Archäopark Vogelherd

Archäopark Vogelherd
Archäopark Vogelherd (kurz nach der Eröffnung August 2013) mit vielen museumspädagogischen Stationen

Archäopark Vogelherd (kurz nach der Eröffnung August 2013) mit vielen museumspädagogischen Stationen

Ort Niederstotzingen, Deutschland
Eröffnung 1. Mai 2013
Besucher 30.000 (2012[1])
Fläche 3,5 Hektar[1]
Baukosten 4.055.312 Euro[2]
Website www.archaeopark-vogelherd.de
Archäopark Vogelherd (Deutschland)
Archäopark Vogelherd
Lage des Parks

Koordinaten: 48° 33′ 29″ N, 10° 11′ 47″ O

Der Archäopark Vogelherd ist ein archäologischer Themenpark an der Vogelherdhöhle im Lonetal auf der Schwäbischen Alb bei Stetten ob Lontal, einem Stadtteil von Niederstotzingen im Landkreis Heidenheim, Baden-Württemberg. Die Vogelherdhöhle gehört zum UNESCO-Welterbe Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb.

Der erste Spatenstich für das vom Münchner Architekturbüro Ritter Jockisch und dem Landschaftsarchitekturbüro Keller Damm Kollegen gestaltete Areal erfolgte am 12. Januar 2012, eröffnet wurde der Archäopark am 1. Mai 2013.

Neben einem Freigelände mit Aktionsplätzen und dem Zugang zur Vogelherdhöhle umfasst er ein Besucher- und Informationszentrum, in dessen Schatzkammer zwei originale Vogelherd-Figuren dauerhaft präsentiert sind. Darunter das berühmte Mammut vom Vogelherd, welches vor 40.000 Jahren aus Mammutelfenbein geschnitzt wurde und als das älteste vollständig erhaltene figürliche Kunstwerk der Menschheit gilt.

Exponate

Bei archäologischen Nachgrabungen am Vogelherd in den Jahren 2005 bis 2012 wurden zahlreiche weitere steinzeitliche Artefakte entdeckt.[3] Ein Höhepunkt der musealen Präsentation im Archäopark ist neben dem Höhlenlöwen die nur 3,8 Zentimeter große Mammutfigur, die 2006 gefunden und vor etwa 40.000 Jahren gefertigt wurde.

Die Schaffung des Archäoparks war auch einer der Schritte, mittelfristig zu erreichen, dass die Vogelherdhöhle auf die UNESCO-Welterbeliste gesetzt wird. Höhlen und Eiszeitkunst der Schwäbischen Alb ist dabei der Titel der Kulturstätte, die von Deutschland auf Vorschlag des Bundeslandes Baden-Württemberg 2015 auf die Tentativliste gesetzt wurde.[4] Es geht neben der Vogelherdhöhle um fünf weitere Höhlen der Schwäbischen Alb (im Lone- und Achtal), die wichtige Fundstätten menschlichen Kunstschaffens sind.

2016 wurde die Stätte beim Welterbekomitee der UNESCO für einen Eintrag auf die Welterbeliste nominiert[5] und 2017 schließlich aufgenommen.[6] Eine der Begründungen lautet, dass die Bewohner der Albhöhlen die ältesten mobilen Kunstwerke der Welt hinterließen, deren Bedeutung für das Verständnis der Menschheitsgeschichte und die Entwicklung der Künste weltweit einzigartig ist.

Besucher- und Informationszentrum

Das Besucher- und Informationszentrum wurde 2014 im Auftrag der Stadt Niederstotzingen nach einem Wettbewerb von dem Architekturbüro Ritter Jockisch Architektur / Innenarchitektur aus München ausgeführt, die Innenräume wurden in Zusammenarbeit mit Lutzenberger & Lutzenberger in Bad Wörishofen gestaltet.[7]

Das Gebäude liegt 200 Meter von der archäologischen Fundstelle entfernt und wurde in die Talsenke nahe der Ortschaft Niederstotzingen-Stetten in einen Grashügel eingebettet, der auf Entfernung nicht als Gebäude identifiziert wird. Die Räume können über einen schmalen Eingang betreten werden, der als dunkler, von Betonwänden gesäumter Gang ausgebildet ist und den Höhleneingang symbolisieren soll. Eine weitere Öffnung des Gebäudes befindet sich im Bereich der verglasten Cafeteria mit einer Freianlage.[7] Die Rückseite des bogenförmigen Gebäudes besteht aus hellem Beton, die Vorderseite ist vollständig verglast und gibt den Blick auf den Vogelherdhügel frei. Das Design des Innenraumes ist zurückhaltend, von der Decke hängen Plexiglastafeln mit Informationen, hinzu kommen Filmanimationen. Ebenfalls in Beton gehalten sind Sitzstufen mit Fellauflagen im Auditorium, in dem Hörgeschichten zu steinzeitlichen Themen abgespielt werden.[7] Im Ausstellungsbereich finden jährlich wechselnde Sonderausstellungen statt. Die Sonderausstellung 2021 trug beispielsweise den Titel "Der Vogelherd. Neanderthaler im Lonetal" und beschäftigte sich mit der Lebenswelt dieses Menschentyps. Sie war vom 18. Juli bis zum 7. November 2021 zu sehen.

In einem separaten Bereich, der „Schatzkammer“, werden mit einer Mammut- und einer Löwenfigur zwei Originalfundstücke aus der Höhle gezeigt.[7]

Das Freigelände

Ziel der neu angelegten Wege im Archäopark ist der Höhleneingang der Vogelherdhöhle

Das Freigelände führt vom Informationszentrum zur Vogelherdhöhle einen Hang hinauf, bei dem der Besucher entlang von Mottowegen mit Themenplätzen zur Waffenherstellung, dem Speerwerfen, zur Kunst- und Musikausübung und dem Feuermachen bis zum großen Feuerplatz und zum Höhleneingang geleitet wird.[7] Seit Juli 2020 bereichert den Park eine lebensgroße Tierfigur, das Wollhaarmammut „Zottel“, das seit Mai 2021 von einem Mammutbaby begleitet wird.[8]

Forschungsgeschichte im Archäopark

Die Nachgrabungen und Schlämmarbeiten am Vogelherd im Grabungsaushub von 1931 (hier ein Bild von 2008) brachten nochmals viele Artefakte zu Tage. Diese Fundgeschichte stellt der Archäopark ebenfalls ausführlich dar. Pfade wurden 2013 im ansteigenden Außengelände für eine bessere Zugänglichkeit neu trassiert, Informationstafeln vertiefen die Archäologie- und Grabungsgeschichte und führen jetzt auch an diesen bemerkenswerten Stellen vorbei.

Der Archäopark Vogelherd sichert und präsentiert vor Ort unter anderem den Ertrag von über 150 Jahren archäologischer Grabungs- und Forschungsgeschichte im Lonetal samt seinen Neben- und Nachbartälern.

Im Lonetal beginnt die archäologische Erschließung des Paläolithikums bereits im 19. Jahrhundert mit Oscar Fraas (1824–1897) und dessen umfänglichen Grabungen 1861 am Hohlenstein. Fraas war zunächst von den rund 10.000 Knochen der Höhlenbären so begeistert, dass er die menschlichen Hinterlassenschaften zu dem Zeitpunkt noch nicht wahrgenommen hat. Erst 1866 erkannte er, dass Menschen und eiszeitliche Tiere gemeinsam gelebt haben. Daraufhin untersuchte er das Lonetal neu.[9]

Fortgeführt wurden die archäologischen Arbeiten im Lonetal durch Ernst Koken (1860–1912), Robert Rudolf Schmidt (1882–1950) und Gustav Riek (1900–1976). Letzterer grub relativ rasch 1931 den Vogelherd aus, nachdem Hermann Mohn (1896–1958) kurz zuvor im Auswurf eines Dachsbaus Steinartefakte paläolithischen Ursprungs identifiziert hatte.

Systematische Ausgrabungen nahmen kurz vor und nach dem Zweiten Weltkrieg am Hohlenfels der Anatom Robert Wetzel (1898–1962) und sein Grabungsleiter Otto Völzing (1910–2001) vor.

Joachim Hahn (1942–1997) gelang es 1969, den Löwenmensch vom Lonetal aus vielen Einzelteilen erstmals zu einer Skulptur zusammen zu setzen. Claus-Joachim Kind (* 1953) nahm 2008 bis 2013 neue Grabungen im Hohlenstein auf, die letztlich zur Neubewertung und nochmaligen Neuzusammensetzung des Löwenmenschen führten, der einen prominenten Platz im Ulmer Museum hat. In der Spitzbubenhöhle des benachbarten Eselsburger Tals nahm Hansjürgen Müller-Beck (* 1927) im April 1970 erfolgreiche Sondierungsgrabungen vor und publizierte einen archäologischen Überblicksführer zum Lonetal zusammen mit Wolfgang Taute (1934–1995) und Hahn mit dem Titel: Eiszeithöhlen im Lonetal. Archäologie einer Landschaft auf der Schwäbischen Alb.[10]

Nicholas Conard (* 1961) begann 2006 den archäologischen Grabungsaushub von 1931 aus der Zeit Gustav Rieks an der Vogelherdhöhle über mehrere Jahre hinweg abzutragen und systematisch durchzuschlämmen. Dabei wurden u. a. weitere wichtige Aurignacien-Kleinplastiken aus Mammutelfenbein gefunden. Nach systematischer Geländeprospektion und Flächenbegehung begann man im Lonetal ab 2013 mit Ausgrabungen in weiteren bislang nicht erforschten Höhlen und Abris, etwa der Linden- und der Fetzershaldenhöhle sowie am Kohlhau-Abri und an der Langmahdhalde.

Alle diese Schritte trugen zu einem vielschichtigen Gesamtbild über die Eiszeit und Steinzeit bei, das heute im Archäopark Vogelherd museumpädagogisch aufbereitet und öffentlichkeitswirksam vermittelt wird.[11]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Südwestrundfunk: Archäopark Vogelherd – Große Bühne für kleines Mammut. Abgerufen am 2. Mai 2013.
  2. Heidenheimer Zeitung vom 29. November 2015: Archäopark war teurer als geplant, abgerufen am 13. Dezember 2015
  3. Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung, hrsg. von Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf, Kerns Verlag Tübingen, 2015, S. 249, ISBN 978-3-935751-24-7
  4. Caves with the oldest Ice Age art. In: whc.unesco.org. UNESCO World Heritage Centre, abgerufen am 16. April 2017 (Lua-Fehler in Modul:Multilingual, Zeile 149: attempt to index field 'data' (a nil value)).
  5. Höhlen der ältesten Eiszeitkunst für UNESCO-Welterbe nominiert. In: www.kmk.org. Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, 1. Februar 2016, abgerufen am 16. April 2017.
  6. Einzigartiges Zeugnis menschlichen Kunst- und Kulturschaffens. Abgerufen am 19. Februar 2021 (deutsch).
  7. 7,0 7,1 7,2 7,3 7,4 Karin Leydecker: Archäopark Vogelherd. In: Peter Cachola Schmal, Christina Gräwe, Yorck Förster (Hrsg.) Deutsches Architektur Jahrbuch / German Architecture Annual 2014/15. Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt am Main, und Prestel, Verlag, München, 2014; S. 116–121, ISBN 978-3-7913-5393-7.
  8. Familienzuwachs für das lebensgroße Mammut Zottel. In: Heidenheimer Zeitung. 17. Mai 2021, abgerufen am 3. Juni 2021.
  9. Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung, hrsg. von Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf, Kerns Verlag Tübingen, 2015, S. 189, ISBN 978-3-935751-24-7
  10. Eiszeithöhlen im Lonetal. Archäologie einer Landschaft auf der Schwäbischen Alb. hrsg. von Joachim Hahn, Hansjürgen Müller-Beck und Wolfgang Taute. Verlag Müller und Gräff, Stuttgart 1973 in der Reihe Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern in Baden-Württemberg. H. 3, ZDB-ID 527337-7
  11. Die Forschungsgeschichte folgt den Ausführungen in: Eiszeitarchäologie auf der Schwäbischen Alb. Die Fundstellen im Ach- und Lonetal und in ihrer Umgebung, hrsg. von Nicholas J. Conard, Michael Bolus, Ewa Dutkiewicz und Sibylle Wolf, Kerns Verlag Tübingen, 2015, S. 32–37, ISBN 978-3-935751-24-7

Weblinks

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