Castanet ist ein Abri bei Castel Merle mit prähistorischen Gravuren aus dem Aurignacien. Der Felsüberhang liegt in der Dordogne in Frankreich und wird der Altsteinzeit zugeschrieben. Castanet steht seit 1921 unter Denkmalschutz.
Im Jahr 2012 veröffentlichten amerikanische und europäische Wissenschaftler eine Arbeit über 37.000 Jahre alte Gravuren. Diese mit der Radiokohlenstoff-Methode datierten Ritzzeichnungen sind somit die ältesten Fels-Kunstwerke der alten Welt, älter noch als die in der Höhle Chauvet. Die Gravuren zeigen Darstellungen von Vulva, Phallus sowie geometrische Formen und Tiere, vor allem Pferde.
Entdeckt haben die Archäologen diese steinzeitlichen Wandgemälde im Jahr 2007 auf der Unterseite eines 1,5 Tonnen schweren Steinblocks. Stück für Stück haben sie seither den Stein abgetragen, die Schicht mit den Zeichnungen geborgen und analysiert. Die eingeritzten Bilder an der mit Ockerfarbe bemalten Fläche zeigen unter anderem eine unvollendete Tierfigur bestehend aus Kopf, Vorderbeinen und Bauch. "Das Hinterende dieser vielleicht einen Bison darstellenden Figur wurde offenbar nicht mehr fertig gemalt", schreiben Randall White vom Center for the Study of Human Origins der New York University und seine Kollegen. Neben der Tierfigur findet sich eine ovale Form, die die Forscher als Darstellung des weiblichen Geschlechtsteils, der Vulva, deuten. Solche Vulva-Abbildungen seien durchaus typisch für diese Zeit und Region.
Die Datierung der Zeichnungen und weiterer Funde deutet darauf hin, dass die Höhle Abri Castanet vor etwa 37.000 Jahren eine Gruppe Rentierjäger beherbergte, die zur Kultur des sogenannten Aurignacien gehörten. Diese jungsteinzeitliche Jäger-und-Sammler-Kultur war dem modernen Menschen nicht nur anatomisch sehr ähnlich. "Die frühen Aurignacien-Menschen funktionierten mehr oder weniger wie die Menschen heute", sagt White. "Sie hatten relativ komplexe soziale Strukturen und kommunizierten über selbstgemachte Zeichnungen."
Dass die Malereien rund 37.000 Jahren alt sind, konnten die Wissenschaftler an zweierlei Befunden festmachen. Zunächst wiesen sie mithilfe der Radiokohlenstoffdatierung nach, dass die Oberfläche der Höhlendecke und der ehemalige Höhlenboden diesem Alter entsprechen. Zudem hatten die Archäologen die bemalte Unterseite des Steinblocks direkt auf dem Höhlenboden gefunden - ohne Zwischenschichten, die sich im Laufe der Zeit hätten ablagern können. Das deute darauf hin, dass die Höhle bereits kurze Zeit nach dem Bemalen eingestürzt sein müsse, sagen die Forscher. Die Rentierjäger seien vor 37.000 Jahren daher vermutlich die letzten Besucher der Höhle gewesen.
Die zuvor ältesten bekannten Höhlenmalereien der Grotte Chauvet werden auf 30.000 bis 32.500 Jahre datiert. Damit sind sie rund 5.000 Jahre jünger als die Neuentdeckung in der Dordogne. Die eingestürzte Höhle Abri Castanet gilt bereits seit langem als eine der ältesten Ausgrabungsstätten Eurasiens. In den vergangenen 15 Jahren haben Archäologen dort hunderte von Schmuckstücken wie durchbohrte Tierzähne und Muscheln oder selbst geschliffene Perlen ausgegraben.
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Literatur
- R. White, R. Mensan, R. Bourrillon, C. Cretin et al. 2012. Context and dating of Aurignacian vulvar representations from Abri Castanet, France. Proc. Natl. Acad. Sci. (PNAS). DOI: 10.1073/pnas.1119663109
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