Skalde

Die Skalden (altnordisch skáld oder skæld „Dichter“) waren höfische Dichter im mittelalterlichen Skandinavien, vorwiegend in Norwegen und Island. Ihre Kunst nennt sich Skaldendichtung oder Skaldik, eine der nordischen Kunstgattungen neben den Sagas und eddischer Dichtung. Der Übersetzer Franz Seewald versteht unter der Bezeichnung Skalden auch alltägliche Gelegenheitsdichter.[1]

Herkunft des Wortes

Die Etymologie des Wortes ist umstritten: Eine Theorie verbindet das Wort mit der Wurzel von sagen und hat es mit schelten in Verbindung gebracht (altsächsisch skeldári „Schelter“ bzw. mittelhochdeutsch schelte „Verfasser von Spott- und Strafgedichten“ (Lit.: M. Steblin-Kamenski)), auch mit dem angelsächsischen „scop“ = Dichter (entsprechend althochdeutsch scof oder scopf) und isländisch „skop, skaup“ = Spott. Eine andere Theorie behauptet eine Verwandtschaft zum lateinischen Wort „scatere“ hervorsprudeln, überquellen und zum indogermanischen „uat“ = innerlich erregt sein, dichterische Begeisterung zeigend. (Lit.: Olsen, S. 95).

Geschichte

Ab etwa 800 kam die für uns bekannte Skaldendichtung mit Bragi Boddason in Norwegen auf. Später rekrutierten sich viele Skalden an den norwegischen Höfen aus Island. Es sind bis 1200 mehr als 300 Namen von Skalden bekannt (lit.: Kuhn). Sehr viele Skalden entstammten der Aristokratie. Die meisten Skalden waren Männer, aber es gab auch weibliche Skalden (skáldkonur), z. B. Jórunn skáldmær und Steinunn Refsdóttir. Den frühen Skalden wurden göttliche Inspirationen nachgesagt. Bragi Boddason wurde sogar für einen Gott gehalten.

Die gesprochen (nicht gesungen) vorgetragene Skaldendichtung (Lit.: Gade, Foote), vermischte ab dem 10. Jahrhundert heidnische mit christlichen Elementen. Es handelte sich ursprünglich um Gelegenheitsgedichte, eine spontane, improvisierte Dichtung (free-standing verses (Lit.: Poole)). Ein beliebtes Stilmittel der Skalden waren die Kenningar (Singular: Kenning) genannten Umschreibungen einfacher Begriffe.

Die Skaldendichtung gilt als wichtigste historische Quelle der mittelalterlichen skandinavischen Geschichte und rangiert hinsichtlich des Quellenwertes noch vor den Sagas. Bereits die Sagaverfasser waren sich dieses Quellenwertes wohl bewusst und zitierten diese als Beleg für ihre Darstellung. Snorri Sturluson begründet dies in seiner Vorrede zur Heimskringla:

„… Anderes ist aufgezeichnet nach alten Skaldendichtungen oder Sagaweisen [gemeint sind genealogische Gedichte wie Ynglingatal], mit denen sich die Leute die Zeit vertrieben. Obwohl wir nun nicht genau wissen, was Wahres daran ist, so wissen wir doch sicher, dass kundige Männer aus alter Zeit diese Überlieferung für wahr gehalten haben.“

und am Ende:

„Als König Harald Schönhaar Alleinherrscher in Norwegen geworden war, wurde Island besiedelt. Beim König waren Skalden, deren Gedichte und Epen über die späteren Könige Norwegens man noch auswendig weiß. Wir legen großen Wert auf das, was in diesen Gedichten vorgetragen wurde, die vor den Häuptlingen selbst oder ihren Söhnen vorgetragen wurden, und wir halten alles für wahr, was sich in diesen Gedichten über ihre Kriegszüge und Schlachten findet. War es nämlich auch Skaldenart, die Männer besonders zu preisen, vor denen sie standen, während sie ihr Gedicht vortrugen, so würde es doch kaum einer von ihnen gewagt haben, von diesem Herrscher Taten zu erzählen, die alle, die sie hörten, ja auch der Herrscher selbst, als offenbare Phantasie oder Lüge erkennen müssten. Das wäre ja kein Preis, sondern vielmehr Hohn gewesen.“

Also ist nicht die Tendenz zu preisen das Problem der Skaldendichtung, sondern dass das Material doch sehr gering ist.

Soweit die Sagas die Skaldendichtung verarbeitet haben, kommt noch hinzu, dass diese ihre eigene Lebenswirklichkeit und Gedanken über das Königtum im 12. und 13. Jahrhundert auf die von den Skalden beschriebenen Zustände übertrugen und so auch die Dichtwerke oft in ihrem gesellschaftlichen Kontext missverstanden und missdeuteten.

Auf dem europäischen Festland starb der Berufsstand zu Beginn des 2. Jahrtausends aus. Auf Island konnte er sich jedoch noch bis in das 13. Jahrhundert halten. Der bekannteste altisländische Skalde ist Snorri Sturluson, der mit seiner Prosa-Edda oder Snorra-Edda als Lehrbuch für Skalden diese Kunstform wiederzubeleben versuchte. Diese waren durch die Unkenntnis der alten Mythen, deren Inhalte zur Bildung der Kenningar nötig waren, nach der Christianisierung in Vergessenheit geraten. Im Vordergrund seines Bemühens stand allerdings ein antiquarisches, kein heidnisch-religiöses Interesse.

Der Begriff in der Neuzeit

Im heutigen Isländisch und Färöisch ist ein skáld bzw. skald durchaus auch ein zeitgenössischer Dichter. So ist eine isländische skáldsaga oder eine färöische skaldsøga nicht etwa eine Skalden-Sage, sondern ein Roman.

Das dreisätzige Violinkonzert op.50 von Felix Woyrsch trägt den Titel „Skaldische Rhapsodie“ (komp. um 1900).

Eine 1965 in Polen gegründete Band, die auch in der DDR populär war, nennt sich Skaldowie. In der DDR trat sie als Die Skalden auf.

Skalden ist auch der Name einer Universitätssängerschaft in Innsbruck, siehe Universitätssängerschaft Skalden zu Innsbruck.

Skalden-Bücher war der Name einer mehrbändigen Reihe des Verlags Schmidt & Spring (Leipzig) aus den 1920er bis 1940er Jahren, laut Eigendarstellung eine „Sammlung von Erzählungen und Berichten aus Vergangenheit und Gegenwart, herausgegeben von Kurt Fervers“. Wie der Gebrauch des Altnordischen für diese Heftreihe vermuten lässt, handelte es sich zu einem großen Teil um völkische Literatur.

Die Skalden ist ferner der Name einer zeitgenössischen deutschen Folkgruppe.[2]

Siehe auch

Literatur

  • Peter Foote, David M. Wilson: The Viking Achievement. The Society and Culture of early medieval Scandinavia. Sidgwick & Jackson, London 1970 ISBN 0-283-35499-2 (Mehrere Nachdrucke).
  • Kari Ellen: On the recitation of Old Norse skaldic poetry. In: Heiko Uecker (Hrsg.): Studien zum Altgermanischen. Festschrift für Heinrich Beck (= Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Ergänzungsbände 11). Walter de Gruyter, Berlin u. a. 1994, ISBN 3-11-012978-7, S. 126–151.
  • Alexander Jóhannesson: Isländisches Etymologisches Wörterbuch. Francke, Bern 1956.
  • Hans Kuhn: Das Dróttkvætt. Winter, Heidelberg 1983, ISBN 3-533-03204-3.
  • M. Olsen: Skalde. In: Arkiv för nordisk filologi. Bd. 38, 1922, ISSN 0066-7668.
  • Russell Poole: Skalde. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde. Band 28: Seddin – Skringssal. 2., völlig neu bearbeitete und stark erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-11-018207-6, S. 553–559.
  • Michail I. Steblin-Kamenskij: On the etymology of the word „Skáld“. In: Jakob Benediktsson, Jon Samsonarson u. a. (Hrsg.): Afmælisrit Jóns Helgasonar. 30. júní 1969. Heimskringla, Reykjavík 1969, S. 421–430.
  • Heiko Uecker: Skaldik. In: Heiko Uecker: Geschichte der altnordischen Literatur (= Reclams Universal-Bibliothek. Nr. 17647). Reclam, Stuttgart 2004, ISBN 3-15-017647-6, S. 233–268.
  • Felix Niedner (Übersetzer)/Daniel Huber (Hrsg.): Die Lieder der Wikinger. Nordische Skaldendichtung in deutscher Übertragung. Königsbrunn 2016, ISBN 978-3-945350-02-7.

Weblinks

Wiktionary: Skalde – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: skald – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Franz Seewald: Skaldensagas (= Insel-Taschenbuch 576). Aus dem Altisländen übertragen, eingeleitet und erläutert. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-458-32276-0, S. 24.
  2. Skalden.de (Memento vom 6. Dezember 2013 im Internet Archive)

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