Urgeschichtliches Museum Blaubeuren

Urgeschichtliches Museum Blaubeuren
Urgeschichtliches Museum Blaubeuren.jpg
Heilig-Geist-Spital-Bau
Daten
Ort Blaubeuren, Baden-Württemberg Welt-IconKoordinaten: 48° 24′ 42,5″ N, 9° 47′ 7,5″ O
Art
Archäologische Sammlung;
seit 2012: Außenstelle des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg
Architekt unbekannt (um 1424)
Eröffnung 1965, Neukonzeption: 2014
Besucheranzahl (jährlich) 60.000 (2017 und 2018)
Betreiber
Stiftung Urgeschichtliches Museum & Galerie 40tausend Jahre Kunst Blaubeuren
Leitung
Geschäftsführende Direktorin: Stefanie Kölbl,
Wissenschaftliche Leitung: Nicholas Conard
Website
ISIL DE-MUS-022911

Das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren (URMU) am Kirchplatz 10 in Blaubeuren ist das zentrale Schwerpunktmuseum für altsteinzeitliche Kunst und Musik in Baden-Württemberg. Es ist seit 2012 Zweigmuseum des Archäologischen Landesmuseums Baden-Württemberg.

Das Museum wurde 1965 durch Gustav Riek von der Universität Tübingen gegründet. Die Stadt Blaubeuren stellte dafür einen Raum im Spital zum Heiligen Geist zur Verfügung.

Träger des Museums ist die Stiftung „Urgeschichtliches Museum & Galerie 40tausend Jahre Kunst Blaubeuren“. 2014 wurde das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren neu konzipiert und erweitert.[1]

Seit Juli 2004 Ist das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren Infostelle des UNESCO Geoparks Schwäbische Alb.

Präsentation

Im Museum wird auf 3000 Quadratmetern die zentrale Rolle der Schwäbischen Alb bei der Entwicklung des modernen Menschen in Europa aufgezeigt. Die Dauerausstellung umfasst zwei Stockwerke. Im Erdgeschoss werden die Besucher in mehreren Räumen mittels Experimentierstationen, Medienwänden und taktilem Erleben in die Lebenswelt des eiszeitlichen Menschen, beginnend beim Neandertaler, eingeführt.[2]

Die Themenräume im Obergeschoss sind dem ersten Auftreten der Kunst weltweit und dem vermuteten geistigen Hintergrund dieser Artefakte gewidmet. Fauna und Flora der Schwäbischen Alb in der Steinzeit werden ebenso vorgestellt wie die regionalen Umstände des Eiszeitalters.

Die Frauenstatuette Venus vom Hohle Fels wird hier im Original ausgestellt, ebenso die deutlich jüngere Venus vom Vogelherd.

Zu sehen sind auch drei relativ vollständige Flöten, zwei vom Geißenklösterle und eine vom Hohle Fels, die zu den ältesten Musikinstrumenten weltweit gehören. Die verschiedenen Eiszeitflöten des Achtals werden im Museum – vermittelt durch Experimentelle Archäologie und Tonaufnahmen mit Nachbauten – in ihrer Verschiedenheit hörbar gemacht. Unterschiede liegen unter anderem im Material begründet: eine Flöte ist aus Schwanenflügelknochen, die zweite aus Gänsegeierknochen, die dritte aus Mammutelfenbein.

Insgesamt liegen (bis 2016) Fundstücke und Relikte von bis zu 24 Flöten aus dieser Zeit vor. Die Melodiebildung auf den Knochenflöten erfolgt über eine nicht absolut festgelegte Zahl von Löchern. Die Flöten wurden vermutlich über den scharfen Schaftrand oder über eine Kerbe angeblasen und erklangen pentatonisch[3].

Aus der Brillenhöhle, vom Sirgenstein und weiteren steinzeitlichen Fundstellen der Blaubeurer Region (Gansersfels, Große Grotte beim Rusenschloss, Helga-Abri, Kogelstein, Schmiechenfels) werden im Museum einzigartige Mammutelfenbeinschnitzereien und Arbeiten aus Stein gezeigt. Dazu gehört die älteste Darstellung eines Phallus’, der ebenfalls im Hohle Fels gefunden wurde.

Sonderausstellungen und Museumspädagogik

Jedes Jahr präsentiert das Museum eine Sonderausstellung zu einem übergeordneten Jahresthema, das verschiedene Aspekte der Eiszeit beleuchtet. Das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren bietet ein vielfältiges museumspädagogisches Programm für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an.

Forschungsgeschichte

Joachim Hahns unermüdliche archäologische Arbeit im Blautal über 22 Jahre hinweg, aber auch seine Vorgänger und Nachfolger, legten eine entscheidende Basis für das heutige Urgeschichtliche Museum Blaubeuren

Das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren sichert letztlich den Ertrag von über 150 Jahren archäologischer Grabungs- und Forschungsgeschichte in der Region. Im Blau- und Achtal beginnt die archäologische Erschließung des Paläolithikums im 19. Jahrhundert mit Oscar Fraas (1824–1897) und seinen Grabungen 1871 im Hohle Fels. Fortgeführt wurde das Bemühen um saubere und aussagekräftige archäologische Methodik durch Robert Rudolf Schmidt (1882–1950), der 1906 mit systematischen Ausgrabungen am Sirgenstein neue Maßstäbe für sein Fach legte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Gustav Riek (1900–1976) von 1955 bis 1964 zahlreiche Ausgrabungen in der Nähe von Blaubeuren durch. Zu nennen sind seine Arbeiten in der Brillenhöhle von 1955 bis 1963, dann 1958 bis 1961 im Hohle Fels samt Helga-Abri. 1959 rückte die Große Grotte unterm Rusenschloss in sein Blickfeld. Das Geißenklösterle als archäologische Fundstelle wurde erst 1957 von Reiner Blumentritt entdeckt, damals ein Schüler.

Joachim Hahn (1942–1997) knüpfte daran an und führte von 1974 bis kurz vor seinem Tod 1997 umfangreiche Grabungen vor allem im Geißenklösterle und im Hohle Fels durch. Hahn veröffentlichte über 100 Schriften, die sich häufig auf seine Arbeit im Achtal beziehen und die die internationale Bedeutung der Albhöhlen für das Jungpaläolithikum in europäischer Dimension herausstreichen. Nach Hahns Tod übernahm Nicholas J. Conard (* 1961) mit seinen internationalen Teams die wissenschaftliche Grabungsarbeit im Achtal. Ihm gelangen bedeutende Entdeckungen und Funde, die weltweites Aufsehen erregten. Claus-Joachim Kind (* 1953) nahm 1987 und 1996 noch einmal neue Grabungen am Kogelstein vor und 2008 bis 2013 im Hohlenstein im Lonetal, die letztlich zur Neubewertung des Löwenmenschen führten, der seinen Platz im Museum Ulm fand.

Alle diese Schritte, samt mühsamen Zwischenschritten, trugen zu einem Gesamtbild über die Eiszeit und Steinzeit bei, das heute im Urgeschichtlichen Museum umfassend präsentiert wird.[4]

Siehe auch

Weblinks

Commons: Urgeschichtliches Museum Blaubeuren – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. S. Kölbl, B. Spreer, J. Wiedmann, G. Hiller: Die Neukonzeption des Urgeschichtlichen Museums Blaubeuren. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Urgeschichte. 24 (2015), S. 225–237.
  2. Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung, hrsg. von Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf, Kerns Verlag Tübingen, 2015, S. 257, ISBN 978-3-935751-24-7
  3. Susanne C. Münzel und Nicholas J. Conard, Klänge aus fernen Zeiten. Die Flöten des Aurignacien von der Schwäbischen Alb, in: Die Rückkehr des Löwenmenschen. Geschichte – Mythos – Magie. Begleitbuch zur Ausstellung, Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2013, S. 98–103, ISBN 978-3-7995-0542-0
  4. Die Forschungsgeschichte folgt den Ausführungen in: Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung, hrsg. von Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf, Kerns Verlag Tübingen, 2015, S. 32–37, ISBN 978-3-935751-24-7

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