Flusspferd trifft Mammut in der Eiszeit

Presseldung vom 28.10.2021

Noch vor rund 30 000 Jahren tummelten sich Flusspferde im Rhein. Dies wies ein interdisziplinäres Forscherteam jetzt im Rahmen des Projekts „Eiszeitfenster Oberrheingraben“ nach. Damit revidieren sie die Vorstellung von der Lebenswelt der Eiszeit: Flusspferd und Mammut sind aufeinandergetroffen.


Seit fünf Jahren untersuchen Wissenschaftler der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen, des Curt-Engelhorn-Zentrums Archäometrie sowie der Universität Potsdam Hunderte von Knochenfunden. Neu vorliegende Ergebnisse revidieren bisher gängige Vorstellungen von der Lebenswelt der letzten Eiszeit in Südwestdeutschland. Das Projekt wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Klaus Tschira Stiftung.

Der Oberrheingraben ist ein wichtiges kontinentales Klimaarchiv. Tierknochen, die die Jahrtausende in den Kies- und Sandablagerungen überdauert haben, sind eine wertvolle Quelle für die Forschung. Die Funde öffnen ein Fenster in die Vergangenheit und liefern zahlreiche neue Erkenntnisse zur Klima- und Umweltentwicklung der letzten Kaltzeit in Südwestdeutschland.


Der Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, Prof. Dr. Wilfried Rosendahl, mit Flusspferd-Fundstück und Flusspferd-Rekonstruktion.

Zu einem überraschenden Ergebnis führte jetzt die Analyse von Flusspferdfunden im Rahmen des Forschungsprojekts „Eiszeitfenster Oberrheingraben“. Dass diese Tiere, die heute nur noch in Afrika heimisch sind, einst auch in Deutschland lebten, war seit langem bekannt. Es wurde jedoch angenommen, dass die wärmeliebende Art hier bereits am Ende der letzten Warmzeit vor 116.000 Jahren ausgestorben ist. Die aktuellen Datierungen an Funden aus unterschiedlichen Kiesgruben im Oberrheingraben widerlegen diese Annahme.



Insgesamt 30 Flusspferdfunde haben er und sein Team mit der C14-Methode untersucht. Die Ergebnisse wurden von einem zweiten Labor bestätigt. Sie zeigen, dass zwischen 48.000 und 30.000 Jahre vor heute noch Flusspferde im Oberrheingebiet lebten. Damit ist bewiesen, dass Flusspferde während der letzten Kaltzeit gleichzeitig mit Mammut, Wollhaarnashorn, Höhlenlöwe und Co. in der Region heimisch waren.

„Das Flusspferd ist am Rhein also ein waschechter Eiszeit-Bewohner. Das zeigt, dass die Tiere in der Lage waren, sich gut an die entsprechenden Temperaturen und Umweltverhältnisse im kaltzeitlichen Oberrheingraben anzupassen.“ fasst rem-Generaldirektor und Projektleiter Prof. Dr. Wilfried Rosendahl zusammen. „Die Isotopenanalysen zur Ernährung ergaben, dass die tonnenschweren Flusspferde neben Gewässern dort auch ausreichend geeignete Pflanzennahrung vorgefunden haben.“

Eine weitere Untersuchung stützt die Schlussfolgerung, dass das Klima im Oberrheingraben milder war als bisher allgemein angenommen. Neben Knochen wurden auch Holzfunde mit der C14-Methode analysiert. Dabei kam heraus, dass es sich um Eichen mit einem Umfang von bis zu 80 cm handelt, die vor rund 40.000 Jahren in der Oberrheinregion wuchsen. „In der letzten Eiszeit wuchsen in unserer Region noch stattliche Eichen – etwas, was wir bisher nicht für möglich gehalten haben.“ ergänzt Rosendahl.

Die neusten Forschungsergebnisse spiegeln sich auch in der Sonderausstellung „Eiszeit-Safari“ wider. Die Schau lädt Kinder und Erwachsene auf eine spannende Reise in die Welt der letzten Eiszeit vor 40.000 bis 15.000 Jahren ein. Hier treffen die Besucher ab sofort nicht nur auf Mammut & Co., sondern auch auf ein Flusspferd. Aus aktuellem Anlass wurde speziell für die Ausstellung eine lebensechte Rekonstruktion angefertigt. Diese wirkt wie in der Bewegung erstarrt. Der Oberkörper ragt aus dem Wasser, das Maul ist weit aufgerissen. Das Flusspferd wird in direkter Nachbarschaft zur Mammutgruppe präsentiert. Die Schau ist noch bis 13. Februar 2022 in Mannheim zu sehen.


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Sonderausstellung „Eiszeit-Safari“

Die neusten Forschungsergebnisse spiegeln sich auch in der Sonderausstellung „Eiszeit-Safari“ wider.

Die Schau lädt Kinder und Erwachsene auf eine spannende Reise in die Welt der letzten Eiszeit vor 40.000 bis 15.000 Jahren ein. Hier treffen die Besucher ab sofort nicht nur auf Mammut & Co., sondern auch auf ein Flusspferd. Aus aktuellem Anlass wurde speziell für die Ausstellung eine lebensechte Rekonstruktion angefertigt. Diese wirkt wie in der Bewegung erstarrt. Der Oberkörper ragt aus dem Wasser, das Maul ist weit aufgerissen. Das Flusspferd wird in direkter Nachbarschaft zur Mammutgruppe präsentiert. Die Schau ist noch bis 13. Februar 2022 in Mannheim zu sehen.

www.eiszeit-safari.de

Klimaarchiv Oberheingraben

Der Oberrheingraben erstreckt sich auf bis zu 40 km Breite und 300 km Länge von Basel bis Frankfurt / Main. Die Senke ist reich an unterschiedlichen Sedimentschichten aus verschiedenen geologischen Zeiten. Die obersten, durchschnittlich 30 Meter mächtigen Kies- und Sandablagerungen im zentralen Grabenbereich werden in der internationalen geologischen Gliederung als „Mannheimer Formation“ bezeichnet und umfassen einen Zeitraum von etwa 400.000 Jahren.

Über den wirtschaftlichen Abbau von Sand und Kies kamen und kommen immer wieder Tierknochen aus dem Eiszeitalter zum Vorschein. Die Familie Klaus Reis aus Deidesheim trug über Jahrzehnte eine bedeutende paläontologische Privatsammlung zusammen. Die Sammlung Reis umfasst fast 20.000 Objekte und weist ein großes Artenspektrum auf – komplette Schädel von Riesenhirschen und Steppenbisons sind hier ebenso vertreten wie z.B. Skelettreste von Mammut, Wollhaarnashorn, Höhlenlöwe, Elch, Wildpferd, Wasserbüffel oder Flusspferd. Über die Curt-Engelhorn-Stiftung konnte die Sammlung 2016 an die Reiss-Engelhorn-Museen geholt werden. Hier bildet sie eine wichtige Basis für die Wissenschaft.


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Forschungsmethoden

Ausgewählte Probenserien werden im Rahmen des interdisziplinären Projekts „Eiszeitfenster Oberrheingraben“ mit modernsten Methoden untersucht. Durchgeführt werden beispielsweise radiometrische und bioarchäologische Untersuchungen wie die C14-Datierung zur Altersbestimmung, die Analyse stabiler Isotope zur Ernährungs- und Umweltrekonstruktion sowie paläogenetische Untersuchungen zur Klärung von Verwandtschaftsverhältnissen verschiedener Arten.

Einzelne Erkenntnisse wurden im Laufe der letzten Jahre bereits publiziert. So war das Projektteam 2020 an einer internationalen Genetikstudie beteiligt, die nachweisen konnte, dass der Höhlenlöwe eine eigene Löwenart (Panthera spelaea) war.



Diese Newsmeldung wurde mit Material Klaus Tschira Stiftung gGmbH via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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