrprojekt ist international zudem in das „Hominin Site and Paleolakes Drilling Project“ (=HSPDP)-Projekt eingebunden.



Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität zu Köln via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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