A. sedibas Brustkorb und Füsse eigneten sich nicht zum Rennen

Presseldung vom 12.04.2013

Forscher der Wits University in Südafrika und der Universität Zürich, beschreiben in sechs neuen Studien die Anatomie dieses einzigartigen frühen Homininen.


Australopithecus sediba wurde 2008 nahe Johannesburg entdeckt. Die Studien in «Science» weisen nach, wie der zwei Millionen Jahre alte Vorfahre ging, kaute und sich bewegte. Die vor vier Jahren in Malapa, nahe Johannesburg, entdeckten Fossilien zeigen eine Mischung aus primitiven Merkmalen der Australopithecinen und fortgeschrittenen Merkmalen der späteren Menschenarten.


Rekonstruktion des Au. sediba. Im Vergleich dazu links ein Skelett einer kleinen weiblichen Person des Homo sapiens und eines männlichen Schimpansen (rechts). Bild: Lee Berger; University of Witwatersrand

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Die Forscher um Prof. Lee Berger, Wits University, sind deshalb der Ansicht, dass die neue Art derzeit der beste Kandidat für einen unmittelbaren Vorfahren unserer eigenen Gattung Homo ist. Nun legen die Forscher neue Studien vor, darunter auch diejenige von Peter Schmid, der bis zu seiner Pensionierung an der Universität Zürich lehrte und forschte. Beteiligt sind auch die UZH-Studierenden Nakita Frater, Sandra Mathews und Eveline Weissen.

Schmid hat die Überreste des Brustkorbs von Australopithecus sediba beschrieben. «Sie zeigen einen engen oberen Brustkorb, wie ihn auch die grossen Menschenaffen wie Orangutans, Schimpansen und Gorillas besitzen», erklärt Peter Schmid. Der Brustkorb des Menschen hingegen ist gleichförmig zylindrisch. Ergänzt mit den weitgehend kompletten Resten des Schultergürtels entsteht das morphologische Bild eines konischen Brustkorbs mit einem hochgestellten Schultergelenk, das aussieht wie ein permanentes Achselzucken. Die weniger gut erhaltenen Elemente des unteren Brustkorbs weisen dagegen auf eine enge Taille hin, ähnlich derjenigen des Menschen.

Konischer Brustkorb erschwert Armschwingen beim Gehen

Der enge obere Brustkorb der Affen ermöglicht Bewegungen des Schulterblattes, die für das Klettern und Hangeln in den Bäumen wichtig sind. Die konische Form dagegen macht es schwierig, im aufrechten Gang oder beim Rennen die Arme zu schwingen, zudem waren diese affenähnlich lang. Deshalb nimmt Schmid an, dass Australopithecus sediba nicht so gut auf beiden Füssen gehen oder rennen konnten wie Menschen. «Längere Strecken konnten sie wohl nicht rennen, zumal ihnen das energiesparende Armschwingen fehlte», erklärt Schmid.

Die Untersuchung der unteren Extremitäten zeigen Ferse, Mittelfuss, Knie, Hüfte und Rücken, die einzigartig und neuartig sind. Sediba muss mit stark einwärts gekipptem Fuss gegangen sein. Diese Einwärtsdrehung nach innen unterscheidet ihn von anderen Australopithecinen. Daraus lässt sich folgern, dass sich unsere frühen Vorfahren auf verschiedene Weise fortbewegen konnten.

Arme fürs Klettern und Hangeln

Australopithecus sediba war ein geübter Kletterer. Das zeigen die in Malapa gefundenen Reste von Oberarm, Speiche, Elle, Schulterblatt, Schlüsselbein und Brustbeinfragment. Diese sind eindeutig einem einzigen Individuum zuzuordnen, was einmalig ist im gesamten bisher bekannten Fossilnachweis der frühesten Homininen. Mit Ausnahme des bereits beschriebenen Handskeletts, ist die obere Extremität ausgesprochen ursprünglich. Australopithecus sediba verfügt wie alle anderen Vertreter der Gattung Australopithecus über einen Armbereich, der sowohl fürs Klettern wie möglicherweise auch fürs Hangeln geeignet war. Möglicherweise war diese Fähigkeit sogar ausgeprägter als dies bis anhin für diese Gattung angenommen wurde.

Unterschiede zu Australopithecus afarensis

Aufgrund der Zahnkronen nehmen die Forscher an, dass Australopithecus sediba stammesgeschichtlich nicht zu den ostafrikanischen Australopithecinen gehört, sondern näher bei Australopithecus africanus liegt und damit eine südafrikanische Schwestergruppe bildet. Dies hat eine Auswirkung auf das moderne Verständnis der Entwicklungsgeschichte der frühen Homininen aus dem ausgehenden Pliozän. Demnach wären Australopithecus sediba und vielleicht auch Australopithecus africanus nicht aus Australopithecus afarensis hervorgegangen.

Untersucht wurden auch der Unterkiefer des weiblichen Skeletts und bisher unbekannte Schneidezähne und Vorbackenzähne. Wie bereits auch am Schädel und anderen Bereichen des Skeletts festzustellen ist, weisen die Unterkieferreste Gemeinsamkeiten mit anderen Australopithecinen auf. Sie unterscheiden sich jedoch in Grösse und Form wie auch in den ontogenetischen Wachstumsveränderungen von Australopithecus africanus. Diese Ergebnisse unterstützen die Hypothese, dass sich Australopithecus sediba taxonomisch von Australopithecus africanus unterscheidet. In den betreffenden Unterschieden scheinen die Unterkieferteile am meisten denen der Vertreter des frühen Homo zu ähneln.

Die Analyse der Hals-, Brust­, Lenden- und Kreuzbeinregion der Wirbelsäule zeigen, dass Australopithecus sediba gleich viele Lendenwirbel hatte wie der moderne Mensch. Das starke Hohlkreuz lässt vermuten, dass er in diesem Bereich fortschrittlicher war als Australopithecus africanus und eher mit dem Homo erectus verglichen werden kann.

Die neuen Studien zeigen ein einmaliges Bild einer Menschenart mit einem mosaikartigen Körperbau. Einige Körperteile entsprechen denjenigen von früheren und andere denjenigen von späteren Homininen. «Die zahlreichen Gemeinsamkeiten mit Homo erectus lassen vermuten, dass Australopithecus Sediba die geeignetste Vorform der Gattung Homo darstellt» sagt Peter Schmid. Die bisherigen Kandidaten seien zu fragmentarisch, um diese Stellung einnehmen zu können.


Diese Newsmeldung wurde mit Material des Informationsdienstes der Wissenschaft (idw) erstellt


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