Mercurius Valdivahanus

Votivinschrift für Mercurius Valdivahanus

Mercurius Valdivahanus ist der Name eines vermutlich germanisch-keltischen Gottes, der bisher einzig durch den Fund einer Votivinschrift aus der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts aus Köln belegt ist.[1]

Auffindung und Beschreibung

Bei archäologischen Untersuchungen des Geländes des ehemaligen Kölner Polizeipräsidiums zwischen der Tel-Aviv-Straße, Blaubach und der Severinstraße am Waidmarkt wurden 2011 umfangreiche Funde von Siedlungs- und Wegebauten im Bereich des ehemaligen südlichen Suburbiums außerhalb des Südtores der Stadtmauer der CCAA gemacht. Im Verlauf des dritten Jahrhunderts wurde die Vorstadt als Siedlungsraum aufgrund der zunehmenden Germaneneinfälle aufgegeben, sodass ältere Schichten mit Schutt der Ruinen überlagert sind. Bei der Sondierung durch Probeschnitte wurde im nordöstlichen Teil des Gebiets im Verlauf der Tel-Aviv-Straße zum Blaubach ein Brandgrab aus der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts gefunden. Die Aschenkiste aus Tuffstein in einer Schuttverfüllung war abgedeckt mit einer Kalksteinplatte (65 cm × 60 cm × 10 cm), auf deren unterer Seite die Inschrift zu Tage kam. Diese Platte ist offensichtlich älter als die Kiste und zeugt von dem Brauch, das in Krisenzeiten in der Colonia die Wiederverwendung von Steinen im größeren Umfang systematisch betrieben wurde. Dieser Inschriftenstein war ursprünglich in ein anderes Monument eingelassen.[2]

Inschrift

Das nahezu quadratische Inschriftenfeld enthält in sehr klarer Form ohne Störungen in sieben Zeilen in üblicher Capitalis die Weihinschrift. Sofort auffällig ist nach Alfred Schäfer, dass die Buchstaben der ersten Zeile mit 5 cm Höhe etwas größer sind als die übrigen Buchstaben der anderen Zeilen mit 4 cm Höhe.[3]

„Mercurio / Valdivahano / Milia Rhenas / ex testamento / L(ucii) Carini Sollemnis / dec(urionis) c(oloniae) C(laudiae) A(rae) A(grippinensium) ex / (sestertium) n(ummum) quattuor mil(ibus).[4]

„Dem Mercurius Valdivahanus (hat) Milia Rhenas aufgrund des Testaments von Lucius Carinius Sollemnis, Stadtrat der claudischen Kolonie am Altar der Agrippinenser, mit viertausend Sesterzen (gestiftet).“

Inhaltlich ist der Inschrift zu entnehmen, dass Milia Rhenus als Nachlassverwalter, beziehungsweise Testamentsvollstrecker für den Stadtrat Lucius Carinius und dessen erfülltem Gelübde dem Mercurius Valdivahanus einen Votivstein errichtete für dessen Bezahlung dieser vorgesorgt hatte. Bei beiden ist aufgrund ihrer Namen davon auszugehen, dass sie aus der einheimischen nicht römischen Bevölkerung stammen, nach de Bernardo Stempel keltischer Herkunft waren und es sich bei Milia Rhenas entgegen der Ansicht von Hartmut Galsterer und Schäfer um den Namen eines Mannes handelt.[5] Der Familienname Carinius ist im Katalog der Inschriften insbesondere aus keltischem Umfeld belegt, unter anderem bei einem Dedikanten der Göttin Nehalennia.[6]

Etymologie, Deutung

Der germanische Beiname des Mercurius ist ein zweigliedriges hybrides Kompositum aus germanischen und keltoromanischen Elementen. Das erste Glied Valdi- stellt Jürgen Untermann[7] zu germanisch *walþu für Wald mit dem Verweis auf die Untersuchungen von Piergiuseppe Scardigli zur Sprache im Umkreis der Matroneninschriften[8] und diesbezüglich zu den Kölner Belegen der Vallabnaehiae.[9][10] Patrizia de Bernardo Stempel stellt das Glied zu *walðan für Macht, Befugnis,[11] den i-Stamm valdi bestimmt sie als Nomen agentis mit der Bedeutung von Leiter oder Lenker. Sie verweist des Weiteren auf die Bedeutung des Glieds als ein Element in zahlreichen Personennamen germanischer Anführer und Herrscher wie zum Beispiel bei dem Bataver Chariovald.[12] Im germanischen Namensschatz findet sich das Glied -v(w)ald (wie exemplarisch im Beleg Chariovald) früh, jedoch in den Kompositionen als Hinterglied. Robert Nedoma belegt für die südgermanischen Personennamenschatz im runischen Inschriftenkatalog den Namen Husiwald aus dem ausgehenden 5. Jahrhundert.[13] Für Vald- oder Wald- als vorstehendes, erstes Glied liefert Hermann Reichert den namentlichen Beleg des Valdar i. e. Walthari aus der ersten Hälfte, beziehungsweise Mitte des 5. Jahrhunderts.[14]

Siehe auch

Literatur

  • Patrizia de Bernardo Stempel: ‚Mercurius Valdivahanus‘ aus dem Kölner Waidmarkt und ‚Deus Requalivahanus‘ aus Blatzheim an der Neffel. In: Beiträge zur Namenforschung. N.F. 49, 1, 2014, S. 89–108.
  • Hartmut Galsterer: Mercurius Valdivahanus. Die epigraphisch-historische Perspektive. In: Kölner Jahrbuch. Band 45, 2012, S. 545–548.
  • Alfred Schäfer: Mercurius Valdivahanus. Die archäologische Perspektive. In: Kölner Jahrbuch. Band 45, 2012, S. 527–544 (Volltext mit Abbildungen).

Weblinks

Anmerkungen

  1. Patrizia de Bernado Stempel: ‚Mercurius Valdivahanus‘ aus dem Kölner Waidmarkt und ‚Deus Requalivahanus‘ aus Blatzheim an der Neffel. S. 95; Hartmut Galsterer: Mercurius Valdivahanus. Die epigraphisch-historische Perspektive. S. 545.
  2. Alfred Schäfer: Mercurius Valdivahanus. Die archäologische Perspektive. S. 527, 529.
  3. Alfred Schäfer: Mercurius Valdivahanus. Die archäologische Perspektive. S. 530.
  4. AE 2012, 00976
  5. Patrizia de Bernado Stempel: ‚Mercurius Valdivahanus‘ aus dem Kölner Waidmarkt und ‚Deus Requalivahanus‘ aus Blatzheim an der Neffel. S. 101–102.
  6. AE 1973, 365
  7. Hartmut Galsterer: Mercurius Valdivahanus. Die epigraphisch-historische Perspektive. In: Kölner Jahrbuch. Band 45, 2012, S. 546f.
  8. Piergiuseppe Scardigli: Sprache im Umkreis der Matroneninschriften. In: Heinrich Beck (Hrsg.): Germanische Rest- und Trümmersprachen. de Gruyter, Berlin/ New York 1989. Reprint 2012, ISBN 978-3-11-086471-7, S. 143–156, hier: S. 153–154. (books.google.de)
  9. Alfred Schäfer: Mercurius Valdivahanus. Die archäologische Perspektive. S. 536, Anmerkung 47.; Piergiuseppe Scardigli: Sprache im Umkreis der Matroneninschriften. S. 553.
  10. CIL 13, 8226, CIL 13, 8227, CIL 13, 8228
  11. Vladimir Orel: Handbook of Germanic Etymology. Brill, Leiden/ Boston 2003, ISBN 90-04-12875-1, S. 443; Guus Kroonen: Etymological Dictionary of Proto-Germanic. Brill, Leiden/ Boston 2013, ISBN 978-90-04-18340-7, S. 569.
  12. Tacitus, annales 2, 11, 1.
  13. Robert Nedoma: Personennamen in südgermanischen Runeninschriften. Studien zur altgermanischen Namenkunde I, 1, 1. Universitätsverlag Winter, Heidelberg 2004, ISBN 3-8253-1646-7, S. 339–340.
  14. Hermann Reichert: Lexikon der altgermanischen Namen, Band I, Teil 1: Textband. Unter Mitarbeit von Wilibald Kraml, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1987, ISBN 3-7001-0931-8, S. 641.

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