Hanno der Seefahrer

Die Route Hannos des Seefahrers

Hanno (* vor 480 v. Chr.; † ca. 440 v. Chr.), auch genannt Hanno der Seefahrer, war ein karthagischer Admiral, der um das Jahr 470 v. Chr. entlang der afrikanischen Westküste vermutlich bis in den Golf von Guinea segelte, um neue Handelswege zu erschließen. Sein Reisebericht (Periplus) ist in einer griechischen Übersetzung überliefert.

Zur Person und zur zeitlichen Einordnung

Der Name Hanno war im antiken Karthago recht häufig; eine Identifizierung des Seefahrers mit anderen Persönlichkeiten gleichen Namens, die in weiteren Quellen genannt sind, ist deshalb unsicher und umstritten, zumal im Reisebericht des Hanno keine Lebensdaten angegeben sind. Möglicherweise war Hanno der Seefahrer von etwa 480 bis 440 v. Chr. als Nachfolger und Sohn Hamilkars Herrscher von Karthago. Im Periplus wird Hanno als {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) bezeichnet, was wahrscheinlich auf das Amt eines Sufeten hinweist, eines hochrangigen Würdenträgers im karthagischen Staatswesen, das allerdings erst für die Zeit seit etwa 410 sicher bezeugt ist. Über seine Person liefert die antike Literatur keine weiteren Hinweise.

Unabhängig von diesem unsicheren Datierungsansatz erscheint es plausibel, dass die Westküste Afrikas (wie auch die Westküste Europas durch Himilkon) von den Karthagern um etwa 500 v. Chr. erkundet worden sein dürfte. Das zentral gelegene Karthago war daran interessiert, sich neue Handelswege im Westen zu erschließen, da im östlichen Mittelmeer die Griechen ihren Handel immer stärker ausbreiteten.

Die Karthager trieben dabei auch sogenannten stummen Handel mit Völkern, deren Sprache sie nicht verstanden (Herodot, Historien 4):

„Die Karthager berichten uns, dass sie mit einem Menschenschlag Handel treiben, der in einem Teil von Libyen (d.h. Afrika) außerhalb der Säulen des Herakles (d.h. Straße von Gibraltar) leben. Beim Erreichen dieses Landes entladen sie (die Karthagischen Händler) ihre Handelsgüter, breiten sie ordentlich auf dem Strand aus und während des Zurückkehrens zu ihren Booten machen sie (mit Feuer) ein Rauchzeichen. Beim Erblicken dieses Zeichens kommen die Einheimischen zum Strand herunter, hinterlegen dort eine bestimmte Menge an Gold als Tauschgut und gehen dann wieder auf eine bestimmte Distanz weg. Die Karthager kommen nun wieder zum Strand zurück und begutachten das Gold. Wenn sie finden, dass es einen gerechten Preis für ihre Waren darstellt, sammeln sie es ein und gehen damit weg; andernfalls, wenn es ihnen zu wenig erscheint, gehen sie zurück auf ihre Boote und warten, bis die Einheimischen wiederkommen und weiteres Gold hinlegen, bis beide damit zufrieden sind. Es herrscht vollkommene Ehrlichkeit auf beiden Seiten; die Karthager nehmen erst das Gold, wenn seine Menge dem Wert dessen entspricht, was sie zum Verkauf angeboten haben, und die Einheimischen nehmen keine angebotenen Güter, bis das Gold als Preis dafür von den Karthagern weggenommen wurde.“

Bemerkenswert sind dabei erstens die Form des Handels, der auch im Periplus des Pseudo-Skylax für Herne (eine Insel in der Bucht von Ad-Dakhla in der Westsahara, die früher Rio de Oro genannt wurde) berichtet wird und keine gemeinsame Sprache, aber vertrauliche mehrjährige Handelsbeziehungen voraussetzt. Eine solche Form des Handels wird auch aus arabischer Zeit in Westafrika noch berichtet und war in der Antike an der Seidenstraße auch im Verkehr zwischen Griechen und Römern einerseits und Chinesen andererseits üblich.

Das andere Bemerkenswerte war das Handelsgut Gold. Anders als zum Beispiel Eisen wurde dieses in Westafrika in der Sahel-Zone neben Kupfer schon sehr früh ausgebeutet. So konnte archäologisch 1968 bei der heutigen mauretanischen Kleinstadt Akjoujt (auf gleicher geographischer Breite wie die Insel Arguin, 4 Breitengrade südlich von Ad-Dakhla) in der Grotte aux Chauves-Souris ein bis auf 800 v. Chr. zurückreichender Bergbau auf Kupfer und Gold festgestellt werden. Die Verhüttung erfolgte dabei 60 km südlich. Mit der zunehmenden Austrocknung der Sahara verschoben sich auch die Handelszentren nach Süden. Im frühen Mittelalter konnten dort Zentralstaaten wie das Reich Ghana und später Mali sowie westlich im Oberlauf des Senegal Takrur entstehen, wobei Metalle wie Gold, aber auch Salz, Sklaven und Zivilisationsgüter aus Nordafrika wie Stoffe, wichtige Handelsgüter im Transsahara-Handel darstellten. Nach dem Periplus des Pseudo-Skylax wurden dabei von den Phöniziern Weintrauben der Rebberge im Norden (an den Hängen des Atlas als Ruinen von Plinius dem Älteren bestätigt), von den einheimischen Abnehmern zu Wein verarbeitet. Andere Handelsgüter waren dabei verschiedene Duft- und Baustoffe, Tierhäute und Elfenbein.

Zwar scheinen in Herne tatsächlich der Küste entlang Schlamm und Seegras ein Weiterkommen mit den Schiffen behindert zu haben, was sich jedoch auf dem hohen Meer umfahren ließ. Entsprechend befuhren wahrscheinlich rasch die Phönizier vom verteidigungstechnisch und verbindungsmäßig exzellent gelegenen Herne aus auch den etwa drei Schiffstage entfernten und bis zum Bau des heutigen Dammes auf mehr als 100 km schiffbaren Senegal-Fluss, wo sich eine Stadt befunden haben soll.

Wie der Grieche (Pytheas) im Norden wussten die Karthager wahrscheinlich bereits aus Berichten vor der See-Erkundungsreise über den Landweg sehr gut, nach welchen Handelsgütern sie bei ihren Seereisen Ausschau halten mussten, nämlich im Norden (Himilkon) vor allem Zinn und Bernstein sowie südlich der Sahara (Hanno) Gold und Elfenbein (Plinius der Ältere, Naturalis historia 5,8):

„Als die Macht Karthagos noch auf ihrem Höhepunkt stand, segelte Hanno herum von Gadir (Cádiz am Ausgang der Straße von Gibraltar) in die extreme Weite Arabiens und erstellte darüber einen Reisebericht wie dies Himilco tat, als er zur gleichen Zeit ausgesandt war, die äußeren Küsten Europas zu erforschen.“

Anders als durch bereits auf dem Landweg bekannte Informationen ist auch nicht erklärbar, wie im Bericht Hannos der Kamerunberg zu seinem griechischen Namen Theon Ochema (griechische Übersetzung des gleichen einheimischen Namens) kam, wenn er durch Hanno erstmals und danach kaum wieder besucht worden wäre. Das Rätsel löst sich rasch, wenn die schon früher als 500 v. Chr. vorhandenen transsaharischen Handelswege mit antiken Münzfunden und Felszeichnungen von Wagen untersucht werden. Danach führte der östliche dieser Wege vom Atlas-Gebirge in Marokko zu den Kupferminen im heutigen Mauretanien um Atar und der mittlere Weg von verschiedenen Orten der Mittelmeerküste in den von den Garamanten bewohnten libyschen Fezzan und von dort über das Aïr-Massiv im heutigen Niger zur Biegung des Niger-Fluss. Eine südliche Abzweigung dürfte vom Gebirge auch in die Senke des früher ausgedehnteren Tschadsees geführt haben. Auch wenn kaum Karthager und Griechen jemals auf dem Landweg den Kamerunberg gesehen haben, wird auf diesem Weg neben den Waren und Menschen (unter anderem Sklaven) auch die Geschichte eines hohen feuerspeienden Berges von Süden nach Norden gewandert sein.

Im Übrigen beschreibt auch Herodot Erkundungsvorstöße des garamantischen Stammes der Nasamonen vom Fezzan nach Süden, wo die berberischen Teilnehmer von Schwarzafrikanern gefangen und zu einer Ansiedlung an einem See geführt wurden, bevor sie wieder zurückkehren konnten. Bemerkenswerterweise heißt auch der südliche Zufluss des algerischen Flusses „Gir“ und von dessen Salzseen bei Ptolemäus „Niger“. Dies ist klar nicht der Fluss, der in den Golf von Guinea mündet, doch ist die Namensübertragung gleichwohl kaum Zufall.

Daher dürften die Karthager bereits früh in der Nähe dieses direkt südlich von Karthago gelegenen Berges das Herkunftsgebiet verschiedener im Norden angelieferter Güter vermutet haben. Da der nördliche Verzweigungspunkt der mittleren Transsahararoute im Fezzan bei den Garamanten außerhalb karthagischer Kontrolle lag, lag es sicher im karthagischen Handelsinteresse, auf dem Seeweg mit den südlichen Lieferanten im Transsahara-Handel ohne lästige Zwischenhändler und Wegräuber direkte Handelskontakte aufzunehmen (wie dies die Portugiesen und Spanier später auf dem Seeweg von Europa aus ohne arabische Zwischenhändler mit Indien versuchten).

Anzufügen ist die Bemerkung von Pomponius Mela über ein relativ kleines, furchterregend aussehendes, aber sonst friedliches in Gruppen auftretendes Tier mit dem Kopf dauernd nahe am Boden mit Namen „catoplebas“ nördlich des Theon Ochema. Pomponius Mela deutet dieses mythologisch in Zusammenhang mit der Gorgo. Es dürfte sich dabei um das im Baumgürtel südlich der Sahara heimische Warzenschwein oder das (bei Ebern mit ihren Hauern furchterregend aussehende und auch sonst die Angaben Melas erfüllende) Riesenwaldschwein handeln.

Der Fahrtenbericht

Der Reisebericht Hannos, auch Periplus Hannonis genannt (griechisch {{Modul:Vorlage:lang}} Modul:Multilingual:149: attempt to index field 'data' (a nil value) bedeutet „Umsegelung“ oder „Küstenfahrt“), berichtet über von Karthago ausgehende Koloniegründungen an der Westküste Nordafrikas und eine anschließende Erkundungsfahrt entlang dieser Küste, die wahrscheinlich bis in den Golf von Guinea führte. Hanno stand an der Spitze dieser Unternehmungen, die ins letzte Drittel des 6. Jahrhunderts v. Chr., spätestens wohl um 470 v. Chr., einzuordnen sind. Dieser Reisebericht ist ein wichtiges frühes Dokument der Entdeckungsgeschichte Afrikas.

Die Entstehungszeit der griechischen Version von Hannos Periplus ist umstritten; wahrscheinlich ist sie um etwa 400 v. Chr. entstanden. Sie geht vermutlich auf ein punisches Original zurück, das angeblich als Inschrift im Tempel des Kronos (Interpretatio Graeca für die westsemitische Gottheit Baal Hammon) zu Karthago angebracht war.

Überlieferungssituation

Detailliertere Kenntnisse über die Fahrten des Karthagers Hanno entlang der Atlantikküste Afrikas verdanken wir einer einzigen erhaltenen Handschrift des 9. Jahrhunderts in griechischer Sprache. Die Handschrift trägt die Bezeichnung Codex Palatinus Graecus 398 und wird in der Universitätsbibliothek Heidelberg aufbewahrt. Auf drei Seiten (fol. 55r-56r) steht der als Hanno Carthagiensis (Periplus Hannonis) bekannt gewordene Fahrtenbericht.

Von diesem Kodex existiert eine Abschrift aus dem 14. Jahrhundert. Teile davon verwahrt die Bibliothèque Nationale in Paris. Weitere 21 Blätter befinden sich im British Museum London, darunter Blatt 12, beidseitig beschrieben, mit dem Periplus. Wesentliche Unterschiede zum Heidelberger Text bestehen nicht.

Ob es sich bei dem überlieferten Text um eine direkte Übersetzung des punischen Originals handelt, ist umstritten. Im 2. Jahrhundert gab es offenbar vollständigere Fassungen des Berichts über Hanno (insbesondere bei der Reise ab Cerne nach Süden scheinen Zeilen mit Distanzangaben heute verloren zu sein), wie sich aus Literatur des 2. Jahrhunderts erschließen lässt.

So schreibt Arrian am Ende seiner Anabasis Alexandrou bei der Überwindung geographischer Hindernisse, wie durch Nearchos als Admiral ein Teil der Truppen Alexanders des Großen zurückkehrte

„Im übrigen fuhr Hanno der Libyer von Karthago aus, passierte die Säulen des Herakles und segelte im äußeren Meer (d. h. Atlantik) entlang der Küste Afrikas, und segelte dann 35 Tage wie beschrieben ostwärts. Aber als er am Schluss nach Süden abdrehte, traten vielfältige Schwierigkeiten auf, wie Mangel an Wasser, drückende Hitze und feurige Ströme bis ins Meer.“

Indica 43, 11-12

Die aufschlussreichste Bemerkung sind die erwähnten 35 Tage Reisezeit nach Osten im Vergleich zu den Reisezeitangaben Hannos, bei denen offensichtliche Lücken bestehen. Sie deuten auf den seitherigen Verlust ganzer Zeilen des überlieferten Berichtes.

Gar nicht den Erwartungen antiker Geographen entspricht auch die berichtete Drehung der Fahrt Hannos am Schluss nach Süden statt weiter nach Osten und dann wieder nach Norden. Bekanntlich hat sich der eher überlieferungskritische Herodot bei der Beschreibung der Umschiffung Afrikas in der Regierungszeit des Pharaos Necho II. nicht an der Umfahrung selbst gestört, sondern am angeblichen Wechsel der Lage der Sonne – wie bei der Fahrt nach Süden auf der Nordhalbkugel der Erde erwartet – von der linken (Richtung Äquator) auf die rechte Schiffsseite. Dieser Wechsel tritt, wie wir heute wissen, nur dann auf, wenn die Schiffsleute den Äquator bzw. zumindest den nördlichen Wendekreis der Sonne überquerten, was damals wegen der allgemein angenommenen immer stärkeren Hitze nach Süden unmöglich schien.

Was Herodot damals an der Zuverlässigkeit des Berichtes zweifeln ließ, ist für uns mit bekanntem Verlauf der Westküste Afrikas bis zu dessen Südspitze aber untrügliche Voraussetzung, dass die Fahrer überhaupt südlich des Äquators waren. Ebenso ist aus der von Herodot bis zu Pomponius Mela vertretenen Sicht eines Ozeans um ganz Afrika nördlich des Äquators unverständlich, wieso Hanno nach längerer Fahrt nach Osten schließlich wieder nach Süden der Küste entlang abdrehen musste. Der Bericht Hannos widerspricht hier den theoretischen Vorstellungen der maßgebenden griechischen und lateinischen Geographen, beschreibt aber gerade das, was wir bei einem Besuch Hannos im Golf von Guinea bis zum Kamerunberg als selbstverständlich erwarten – kein Beweis, aber ein deutlicher Hinweis auf die guten geographischen Kenntnisse der Karthager aus eigener Anschauung statt aus griechisch-römischer Gelehrsamkeit.

Die älteste Erwähnung des Reiseberichtes des Hanno stammt aus der Schrift De Mirabilibus Auscultationibus des Pseudo-Aristoteles der peripatetischen Schule des 3. vorchristlichen Jahrhunderts:

„37. Es wird auch gesagt, dass außerhalb der Säulen des Herakles einzelne Gebiete brennen, die einen den gesamten Tag, die anderen nur in der Nacht, wie es im Reisebericht des Hanno erzählt wird.“

Indirekt wird auf Hanno und seine Verbindung mit Cerne sogar noch früher im Werk Unglaubliche Geschichten Kap. 31 des Palaiphatos aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert Bezug genommen: „Die Leute von Kerne, Aithiopier, bewohnen die Insel Cerne außerhalb der Säulen des Herakles, und breiten sich dort aus entlang des libyschen Flusses Annon gegenüber von Karthago“. Der Name „Annon“ ist dabei sicherlich vom karthagischen Namen „Hanno“ abgeleitet.

Text des Periplus in deutscher Übersetzung

(Die hier zitierte Übersetzung ist entnommen aus der Publikation von Karl Bayer S. 346–353.)

Reiseroute von Hanno dem Seefahrer; Bezeichnungen in französischer Sprache

„Hanno, des karthagischen Sufeten Bericht von der Umsegelung der jenseits der Säulen des Herakles liegenden libyschen Teile der Erde, den er auch im Tempelbezirk des Kronos als Weihegabe aufgestellt hat; er tut darin folgendes kund:

  1. Die Karthager beschlossen, dass Hanno über die Säulen des Herakles hinausfahren und Städte der Libyphoiniker gründen solle. Und so stach er in See, an der Spitze von 60 Fünfzigruderern, und führte eine Menge von Männern und Frauen, 30.000 an der Zahl, sowie Verpflegung und sonstigen Bedarf mit sich.
  2. Als wir aber auf die hohe See gelangt waren, passierten wir die Säulen, segelten draußen zwei Tage weiter und gründeten eine erste Stadt, die wir Thymiaterion nannten; sie beherrschte eine weite Ebene.
  3. Sodann segelten wir nach Westen und trafen auf das mit Bäumen bestandene libysche Vorgebirge Soloeis.
  4. Wir errichteten dort ein Heiligtum des Poseidon, gingen wieder an Bord und nahmen Kurs nach Süden, einen halben Tag lang, bis wir an einen See gelangten, der nicht weit vom Meere lag; er war voll mit dichtem, hochgewachsenem Schilf; in ihm hielten sich auch Elefanten auf und andere dort weidende Tiere in großer Zahl.
  5. Wir verließen diesen See, fuhren eine ganze Tagereise weiter und besiedelten dann Städte am Meer, welche Karikon Teichos, Gytte, Akra, Melitta und Arambys hießen.
  6. Nachdem wir von da aufgebrochen waren, gelangten wir an den großen Fluss Lixos, der von Libyen herströmt. An ihm weidete ein Nomadenvolk, die Lixiten, seine Herden; bei ihnen blieben wir einige Zeit, da wir uns angefreundet hatten.
  7. Hinter diesen siedelten ungastliche Aithiopen, die ein wildes Land beweideten, das durch hohe Bergzüge zergliedert wird. Aus diesen Bergen fließe – so sagt man – der Lixos; rings um diese Berge aber wohnten sonderbar aussehende Menschen, die Troglodyten, von denen die Lixiten behaupteten, sie könnten schneller laufen als Pferde.
  8. Wir ließen uns von ihnen Dolmetscher geben und segelten dann an einer menschenleeren Wüste entlang nach Süden, zwei Tage lang; von da aber wieder gegen Osten hin, eine Tagefahrt weit. Dort fanden wir im Winkel einer Bucht eine kleine Insel; sie hatte einen Umfang von fünf Stadien. Auf ihr gründeten wir eine Siedlung, die wir Kerne nannten. Aus unserer Fahrtroute erschlossen wir, dass es genau gegenüber von Karthago liegen müsse; denn die Fahrtstrecke von Karthago bis zu den Säulen entsprach der von dort bis Kerne.
  9. Von da gelangten wir an einen See, nachdem wir einen großen Fluss mit Namen Chretes durchfahren hatten. In diesem See aber lagen drei Inseln, die größer waren als die von Kerne. Von ihnen aus legten wir eine Tagefahrt zurück und kamen in den Winkel des Sees, über den sehr hohe Berge hereinragten, die voll wilder Menschen waren, die sich in Tierfelle gehüllt hatten; sie warfen mit Felsbrocken, verjagten uns und ließen uns nicht an Land gehen.
  10. Wir segelten von dort weiter und kamen an einen anderen Fluss, der groß und breit war und von Krokodilen und Flusspferden nur so wimmelte. Dort drehten wir um und gelangten wieder nach Kerne zurück.
  11. Von dort segelten wir zwölf Tage nach Süden, immer unter der Küste, die in ihrer ganzen Länge Aithiopen bewohnten; diese nahmen vor uns Reißaus und blieben nicht da. Sie sprachen eine Sprache, die auch die Lixiten, die mit uns fuhren, nicht verstehen konnten.
  12. Am letzten Tage nun ankerten wir bei hohen, dicht bewaldeten Bergen. Das Holz der Bäume war wohlriechend und von verschiedenen Farben.
  13. Wir segelten um diese Berge herum, zwei Tage lang, und gelangten an eine unermesslich weite Meeresfläche. Auf der einen Seite davon war zum Land hin eine Ebene, von der wir nachts überall Feuer aufsteigen sahen, bald in größeren, bald in engeren Abständen.
  14. Wir nahmen Wasser an Bord und segelten von da fünf Tage weiter an der Küste entlang, bis wir in eine große Bucht gelangten, von der die Dolmetscher sagten, sie heiße 'Horn des Westens' (Hespérū Kéras). In dieser Bucht lag eine große Insel, und auf der Insel ein See mit Salzwasser; in ihm aber lag eine weitere Insel, bei der wir an Land gingen; wir sahen jedoch bei Tag nichts außer Wald, nachts aber zahlreiche Feuerbrände, und hörten den Klang von Flöten, das Gedröhne von Zimbeln und Trommeln sowie tausendfältiges Geschrei. Da ergriff uns Furcht, und die Seher hießen uns, die Insel zu verlassen.
  15. Rasch fuhren wir ab und kamen an einem Land vorbei, das von Feuer durchglüht und voll von Rauch war. Riesige Feuerbäche stürzten aus ihm ins Meer. Den Boden aber konnte man vor Hitze nicht betreten.
  16. Voller Furcht segelten wir auch von da schnell wieder ab. Vier Tage lang dahinfahrend, sahen wir nachts das Land von Flammen erfüllt. In der Mitte aber war ein steil aufsteigendes Feuer, größer als alle anderen, das – wie es schien – die Sterne in Brand setzte. Am Tage aber zeigte es sich als ein sehr hoher Berg, 'Götterwagen' (Theōn Óchēma) genannt.
  17. Drei Tage lang segelten wir von dort an feurigen Sturzbächen entlang und gelangten dann an eine Bucht, die 'Horn des Südwinds' (Nótū Kéras) hieß.
  18. Im Winkel lag eine Insel, die der ersten glich und ebenfalls einen See aufwies. Und in diesem See lag eine weitere Insel, voll von wilden Menschen. Es waren überwiegend Weiber, die am ganzen Körper dicht behaart waren; die Dolmetscher nannten sie goríllai. Wir verfolgten sie, konnten aber keine Männer fangen; sie entwischten alle, weil sie ausgezeichnete Kletterer waren und sich mit Felsbrocken zur Wehr setzten; Weiber aber fingen wir drei ein; sie bissen und kratzten und wollten denen, die sie führten, nicht folgen. Daher töteten wir sie, zogen ihnen die Haut ab und brachten die Bälge nach Karthago mit. Dann segelten wir von da aus nicht mehr weiter voran, da unsere Lebensmittelvorräte zur Neige gingen.“

Interpretation des Berichtes

Ob mit dem von Hanno angeführten Unternehmen eine Umsegelung Afrikas beabsichtigt war, bleibt reine Spekulation. Das gilt auch, wenn der griechische Übersetzer der punischen Quelle von Umsegelung jener „libyschen Teile der Erde“ spricht, die jenseits der Säulen des Herakles liegen, und wenn ihm unterstellt wird, er habe Kenntnis von der Expedition unter dem ägyptischen König Necho II. gehabt, der angeblich die Umseglung Afrikas gelang.

Einigkeit herrscht darüber, dass Hannos Schiffe von Karthago kommend die Säulen des Herakles passierten, also die Meerenge von Gibraltar durchfuhren und Kap Spartel (griechisch Ampelusia) umschifften, um Städte zu gründen, und zwar in Libyen, wie man die westlich des Niltals gelegenen Gebiete Nordafrikas nannte.

Im überlieferten Bericht heißt es, Hanno sei mit einer Flotte von 60 „Fünfzigruderern“ in See gestochen mit 30.000 Männern und Frauen an Bord. Das erscheint unrealistisch und wird als Fehler bei der Übertragung von phönizischen Zahlwörtern ins Griechische angesehen. Wenn man außerdem die geschätzte Kapazität der Schiffe zugrunde legt, mag es sich um gut 5000 Menschen gehandelt haben – es sei denn, die hohe Zahl schließt jene Siedler mit ein, die der ersten Vorhut nach und nach folgten.

Die Siedlung Thymiaterion wird mit der Ruine beim heutigen Mehdia, nordöstlich von Rabat an der Mündung des Oued Sebou (punisch und römisch Subur), gleichgesetzt. Östlich davon befinden sich wenige Kilometer entfernt zudem die römischen Ruinen des den Namen weiter führenden Tamusiga.

Soloeis ist bei Plinius dem Älteren Promonturium solis, bei Claudius Ptolemäus Soloentia (Ersteres mit dem Sonnengott Sol assoziiert) und im Falle des ersten Autors das heutige Cap Bedouzza. Der darauf erwähnte See dürfte ein natürlich gestauter Abschnitt des Flusses Tensift (punischer Name Fut) sein.

Schwieriger zu identifizieren sind die darauf genannten Städte. Anzunehmen ist dabei, dass aufgrund der strategischen Lage Karikon mit dem griechischen Namen Mysocaras gleichzusetzen ist (El Essaouira), wo eine phönizische Präsenz archäologisch nachgewiesen werden kann. Die anderen Städte dürften sich im Tal der Flüsse Oum Sous (lateinisch Subus) mit Agadir und Oum Massa (lateinisch Massa) befinden. Gytta ist am ehesten am Standort des heutigen Agadir zu vermuten. Eine frühere Präsenz von Landwirtschaft mit Palmenhainen und Rebbau in dieser Gegend wird durch Aussagen von Plinius dem Älteren bestätigt.

Der „große Fluss Lixos“ ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das Wadi Draa (griechisch Daras, lateinisch Daradus) im südlichen Marokko, der südlich des Atlas-Gebirges entspringt und dort ein fruchtbares Tal durchströmt; ganz sicher nicht ist damit der Fluss Lix in Nordmarokko gemeint, an dem zwar auch eine phönizische und später römische Siedlung Leks bzw. Lixus bestand, an der Hanno aber bereits vor Thymiaterion vorbeigefahren sein muss. An diesem Fluss lebte ein Hirtenvolk, mit dem sich die Ankömmlinge anfreundeten.

Die von Hanno gegründete Siedlung Kerne ist am wahrscheinlichsten die Insel Herne bei Ad-Dakhla. Dafür sprechen einerseits die Namensähnlichkeit, die Lage (etwa gleich weit von den Säulen des Herakles wie diese von Karthago); die Lage auf dem nördlichen Wendekreis, welche den Eindruck vermitteln kann im Sommer, am Äquator zu sein; die relativ nahe Lage zum westlichsten Transsahara-Handelsweg (und den Minen von Akjoujt), die Angaben zum Umfang der Insel und von deren Abstand zum Land sowie der Umstand, dass wenig alternative Inseln südlich des Oued Draa überhaupt zu finden sind (höchstens noch in der Bucht von Arguin).

Damit wäre der erklärte Zweck des Unternehmens eigentlich erfüllt gewesen. Hanno führte Teile seiner Mannschaft jedoch noch viele weitere Tage die unbekannte Küste entlang. Weit im Süden befuhren sie einen breiten Fluss mit Namen Chretes (vgl. hebräisch heret Wald; Aristoteles erwähnt zudem einen Fluss Chremetes). Sehr wahrscheinlich handelte es sich dabei um den Senegal-Fluss.

Weiter im Süden kamen sie an einen weiteren breiten Fluss mit Krokodilen und Flusspferden. Am wahrscheinlichsten ist die Identifikation mit dem Fluss Silwa oder Bum in Sierra Leone; vielleicht handelt es sich auch um den Gambia. Auch Plinius der Ältere erwähnt in seiner Naturalis historia einen in Afrika gelegenen Fluss mit Namen Bambotus, der mit Flusspferden und Krokodilen verpestet sei.

Eine weitere von Kerne ausgehende Fahrt führte die Karthager noch weiter in südliche Richtung entlang dem Land der „Aithiopen“ (damit sind schwarze Afrikaner gemeint, im Gegensatz zu weiter nördlich wohnenden „Libyern“), wo selbst für die mitgebrachten Dolmetscher vom Lixos unverständliche Sprachen gesprochen wurden. Zuerst kamen sie zu einem Hafen mit großen bewaldeten Bergen – wahrscheinlich ist dies Cap Vert, der westlichste Ausläufer Afrikas – und anschließend segelten sie „um die Berge herum in ein unermesslich weites Meer“ mit beidseitig flachen dichtbewaldeten Küsten. Möglicherweise handelt es sich bei diesen „Küsten“ einerseits um das Delta des Geba in Guinea-Bissau und andererseits um die Inseln des Archipelago dos Bijagos.

Danach kamen sie an das „Horn des Westens“ (wahrscheinlich Cape Palmas am Eingang zum Golf von Guinea). Danach dürfte Hanno nach längerer Fahrt in das Mündungsgebiet des Niger gelangt sein. Hier passen auch die geographischen Gegebenheiten zu Hannos Schilderung.

Dann sahen die Karthager in der Nacht nach mehreren Tagen Fahrt das beeindruckende Schauspiel einer weit in den Himmel reichenden Flamme an Land. Bei Tage erwies dieses sich dann als sehr hoher Berg, den sie „Götterwagen“ nannten (griechisch: θεῶν ὄχημα / theon ochema – dieser Berg wird auch von Claudius Ptolemäus in seiner Karte dargestellt – allerdings etwa um zwei Längengrade nach Westen verschoben). Das von Hanno geschilderte Naturschauspiel trifft sehr gut auf einen gerade erfolgenden Vulkanausbruch zu. Die einzigen aktiven Vulkane zwischen den Säulen des Herakles und der Südspitze Afrikas sind die Vulkane auf den Kanarischen Inseln (die aber den Phöniziern bereits früher bekannt gewesen sein dürften, also hier kaum als nennenswert erscheinen), und der Kamerunberg. Der einzige weitere Vulkanschlot entlang der Reiseroute, der Kakulima nordöstlich des heutigen Conakry in Guinea, gilt als bereits sehr viel früher erloschen. Der Kamerunberg ist wie der Kakulima sehr gut vom Meer aus als einsame Bergspitze erkennbar.

Nach drei Tagen kamen sie dann zu einer Bucht namens Horn des Südens (möglicherweise auf der Höhe von Gabun). Hier trafen sie auf einige haarige, menschenähnliche Wesen, von denen sich die männlichen mit Steinen wehrten und schließlich entflohen; drei „Weiber“ jedoch fingen die Karthager. Diese Wesen wurden von den Dolmetschern als gorillai bezeichnet, was in späteren Texten mit der (in der griechischen Mythologie verankerten) Bezeichnung „Gorgonen“ in Zusammenhang gebracht wurde. Die Bezeichnung könnte von den Afrikanern direkt südlich von Herne stammen. In Fulfulde (der Sprache der Fulbe oder Gorko in Westafrika, die möglicherweise den Namen gorillai geprägt haben) bedeutet gorel so viel wie „kleiner Mann“.

Ob es sich nun bei den erwähnten Lebewesen um Schimpansen oder tatsächlich um Gorillas handelte: sehr wahrscheinlich dürften es Menschenaffen gewesen sein. Nicht ganz auszuschließen sind auch Pygmäen, zumal in Hannos Bericht ja von Menschen und nicht von Affen die Rede ist (Affen dürften den Karthagern bekannt gewesen sein). Andererseits wird im Bericht Hannos (was sonst wohl zu erwarten wäre) nichts von einer Sprache der gorillai erwähnt. Aber ob es sich nun um Menschenaffen oder um Pygmäen gehandelt hat, in jedem Falle wäre Hanno auf Grund von deren anzunehmender Verbreitung tatsächlich bis an die Küste des heutigen Gabun gekommen. Die Afrikaner südlich von „Kerne“ hätten vermutlich die ihnen bekannten Schimpansen Westafrikas mit deren eigenem Namen bezeichnet und nicht als „kleine Menschen“.

Kritische Stellungnahmen

In der Vergangenheit sind verschiedene kritische Theorien und Stellungnahmen zum Reisebericht des Hanno formuliert worden. So erklärten einzelne Autoren entweder die ganze Geschichte als Konstruktion nach anderen antiken Autoren, insbesondere nach dem Periplus des Pseudo-Skylax oder nach der Odyssee des Homer, andere gingen davon aus, dass Hannos Schiffe nur bis zu den Vulkanen der Kanarischen Inseln oder nur bis zum Kakulima in Guinea gesegelt seien. Diese teilweise äußerst kritischen Einschätzungen waren vielleicht in der Vergangenheit nach einer ersten Euphorie über die angeblich so weite Fahrt des Hanno durchaus verständlich, zumal in Afrika südlich von Mogador in Marokko archäologische Hinweise auf die Anwesenheit von Karthagern bzw. Phöniziern fehlten und immer noch fehlen, ein Mangel, der immer noch für große Teile von Schwarzafrika gilt. Es konnten inzwischen verschiedene vorher nicht berücksichtigte Seefahrtsrouten nachgewiesen werden, so dass die hier vorgestellte Interpretation trotz der genannten Vorbehalte als die plausibelste erscheint.

Zudem ist auch bei der Interpretation antiker Werke, insbesondere was die Topografie der Gebiete südlich der Sahara betrifft, in den nächsten Jahren noch mit großen Fortschritten zu rechnen. Allein die im Kartenwerk von Claudius Ptolemäus erwähnte große Anzahl der Orte südlich des Atlas-Gebirges lässt auf umfangreichere geographische Kenntnisse der schwarzafrikanischen Küste in der Antike vermuten als bisher allgemein angenommen. So ist klar, dass der bei Ptolemäus auch erwähnte „Götterwagen“ wegen eines zu klein eingezeichneten Golfes von Guinea („Hesperische Bucht“) auf seiner Karte viel zu weit nach Westen geraten ist. Allein der Name lässt aber darauf schließen, dass dieser Berg in der antiken Geographie und Mythologie eine wichtige Stellung eingenommen hat. So liegt beispielsweise der Kamerunberg (oder „Götterwagen“) auf der Karte des Ptolemäus praktisch auf demselben Längengrad wie das Adula-Gebirge (Gotthardmassiv). Beide weithin gut sichtbaren Gebirge dienten in der Antike vermutlich als wichtige geographische Referenzpunkte.

Rezeption in der Antike

Nach dem Ende des 2. Punischen Krieges (Auslieferung der karthagischen Kriegsflotte an die Römer) und erst recht am Ende des 3. Punischen Krieges mit der bodenebenen Zerstörung von Karthago selbst und der Versklavung seiner Einwohner dürfte ein Großteil des punischen Wissens um die Küsten Westafrikas verloren gegangen sein. Allerdings dürfte dieser Verlust beim allgemein praktischen Sinn der Römer nicht vollständig gewesen sein. So ordnete der römische Senat an, dass das landwirtschaftliche Werk des Karthagers Mago ins Lateinische übersetzt werde und damit zumindest teilweise in römischen landwirtschaftlichen Werken erhalten blieb.

Ebenso ist zu vermuten, dass die Römer das karthagische Handelswissen zu erhalten versuchten, wie beim Tatenbericht des Hanno (und des Himilkon) durch Abschrift von Texten, durch Verpflichtung karthagischer Handelsleute oder durch die im Auftrag von Scipio, dem Eroberer Karthagos, veranlasste staatliche Erkundungsmission seines Freundes Polybios der westafrikanischen Küste entlang. Leider ist davon relativ wenig überliefert.

Von den römischen Autoren Plinius der Ältere (Naturalis historia) und Pomponius Mela (De chorographia) sind aber dennoch Beschreibungen der marokkanischen und weiter südlichen westafrikanischen Küste überliefert. Deren Inhalt ist eine Zusammenstellung griechischer und römischer antiker Küstenbeschreibungen (wie des Polybios und des Pseudo-Skylax sowie der römischen Militärexpedition unter Polybios nach dem Fall von Karthago) sowie dem Reisebericht des Hanno.

Allerdings ist mit dem Übergang von karthagischer zu römischer Beherrschung der marokkanischen Küste sicher geographisches Wissen über Westafrika verloren gegangen. So verschwinden mit Ausnahme des Lixos die vorrömischen Namen von marokkanischen Küstenorten weitgehend und werden durch die heute zum Teil noch erkennbaren Orts- und Flussnamen ersetzt. Rom dürfte sich angesichts der seefahrerischen Schwierigkeiten südlich von Herne nach dem Bericht des Pseudo-Scylax und dem wenig Handelserfolge versprechenden Bericht des Polybios darauf beschränkt haben, Handel bis höchstens unmittelbar südlich des Atlasgebirges zu treiben.

Die Verwirrung um die Lage des für die Geographie Westafrikas wichtigen Theon Ochema lässt sich dabei ursächlich auf Polybios und dessen Rezeption durch Plinius und Claudius Ptolemäus zurückführen.

Bei Pomponius Mela, De Chorographia 3, 94, steht noch relativ getreu nach Hanno und griechischen Autoren:

„Nach dieser Bucht (der Geschehnisse um die gorillai Richtung Westafrika) ist ein hoher Berg Theon Ochema wie ihn die Griechen nennen, der ständig brennt. Nach diesem Berg ist ein grüner Hügelzug, der sich über eine lange Strecke der Küste entlang (Richtung Horn des Westens) hinzieht. Von diesem Hügelzug aus kann man die nicht vollkommen überblickbaren Felder der (halbmenschlichen) Aegipanen und Satyrn sehen.“

Anschließend erzählt Pomponius Mela von den auch bei Hanno berichteten nächtlichen Lauten und dem Feuer auf diesem Hügel bis zur Küste und fährt fort (3, 96):

„Dann bewohnen wieder Äthiopier die Küste (Mela kommt bei der Beschreibung der Küste von Ostafrika). Diese Leute, ‚Hesperiden‘ genannt, sind hier nicht die reichen bereits genannten (in Ostafrika), sondern kleiner und gröber. In ihrem Gebiet ist eine Quelle, die glaubwürdig als Nilquelle angesehen werden kann. Sie wird von ihnen ‚Nunc‘ genannt und hat sonst anscheinend keinen anderen Namen, sondern wird von den barbarischen Mäulern falsch ausgesprochen.“

Mela und Plinius schreiben von einer Quelle (nach Mela namens Nunc) nordwestlich dieser grünen Hügelkette als Nilquelle, deren Wasser im Gegensatz zu allen anderen Flüssen ins Landesinnere nach Westen und zeitweise unterirdisch verlaufe. Plinius führt König Juba II. von Mauretanien als Gewährsmann dafür an, dass sich der wieder aufgetauchte Nil weiter westlich in einen See ergießt (Nilides genannt), dann wieder unterirdisch verschwindet und erst nach einigen Tagereisen definitiv den bekannten Nil westlich von Meroe speist. Unschwer kann man darin in der Sahel-Zone den Niger mit seinem Abfluss ins Landesinnere in Mali, dann das abflusslose Gebiet des Tschadsees und schließlich das Wiederauftauchen des Niles im sudanischen und zur Zeit Neros durch einen römischen Hauptmann erreichten Sumpfgebiet des Sudd erkennen, wo diese Expedition wegen weiterer Unpassierbarkeit zurückkehren musste.

Bei Plinius kann mit dem Theon Ochema auch nur ein Vulkan gemeint sein (Naturalis historia 2,90). So erklärt er nach der Diskussion anderer Vulkane ausdrücklich: „Dennoch der größte (vulkanische) Feuerschein ist derjenige in Äthiopien (d.h. Schwarzafrika) auf dem Gipfel des Theon Ochema“. Eine andere unzweifelhafte Lokalisierung des Theon Ochema befindet sich bei Plinius 6,35 (Plinius geht wie seine Zeitgenossen von einem dreiseitigen Afrika mit etwa gerader Küstenlinie vom Golf von Guinea nach Ostafrika aus):

„Die Südküste Äthiopiens (d.h. Afrikas) verläuft von Osten nach Westen in südliche Richtung. Es hat blühende Wälder dort, meist von Edelhölzern. In der Mitte dieser Küste steigt unmittelbar von der Küste ein hoher Berg an, der mit ewigem Feuer glüht – sein griechischer Name ist Theon Ochema. Vier Tage Reise von dort befindet sich das Horn des Westens als Umgrenzung Afrikas, angrenzend an das Gebiet der westlichen Äthiopier. Einige Autoritäten berichten in dieser Region auch von Hügeln mäßiger Höhe, überzogen mit dunklem Dickicht (Dschungel) und bevölkert von Ägipanen und Satyrn.“

Nach Plinius waren neben Karthagern aber auch Griechen an der westafrikanischen Küste. So sollen nach Xenophon von Lampsakos die Gorgonen-Inseln sich etwa zwei Tagesreisen von der Küste entfernt im Meer befinden und noch weiter draußen zwei weitere Inseln. Auch gegenüber dem Atlas-Gebirge soll im Meer eine Insel namens Atlantis liegen (offensichtlich nicht die Kanaren, sondern möglicherweise Madeira), von der es zwei Tagesreisen entlang der Küste bis zu den westlichen Äthiopiern brauche.

Berechnungen über die Dauer von Schiffsreisen sollen auch von dem Geographen Statius Sebosus gemacht worden sein. Bei all diesen Angaben verschwimmen tatsächliche Beobachtungen, theoretisch begründete Mutmaßnahmen und Mythologie so stark, dass eine eindeutige Trennung von Fiktivem und Tatsächlichen sowie dessen Identifikation auf der Landkarte nicht mehr möglich ist.

Soweit wären die römischen geographischen Kenntnisse über die Gebiete südlich der Sahara zwar unvollständig, aber nicht völlig irreführend bezüglich der Lage des Theon Ochema. Anders als beim manchmal locker und unvoreingenommen erzählenden und dadurch zwar häufig nur ungefähr richtig, aber selten komplett falsch berichtenden Mela stützt sich Plinius, um möglichst große Objektivität und Vollständigkeit bemüht, hauptsächlich auf die als glaubwürdiger erachtete römische Militärliteratur – mit fatalen Konsequenzen für die spätere Rezeption der Lage des Theon Ochema.

So diskreditiert er als Erstes den Bericht Hannos (5, 8), obwohl in Marokko zweifelsfrei phönizische Siedlungen im letzten Jahrhundert archäologisch ausgegraben wurden:

„Es ist Hanno, dem die meisten griechischen und römischen Schriftsteller gefolgt sind in den erschienenen Berichten über eine Anzahl von durch ihn gegründeten Städten, über die aber keine Überlieferungen und keine Spuren (Ruinen) existieren, nicht zu sprechen von den (im Bericht enthaltenen) unglaubwürdigen Geschichten.“

Dann verweist Plinius auf den von ihm als glaubwürdig angesehenen Polybios, der dies zwar unserer Kenntnis nach auch ist, dessen entsprechender eigener Bericht aber nicht überliefert ist:

„Scipio Aemilianus stellte während seines Kommandos in Afrika (während des 3. punischen Krieges mit der endgültigen Zerstörung Karthagos) dem Historiker Polybios eine Flotte mit Schiffen zur Verfügung zum Zwecke einer Erkundungsfahrt in diesem Teil der Welt (d.h. entlang der westafrikanischen Küste). Zurückgekehrt von der Fahrt entlang der Küste berichtete Polybios, dass sich nach dem Atlas-Gebirge wilde Tiere enthaltende Wälder in Afrika befinden.“

Dann liefert Plinius gestützt auf Agrippa Distanzangaben bis zum Fluss Bambotus im Land der Äthiopier, der voll von Krokodilen und Flusspferde sei (was mit dem Bericht Hannos übereinstimmt).

„Von da laufen Bergzüge kontinuierlich bis zu demjenigen, den wir Theon Ochema nennen (was Melas Darstellung entspricht). Die Distanz von diesem zum Horn des Westens dauert 10 Tage und Nächte (d.h. 20 Tagesreisen). In der Mitte dieses Raumes (Dreieck aufgespannt durch die Straße von Gibraltar, das Horn des Westens und den Theon Ochema) platziert er (Agrippa) den Atlas, den alle anderen Autoritäten einen Platz im äußersten Punkt von Mauretanien (d.h. des römischen Marokko) zuweisen.“

Das Horn des Westen platziert Mela dabei wie folgt (3, 99-100):

„Vor ihrer Küste (der Äthipier) sind die Gorgaden-Inseln, einst sagt man das Heim der Gorgonen. Sie liegen gegenüber dem Horn des Westens. Von da an beginnt die nach Westen ausgerichtete Ozeanfront mit dem Wasser des Atlantiks. Die Äthiopier belegen darin den ersten Teil (gesehen aus Richtung Horn des Westens), aber niemand den mittleren hitzeversengten, sandbedeckten und schlangenverseuchten Teil. Gegenüber diesem versengten Teil im Meer befinden sich die Hesperiden-Inseln.“

Anschließend erfolgt die Kurzbeschreibung des Atlas-Gebirges und der Kanarischen Inseln.

Aus diesen geographischen Angaben ist klar, dass mit dem Theon Ochema einzig der Kamerunberg gemeint sein kann. Mit der fälschlichen Platzierung des Atlases nach Agrippa in der Mitte des Dreiecks zwischen Straße von Gibraltar, Horn des Westen und Theon Ochema entgegen allen anderen von Plinius erwähnten Autoritäten wird aber die gesamte Geographie Westafrikas verzerrt, wie dies dann kartographisch bei Claudius Ptolemäus erfolgte, da er nicht Varianten darstellen konnte, sondern sich für eine einzige entscheiden musste (in seinem Fall die falsche).

Hätte man von Seiten Roms große Handelserfolge entlang der weiteren Küste Westafrikas erwartet, würden sicher entsprechende Erkundigungsmissionen gestartet worden sein (wie zum Beispiel diejenige des Cornelius Balbus in die Sahara wahrscheinlich bis zum Tibesti-Gebirge, zur Erkundung der Nilquellen unter Nero bis in das sudanische Sumpfgebiet des Sudd und nach Yemen (Weihrauch-Handel)). Gerade der Transsahara-Handel dürfte in der römischen Kaiserzeit hauptsächlich für Nachschub afrikanischer Güter in Rom gesorgt haben, wodurch allerdings der westafrikanische Küstenhandel relativ dazu an Bedeutung verlor und das Wissen über die dortige Geographie (dargelegt im geographischen Standardwerk von Claudius Ptolemaeus) langsam aber sicher verloren ging. Mit der Eroberung des Fezzan und der Vernichtung der Siedlungen der dortigen Garamanten durch Cornelius Balbus ergab sich für Rom dann aber sowieso keine weitere notwendige Erkundung und Transportrouten-Sicherung.

Ganz verloren ging dieses Wissens über die westafrikanische Küste allerdings nicht, da die Enzyklopädisten und Geographen dieses in ihren Werken zumindest teilweise bewahrten. Zudem bestand in der gesamten Antike eine auch in anderen Gegenden nachweisbare Nachfrage von Kaufleuten und Seefahrern nach praxisnahen Küstenbeschreibungen für die Küsten- und Hochseeschifffahrt (wie den Periplus des Pseudo-Scylax und speziell desjenigen des schwarzen Meeres sowie den anonymen Periplus des Erythräischen Meeres (das heißt des Indischen Ozeans)). Gerade letzterer Handel war aber in Antike und Frühmittelalter viel attraktiver als der westafrikanische, einerseits wegen der für die Hochseeschifffahrt günstigeren Winde, aber auch wegen der attraktiven Handelspartner und Handelsgüter (Indien, transgangesische Handelsbeziehungen zum Beispiel mit Seide nach China).

Textausgaben

Der griechische Text wurde seit dem 16. Jahrhundert mehrfach abgedruckt und übersetzt, erstmals 1533 von Sigismund Gelenius. Seine Editio princeps mit dem Periplus Hannonis (S. 38–40) erschien 1533 in Basel. Eine wissenschaftliche Edition erfolgte im 19. Jahrhundert durch Karl Müller. Übersetzungen ins Deutsche erschienen 1944 und 1957.

Eine Gegenüberstellung des griechischen und neu übersetzten deutschen Textes fand Eingang in die Gesamtausgabe Gaius Plinius Secundus, Naturkunde. Lateinisch – deutsch. Buch V. (siehe unten).

Seiner hier zitierten Übersetzung (siehe oben) fügt Karl Bayer ausführliche Erläuterungen an. Im anschließenden Beitrag geht Werner Huß einschränkend darauf ein (siehe unten).

Hanno als Namensgeber

1935 wurde der Mondkrater Hanno nach ihm benannt.

Literatur

  • Karl Müller: Geographi Graeci Minores 1. Paris 1855. S. XVIII-XXXIII und 1-14 Volltext
  • Alfred von Gutschmid: Die Heidelberger Handschrift der Paradoxographen. In: Neue Heidelberger Jahrbücher 1, 1891, S. 227–237.
  • Karl Bayer: Periplus Hannonis. In: Gaius Plinius Secundus d. Ä.: Naturkunde (Historia naturalis), lateinisch – deutsch. Buch V. Artemis, Zürich/München 1993, ISBN 3-7608-1618-5, S. 337ff.
  • Jerker Blomquist: The Date and Origin of the Greek Version of Hanno's Periplus. With an edition of the text and a translation. Gleerup, Lund 1979. ISBN 91-40-04696-6.
  • Gilbert Charles-Picard, Colette Picard: Karthago-Leben und Kultur. Philipp Reclam jun. Verlag, Stuttgart 1982, ISBN 3-15-010316-9, S. 221–258 (Kapitel 7: Große Reisen).
  • Kai Brodersen: Hanno 1. In: Der Neue Pauly (DNP). Band 5, Metzler, Stuttgart 1998, ISBN 3-476-01475-4, Sp. 155.
  • Werner Huß: Die Karthager. C.H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-37912-5.

Weblinks

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