Homo erectus hatte mehr Nachbarn als gedacht
Neue Fossilienfunde zeigen eine große Vielfalt unter den Frühmenschen.
Die aufregenden neuen Fossilien vom Ostufer des Turkana Sees bestätigen offensichtlich, dass es vor fast zwei Millionen Jahren neben unserem direkten Vorfahren Homo erectus zwei weitere Menschenarten gab. Die Funde, im Fachjournal Nature am 9. August 2012 vorgestellt, bestehen aus einem Gesichtsknochen, einem bemerkenswert vollständigen Unterkiefer und dem Teil eines weiteren Unterkiefers. Sie wurden zwischen 2007 und 2009 vom Koobi Fora Research Project (KFRP) unter Leitung von Louise und Meave Leakey ausgegraben.
Publikation:
Vor vier Jahrzehnten entdeckte das KFRP das rätselhafte Fossil KNM-ER 1470 (oder einfach "1470"). Dieser Schädel, gekennzeichnet durch ein großes Gehirn und ein langes flaches Gesicht, war Gegenstand einer langjährigen Debatte, wie viele verschiedene Arten von frühen Menschen während des Pleistozäns neben Homo erectus lebten. Die ungewöhnliche Morphologie von 1470 wurde von einigen Wissenschaftlern auf Geschlechtsdimorphismus und einen natürlichen Grad von Variation innerhalb einer Art zurückgeführt, während andere den Schädel als fossilen Beweis einer separaten Spezies interpretierten.
Dieses alte Dilemma dauerte aus zwei Gründen für Jahrzehnte an. Zunächst waren Vergleiche mit anderen Fossilien nicht sehr aussagekräftig, denn bei 1470 waren weder Zähne noch der Unterkiefer vorhanden. Zweitens hat kein anderer fossiler Schädel das lange und flache Gesicht von 1470, so dass Zweifel aufkamen, wie repräsentativ diese Eigenschaften sind. Die neuen Fossilien könnten auf beide Fragen eine Antwort haben.
"In den letzten 40 Jahren haben wir lange und hart in den Sedimenten rund um den Lake Turkana nach Fossilien gesucht, die die einzigartigen Gesichtsmerkmale von 1470 bestätigten und uns zeigten, wie seine Zähne und der Unterkiefer ausgesehen haben könnten", sagt Meave Leakey, Co-Leiterin des KFRP. "Endlich haben wir ein paar Antworten."
"Zusammen geben die drei neuen Fossilien ein viel klareres Bild davon, wie 1470 aussah", sagt Fred Spoor, Leiter der wissenschaftlichen Analysen. "Als Ergebnis ist es nun klar, dass zwei Arten von frühen Menschen neben Homo erectus lebten. Die neuen Fossilien werden uns sehr helfen zu verstehen, wie unser Zweig der menschlichen Evolution fast zwei Millionen Jahren erstmals auftauchte und aufblühte."
Die drei neuen Fossilien wurden in einem Umkreis von knapp über 10 km vom der Fundstelle von 1470 ausgegraben, sie werden auf ein Alter zwischen 1,78 Millionen und 1,95 Millionen Jahre datiert. Das Gesicht mit der Bezeichnung KNM-ER 62000, wurde 2008 von dem Grabungsarbeiter Elgite Lokorimudang entdeckt. Es ist 1470 sehr ähnlich und zeigt, dass letzterer keineswegs aus der Reihe fällt, wie von manchen Jahrzehnte lang vermutet.
Darüber hinaus ist der Oberkiefer des Gesichts gut erhaltenen und fast alle Backenzähne sind noch an Ort und Stelle. Dies macht es zum ersten Mal möglich, auf das Aussehen des fehlenden Unterkiefers von 1470 zu schließen. Besonders gut zu 1470 passen auch die beiden anderen neuen Fossilien, der Unterkiefer KNM-ER 60000, von Cyprian Nyete im Jahr 2009 gefunden, sowie der Teil eines anderen Unterkiefers KNM-ER 62003, von Robert Moru im Jahr 2007 gefunden. KNM-ER 60000 zeichnet sich als der vollständigste Unterkiefer eines frühen Vertreters der Gattung Homo aus, der je entdeckt wurde.
Diese Newsmeldung wurde mit Material Nature 488,201–204 erstellt