Kore Phrasikleia
Die Kore Phrasikleia ist eine archaische Koren-Statue des Künstlers Aristion von Paros und wurde zwischen 550 und 540 v. Chr. geschaffen. Sie stand auf einem Grab bei dem griechischen Ort Myrrhinous in Attika. Wegen ihres außerordentlich guten Erhaltungszustands zählt sie zu den wichtigsten archaischen Kunstwerken.
Entdeckung
Michel Fourmont, der 1729 bis 1730 Griechenland bereiste, berichtete von einem beschrifteten Marmorblock, der in der Panagia-Kirche von Merenda verbaut war. Die Inschrift[1] war vor der Verwendung in der Kirche unleserlich gemacht worden, konnte aber rekonstruiert werden.
Frontinschrift in Epigrammform:
σε̑μα Φρασικλείας κόρε κεκλέσομαι |
Ich, das Grabmal der Phrasikleia, soll ‚Kore‘ [Mädchen] gerufen werden |
Linke Seite oben:
Ἀριστίον ∶ Πάρι[ός μ’ ἐπ]ο[ίε]σ̣ε | Aristion von Paros hat mich gemacht |
1968 wurde der Block entfernt und in das Epigraphische Museum von Athen gebracht. Vier Jahre später entdeckte der Archäologe Efthymios Mastrokostas an der Gräberstraße von Myrrhinous zwei Marmorstatuen, einen Kouros und eine Kore, die offensichtlich zusammen gehörten. Man erinnerte sich sofort an den beschrifteten Sockel, der sich in der nur 200 Meter entfernten Kirche befunden hatte. An der Unterseite der Statuen befand sich ein Bleiklumpen, mit dem man sie einst an ihrem Sockel befestigt hatte. Anhand dieses Bleiklumpens, der genau in die Einsparung des beschrifteten Marmorblocks passte, konnte die Zugehörigkeit eindeutig bewiesen werden.[2] Die Statue mit der Inventarnummer 4889 befindet sich heute im Archäologischen Nationalmuseum von Athen und ist in Raum 11 ausgestellt.[3]
Beschreibung
Die frontal zu betrachtende Statue aus Parischem Marmor hat mit Basis und Plinthe eine Höhe von 2,115 Meter und steht auf einem 26 Zentimeter hohen Sockel. Ohne Basis hat die Skulptur eine Höhe von 1,79 Meter und ist damit in etwa lebensgroß. Wie die Inschrift andeutet, handelt es sich um eine junge Frau, die unverheiratet starb und deshalb ewig als Mädchen bezeichnet werden soll. Sie steht aufrecht und trägt einen körperlangen Chiton, der mit Rosetten, Sternen und Swastiken verziert ist, an der Körperfront verläuft ein breites, mit Mäandern verziertes Band von oben nach unten. Ganz unten ist das Gewand mit farbigen Blattornamenten verziert. Um die Hüften trägt sie einen verzierten Gürtel. Der vordere Teil ihrer Füße und ihre Sandalen sind sichtbar. Ihren rechten Arm lässt sie nach unten hängen und hält mit der Hand den Chiton fest. Der linke Arm ist vor der Brust angewinkelt und in der Hand hält sie eine noch geschlossene Lotosblüte. Auf dem Kopf trägt sie einen hohen Blumenkranz, der zum Teil aus Lotos besteht. Um den Hals eine Kette, in den Ohren Ohrringe und an jedem Arm einen Armreif. Die langen, aufwändig gestalteten lockigen und vielsträhnigen Haare fallen zum Teil hinter dem Rücken, zum Teil nach vorn von den Schultern bis zur Brust herunter. Auf dem Kopf sind die Haare gewellt, nicht geflochten. Man kann Reste der einstigen Bemalung erkennen. Am Chiton findet sich an mehreren Stellen rote Farbe.[4] In der Ausstellung Bunte Götter, die im Liebieghaus in Frankfurt 2008/09 stattfand, wurde die Bemalung rekonstruiert.
Literatur
- Jesper Svenbro: Phrasikleia. An anthropology of reading in ancient Greece. Cornell University Press, Ithaca 1993, ISBN 0-8014-9752-3 (Auszug bei Google Books).
- Nikolaos Kaltsas: Die Kore und der Kouros aus Myrrhinous. In: Antike Plastik. Band 28, Hirmer, München 2002, S. 7–39.
- Nikolaos Kaltsas: Sculpture in the National Archaeological Museum, Athens. The J. Paul Getty Museum, Los Angeles 2002, ISBN 0-89236-686-9, S. 48–49.
- Vinzenz Brinkmann, Ulrike Koch-Brinkmann, Heinrich Piening: The Funerary Monument to Phrasikleia. In: Vinzenz Brinkmann, Oliver Primavesi, Max Hollein (Hrsg.): Circumlitio. The Polychromy of Antique and Mediaeval Sculpture, Akten des Kolloquium Liebieghaus Frankfurt 2008. Hirmer, München 2010, S. 188–217 (Digitalisat).
- Bernhard Schmaltz: Neue Untersuchungen an der Statue der Phrasikleia I. In: Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts 131, 2016, S. 31–50 (Kritik an den Forschungen von Brinkmann / Koch-Brinkmann zur Polychromie).
Weblinks
- National Archaeological Museum Athens; The Sculpture Collection (NAMA-Nr. 4889)
- Statue einer Kore in der archäologischen Datenbank Arachne
- Kopie der Statueninschrift
- Stiftung Archäologie Rekonstruktion – Polychromie
Einzelnachweise
- ↑ Inscriptiones Graecae (IG) I³ 1261.
- ↑ Mary Clorinda Stieber: The poetics of appearance in the Attic korai. University of Texas Press, Austin 2004, ISBN 0-292-70180-2, S. 146–147 (Auszug bei Google Books).
- ↑ Hans Rupprecht Goette: Athens, Attica, and the Megarid: an archaeological guide. Routledge, London and New York 2001, ISBN 0-415-24370-X, S. 114 (Auszug bei Google Books).
- ↑ Werner Fuchs, Josef Floren: Die griechische Plastik: Die geometrische und archaische Plastik, C. H. Beck, München 1987, ISBN 3-406-31718-9, S. 164 (Auszug bei Google Books).