Reihengräberfeld Rosdorf

Beim Reihengräberfeld von Rosdorf handelt es sich um Gräber aus der karolingischen Periode, Ende des 8. / Beginn des 9. Jahrhunderts im Landkreis Göttingen. Die Ausgrabungen fanden in den Jahren 1874 und 1875 statt.

Grabung

Das Reihengräberfeld wurde in den Jahren 1874/75 von den Göttinger Professoren Hermann von Ihering und Wilhelm Krause ausgegraben. Einen ausführlichen Grabungsbericht gab Johann Heinrich Müller 1878 heraus (siehe Literatur). Durchgeführt wurden die Grabungen mit Mitteln der Allgemeinen deutschen anthropologischen Gesellschaft. Zwischen 1880 und 1904 wurden von derselben Gesellschaft die bei der ersten Grabung geborgenen Schädel einer erneuten, gründlichen Analyse unterzogen, worüber 1881, 1904 und 1907 im Korrespondenzblatt der Gesellschaft berichtet wurde.

Historische Einordnung

Zunächst wurde davon ausgegangen, dass das Rosdorfer Gräberfeld ins 7. bis 8. Jahrhundert, also die merowingische Periode gehöre. Die folgenden, genaueren Analysen der ausgegrabenen Knochenfunde sowie Grabbeigaben, darunter ein nahezu erhaltener frühmittelalterlicher Schlüssel, sowie diverse Schlüsselteile, zwangen zu einer veränderten Datierung. Speziell die unterschiedlichen Bestattungsriten des Gräberfelds verdeutlichten, dass die Bestattungen in die Periode der Sachsenkriege Karls des Großen, sprich Ende des 8. und Beginn des 9. Jahrhunderts, also exakt in die Regierungszeit Karls des Großen datiert werden muss.

Die fehlenden Gliedmaßen bei diversen Leichen deuten darauf, dass die damaligen Bewohner Rosdorfs versuchten, ihre Verstorbenen einerseits entsprechend ihrer heidnisch-sächsischen Rituale zu bestatten (Leichenverbrennung), aus Angst vor den ihnen aufgezwungenen christlichen Riten jedoch nur einen kleinen Teil der Leiche verbrannten, den weitaus größten Teil nach christlicher Vorstellung beerdigten.

Allein dieser Fund bestätigt, dass Rosdorf zwischen 780 und 815 nicht nur als Dorf existierte; das große und Generationen umfassende Gräberfeld westlich der heutigen Kirche, am Ortsausgang Richtung Wartberg und Autobahn, deutet an, dass bereits zu dieser Zeit eine erste Kirche im Ort existierte. Hinzu kommt, dass die Schädelanalysen bis 1904 auswiesen, dass neben den überwiegend sächsischen Schädeln auch solche mit typisch fränkischen Merkmalen nachgewiesen werden konnten. Beide Aspekte machen das Rosdorfer Gräberfeld zu einem sehr bedeutenden, das sich in die bis hinauf nach Elvese reichenden Reihengräberfriedhöfe der Gegend nahtlos einfügt.

Bezug der Ausgrabungen zum urkundlichen Alter Rosdorfs

Die Ergebnisse der Reihengräber-Ausgrabungen in Rosdorf

  • christlich-heidnische Mischform der Bestattung
  • sächsische und fränkische Schädelformen
  • Datierung der Grabbeigaben in die Zeit Karls des Großen

legen, in Verbindung mit den urkundlich nachgewiesenen, zeitgleichen Einsätzen des fränkischen Heeres südlich Northeims zwischen 784 und 798, nahe, die Schenkung der villa Rostorp durch Karl den Großen1, im Dezember 781, an Kloster Fulda, auf Rosdorf bei Göttingen zu beziehen.

1) Darauf deutet die um 800 getätigte umfangreiche Schenkung des fränkischen Adligen Nithart und seiner Frau Eggihilt in Medenheim, Lutterhausen Northeim, Sudheim, Geisleden oder Gittelde und Hohdorf, also im Raum Northeim2.

2) Die Tatsache, dass die bedeutende Schenkung Nitharts mit der Bischof Erkanbert von Minden, dem Bruder Abt Baugulf von Fulda, zeitlich wie örtlich korrespondiert, stellt diese beiden fränkischen Privat-Stiftungen im Raum Northeim-Göttingen, in direkten Kontext zur Schenkung des fränkischen Königs, der mit seiner „Initial-Schenkung Rosdorfs“ an Fulda, dem damals bevorzugten Kloster für die Missionierung des heidnischen Sachsens, weitere großzügige Schenkungen auslösen wollte.

3) Neben den beiden aufgeführten großen privaten Schenkungen weisen die Traditiones Fuldenses wie der Codex Diplomaticus Fuldensis diverse weitere Schenkungen auf, die ebenfalls in den Raum Northeim-Göttingen gehören.

4) Das große, relativ geschlossene Gebiet, das den späteren Urkunden zufolge von Rosdorf über Bovenden, Northeim, Medenheim bis vor die Tore Seesens, um Münchehof und Gittelde reichte, war im Besitz Fuldas wie des Erzbistums Mainz, bevor es Bischof Meinwerk um das Jahr 1000, also rund 200 Jahre nach der Eroberung Sachsens durch Karl den Großen gelang, größere Teile aus diesem ursprünglich einheitlichen Gebiet herauszulösen und ans Erzbistum Paderborn zu bringen.

5) Mainz konnte – im Gegensatz zu Fulda – über seinen Brückenkopf Nörten bzw. die Burg Hardenberg – seinen Einfluss im Gebiet weitgehend erhalten.

6) Die Tatsache, dass die Herren von Rosdorf, nebst ihren Seitenlinien, später in den oben erwähnten Orten und deren Nachbarorten entweder über Allode oder von Mainz vergebene Lehen verfügten, bestätigt, dass die in fränkischer Zeit gemachten Schenkungen in diesem Raum getätigt wurden (nicht in Hessen oder Thüringen) und über die Besitzer, Kloster Fulda oder Erzbistum Mainz an die Herren von Rosdorf, von Bovenden, von Gittelde, von Hardenberg, von Medenheim etc. gingen, während sich das Haus Rosdorf die an Paderborn gegangenen Schenkgüter – vornehmlich Hardegsen und Moringen – durch Rückkauf als Allod erwarben.

Die in Frage stehenden Urkunde von 781 lässt somit nahezu keine andere Interpretation zu, als die, dass es sich beim tradierten Ort um Rosdorf bei Göttingen handelt, dessen urkundliche Ersterwähnung somit im Dezember 781, erfolgte, nicht erst 1003, wie bisher in der Literatur angenommen.

Literatur

  • Die Reihengräber zu Rosdorf bei Göttingen. Bericht von J. H. Müller nebst einer Abhandlung von W. Krause: Über den niedersächsischen Schädeltypus. Hannover 1878.
  • Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Band 12–16. 1881.
  • Korrespondenzblatt der Deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Band 36–40. 1907.
  • Führer zu vor- und frühgeschichtlichen Denkmälern 16: Göttingen und das Göttinger Becken. 1970, S. 72
  • Zeitschrift des historischen Vereins für Niedersachsen. 1904
  • A. Götze: Die vor- und frühgeschichtlichen Altertümer Thüringens. 1909.
  • Christoph Kümmel: Ur- und frühgeschichtlicher Grabraub. Waxmann, Münster/New York/München/Berlin 2009, ISBN 978-3-8309-2205-6.
  • Vor- und frühgeschichtliche Alterthümer der Provinz Hannover. 1893, S. 54.
  • Göttinger Jahrbuch, Band 6. 1958, S. 20 ff.

Einzelnachweise

1 DD Kar. I., Nr. 140 – S. 190/91 Die Verortung Rasdorfs bei Fulda, als Zuordnung zum tradierten Rosdorf, ist trotz Angabe sowohl in der Monumenta Germaniae Historica wie in den Traditiones Fuldenses unzutreffend, da die Grafen Roggo, Hatto und ihr Bruder Nordiu, Graf Brunicho und sein Bruder Moricho, Eggihart und sein Bruder Job sowie die Äbtissin Emhild des Klosters Milz bei Hildburghausen dem Kloster Fulda bereits 780 die Mark „Ratesthorpf“ nebst Dorf Rasdorf schenkten. (UB Fulda 145) Rasdorf wurde nie Rostorp geschrieben, Rosdorf jedoch mehrfach in späteren Urkunden. Selbst die Herren von Rosdorf nannten sich zunächst de Rostorp! 

2 Reinhard Wenskus: Sächsischer Stammesadel und fränkischer Reichsadel (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Nr. 93) (1976)

In seinen Ausführungen weist Wenskus darauf hin, dass eine Reihe von fachlichen Gründen – er führt die beiden Schenkungen an Fulda an, wie die Tatsache, dass Fulda noch im 12. Jahrhundert Abgaben in den genannten Orten zu leisten hatte, gegen die Verortung von Medenheim, Lutterhausen, Northeim und Sudheim nach Osthessen bzw. Thüringen spricht, da es sich um einen großen Fiskalbezirk um Northeim, also im Rittegau, handelte, später Machtbasis der Immedinger wie Grafen von Northeim.

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