Sampo

Akseli Gallen-Kallela: Die Verteidigung des Sampo

Der Sampo ist ein Gerät „mit buntem Deckel“ aus dem finnischen Epos Kalevala, das durch seine Zauberkräfte seinem Besitzer Wohlstand verschafft. In der deutschen Übersetzung von Hans Fromm wird es gelegentlich mit „Zaubermühle“ beschrieben.

Der Sampo wurde von dem Schmied Ilmarinen geschaffen, aber im eisigen Nordreich Pohjola von dessen Herrscherin, der zauberkräftigen Louhi, eifersüchtig gehütet, bis er ihr von den Helden des Kalevala entrissen wird. Beim Kampf darum zerbricht er und verbreitet Fruchtbarkeit über Land und Meer.

Etymologie und Deutung

Anton Schiefner, der Begründer der Uralistik, sieht im Sampo eine Mühle, deren Namen er mit russisch samo, finnisch same, schwedisch samme (deutsch „selbst“) in Verbindung bringt. Für eine Mühle, die von selbst mahlt, findet er Analogien in russischen Märchen.

Für Wilhelm von Tettau[1] symbolisiert diese Mühle den Ackerbau und den damit verbundenen Wohlstand. Aus dem Sampo „kommt des Samens Sprießen, / Wechselloser Wohlfahrt Anfang, / Daraus Pflügen, daraus Säen, / Daraus Wachstum jeder Weise.“[2] Aus den Splittern des Sampo wachsen Gerste und Roggen. Wenn aber der Sampo nicht nur Getreide, sondern auch Salz und „Geld“ (so Schiefners Übersetzung von finnisch: raha; besser wäre nach von Tettau: „Tauschmittel)“ mahlt, ist das ein Hinweis darauf, dass die Samen das für sie wichtige Salz nur auf dem Wege des Tauschhandels aus Deutschland oder Russland erhalten konnten: Der Sampo mahlt an einem Tag zum Essen, am nächsten zum Tauschen, am dritten für den Vorrat.[3]

Hans Fromm sieht einen möglichen Ursprung des Liedes in der Faszination durch die seit dem dritten nachchristlichen Jahrhundert auch in Skandinavien verbreitete Drehmühle. Die Vorstellung der „Glücksmühle“, die die landwirtschaftliche Produktivität entscheidend erhöht, stammt ursprünglich wohl aus dem Mittelmeerraum und wanderte vielleicht über Byzanz und Russland nach Karelien. Raub und Zerstörung des Sampo wären dann als Gleichnis für das Zerbrechen eines technischen Monopols und die Dissemination der neuen Technik oder noch allgemeiner: als Symbol des Enkulturationsprozesses anzusehen. Das „Nordland“ Pohjola wäre nicht geographisch zu deuten, sondern als eine außermenschliche Gegenwelt.[4]

Von finnischen Autoren wie Eemil Nestor Setälä[5], Uno Harva[6] und Martti Haavio[7] wird der Sampo als Stütze des Himmelsgewölbes bzw. als deren kultische Repräsentation gedeutet: die Himmelsachse, markiert durch den Polarstern, oder der Weltenbaum, um den herum sich der Sternhimmel dreht, wird kultisch (möglicherweise durch eine eiserne Säule) repräsentiert. Deren Raub oder Zerstörung ist ein Motiv in verschiedenen Mythologien sowohl sesshaft-bäuerlicher als nomadischer Kulturen, z. B. im altnordischen Freyr-Mythos oder im Bericht von der Zerstörung der Irminsul. Bei den Samen wurden Weltbäume bis in die Neuzeit hinein errichtet, über die sich das unsichtbare Himmelszelt spannt; die senkrecht in den Boden gerammte Stange ist ein wichtiges Orientierunginstrument aller Nomadenvölker.

Himmelssäule nach E. N. Setälä (1932)

Beide Kreisbewegungen – sowohl die des Sternhimmels als auch die der Getreidemühle – sind Symbole für unaufhörliche (Selbst-)Bewegung, Erneuerung und Fruchtbarkeit.[8]

Namenspate

Sampo ist Namensgeber einer finnischen Streichholzmarke, eines der größten finnischen Versicherungsunternehmen und eines Herstellers landwirtschaftlicher Technik. Des Weiteren sind ein Eisbrecher und ein Asteroid nach Sampo benannt.

Außerdem wird Sampo in Finnland als männlicher Vorname verwendet.

Film
  • 1959: Das gestohlene Glück (Originaltitel: Sampo), Sowjetunion/Finnland, Regie: Alexander Ptuschko

Literatur

  • Kalevala. Das finnische Epos des Elias Lönnroth. Übers.: Lore und Hans Fromm, Nachwort u. Kommentar: Hans Fromm. Reclam 1985. Darin: 10. Gesang: Schmiedung des Sampo, 42./43. Gesang: Raub, Verteidigung und Zerstörung des Sampo.
  • Uno Harva: Sammon ryöstö. Suomen tiedettä 3. Werner Söderström OY, Porvoo 1943.
  • Martti Haavio: Sammon arvoitus. Suomalainen Suomi, 1957.

Einzelnachweise

  1. Wilhelm von Tettau: Ueber die epischen Dichtungen der finnischen Völker, besonders die Kalewala. Erfurt: Villaret 1873, S. 144 f.
  2. Kalevala XLIII, zitiert nach von Tettau, S. 144.
  3. Kalevala X und XXXVIII.
  4. Hans Fromm, Kommentar zu Kalevala, S. 426 ff.
  5. E. N. Setälä: Sammon arvoitus. Helsinki 1932.
  6. U. Harva: Sammon ryöstö. In: Suomen tiedettä 3. WSOY, Porvoo Helsinki 1943.
  7. M. Haavio Suomalainen mytologia. WSOY, Porvoo Helsinki 1967.
  8. Gérard de Champeaux, Sébastien Sterckx: Le monde des symboles. Zodiac, 3. Auflage 1980, S. 18 ff.

Die News der letzten Tage