Danaide

(Weitergeleitet von Danaidenfass)
Die Danaiden, John William Waterhouse, 1903

Die Danaiden ({{Modul:Vorlage:lang}} Modul:ISO15924:97: attempt to index field 'wikibase' (a nil value)) sind in der griechischen Mythologie die fünfzig Töchter des Danaos, König von Libya und Ahnherr der Griechen. Auf seinen Befehl hin töteten alle bis auf eine in der Brautnacht ihre jungen Ehemänner, sämtlich Söhne des Aigyptos, die sogenannten Aigyptiaden. Zur Strafe muss jede von ihnen im Tartaros Wasser in ein durchlöchertes Fass schöpfen, weshalb heute eine qualvolle, sinnlose Mühe eine Danaidenarbeit genannt wird.

Mythos

Die Danaiden ermorden ihre Männer. Illustration zu den Heroides des Ovid, 1496–1498

Danaos und Aigyptos waren Zwillingsbrüder, die sich um das Erbe ihres Vaters Belos stritten. Um den Besitzstreit beizulegen, schlug Aigyptos eine Vermählung seiner fünfzig Söhne mit den fünfzig Töchtern des Danaos vor. Danaos fürchtete aber zu Recht eine List und wurde durch das Orakel in seiner Ahnung bestätigt, das ihm den Tod durch seine Schwiegersöhne prophezeite. Er baute mit Athenes Hilfe ein Schiff mit doppeltem Bug für fünfzig Ruderer, die erste Pentekontere, mit dem er aus Libyen nach Argos in Griechenland floh.[1] Während eines Aufenthaltes auf Rhodos starben in der bei Diodor überlieferten Fassung des Mythos drei seiner Töchter;[2] die Städte Lindos, Ialysos und Kameiros sollen von Tlepolemos nach ihnen benannt worden sein.[3] In Griechenland angekommen, wurden Danaos und seine 50 Töchter von König Pelasgos freundschaftlich aufgenommen. Danaos erhob Anspruch auf den Thron von Argos, denn aufgrund seiner Abstammung von Io war er wie Pelasgos ein Nachkomme des Flussgottes Inachos.

Als eine große Dürre im Land ausbrach, schickte Danaos seine Töchter aus, damit sie Poseidon, der die Flüsse hatte versiegen lassen, umstimmten. Amymone, eine der Töchter, wurde auf diesem Gang von einem Satyr überfallen und rief Poseidon zu Hilfe, der die Danaide vor dem Angreifer rettete und sie anschließend zu seiner Geliebten machte. Beim Kampf mit dem Satyr hatte er seinen Dreizack in einen Felsen geschleudert. Dort, wo die Waffe stecken geblieben war, entspringen nach der Sage seitdem die drei Quellen des Flusses Lerna.[4]

Aigyptos schickte seine Söhne, die Aigyptiaden, nach Argos, um Danaos dazu zu bringen, dass er der Hochzeit doch noch zustimme – nach wie vor mit dem heimlichen Plan, die Danaiden und Danaos umzubringen. Als Danaos sich weigerte, ließ Aigyptos die Stadt belagern. Danaos musste sich schließlich, trotz der Vermittlung des Königs Pelasgos von Argos, seinem Bruder ergeben, da es in der Stadt kein Wasser mehr gab.[5] Doch wies er seine Töchter an, in der Hochzeitsnacht die Söhne des Aigyptos zu töten, und versah sie dafür mit Haarnadeln[5] oder Dolchen.[6] Alle Frauen bis auf eine töteten ihren Gatten und überbrachten dem Vater die Köpfe der Gemordeten. Einzig Hypermestra, die Älteste, verschonte ihren Bräutigam, den Lynkeus, weil er ihre Jungfräulichkeit geachtet hatte, und verhalf ihm zur Flucht. Sie wurde deswegen des Ungehorsams angeklagt, jedoch dank des Beistands von Aphrodite freigesprochen.

Nach der Mordnacht veranstaltete Danaos einen Wettlauf unter Freiern, die sich in der Reihenfolge ihrer Ankunft im Ziel eine seiner Töchter zur Frau nehmen durften und eine große Mitgift erhielten.[7]

Obwohl Athene und Hermes die Danaiden mit dem Einverständnis von Zeus im Wasser des Lerna von ihrer Bluttat gereinigt hatten, verurteilten die Totenrichter sie dazu, für immer das Wasser aus ihren Krügen in das durchlöcherte Fass[8] – nach anderer Überlieferung ist es ein Fass ohne Boden – zu schütten, das nie voll werden würde.

Die Listen der Danaiden

Es sind zwei unterschiedliche Listen mit den Namen der Danaiden überliefert. Die eine findet sich in der sogenannten Bibliotheke des Apollodor, die andere ist in den Fabulae des Hyginus Mythographus enthalten.[9] Die Liste des Hyginus ist offenbar korrupt und enthält auch nur 47 Paare. Auffällig ist, dass es zwischen beiden Listen kaum Entsprechungen gibt.

Liste bei Apollodor
Danaide Mutter (Danaide) Gatte Mutter (Gatte)
1 Hypermestra Elephantis Lynkeus Argyphie
2 Gorgophone Elephantis Proteus Argyphie
3 Automate Europe Busiris Argyphie
4 Amymone Europe Enkelados Argyphie
5 Agaue Europe Lykos Argyphie
6 Skaia Europe Daiphron Argyphie
7 Hippodameia Atlanteie oder Phoibe Istros arabische Mutter
8 Rhodia Atlanteie oder Phoibe Chalkodon arabische Mutter
9 Kleopatra Atlanteie oder Phoibe Agenor arabische Mutter
10 Asteria Atlanteie oder Phoibe Chaitos arabische Mutter
11 Hippodameia Atlanteie oder Phoibe Diokorystes arabische Mutter
12 Glauke Atlanteie oder Phoibe Alkis arabische Mutter
13 Hippomedusa Atlanteie oder Phoibe Alkmenor arabische Mutter
14 Gorge Atlanteie oder Phoibe Hippothoos arabische Mutter
15 Iphimedusa Atlanteie oder Phoibe Euchenor arabische Mutter
16 Rhode Atlanteie oder Phoibe Hippolytos arabische Mutter
17 Peirene aithiopische Mutter Agaptolemos phoinikische Mutter
18 Dorion aithiopische Mutter Kerketes phoinikische Mutter
19 Phartis aithiopische Mutter Eurydamas phoinikische Mutter
20 Mnestra aithiopische Mutter Aigios phoinikische Mutter
21 Euippe aithiopische Mutter Argios phoinikische Mutter
22 Anaxibia aithiopische Mutter Archelaos phoinikische Mutter
23 Nelo aithiopische Mutter Menemachos phoinikische Mutter
24 Kleite Memphis Kleitos tyrische Mutter
25 Sthenele Memphis Sthenelos tyrische Mutter
26 Chrysippe Memphis Chrysippos tyrische Mutter
27 Autonoe Najade Polyxo Eurylochos Najade Kaliadne
28 Theano Najade Polyxo Phantes Najade Kaliadne
29 Elektra Najade Polyxo Peristhenes Najade Kaliadne
30 Kleopatra Najade Polyxo Hermos Najade Kaliadne
31 Eurydike Najade Polyxo Dryas Najade Kaliadne
32 Glaukippe Najade Polyxo Potamon Najade Kaliadne
33 Antheleia Najade Polyxo Kisseus Najade Kaliadne
34 Kleodore Najade Polyxo Lixos Najade Kaliadne
35 Euippe Najade Polyxo Imbros Najade Kaliadne
36 Erato Najade Polyxo Bromios Najade Kaliadne
37 Stygne Najade Polyxo Polyktor Najade Kaliadne
38 Bryke Najade Polyxo Chthonios Najade Kaliadne
39 Aktaia Pieria Periphas Gorgo
40 Podarke Pieria Oineus Gorgo
41 Dioxippe Pieria Aigyptos Gorgo
42 Adyte Pieria Menalkes Gorgo
43 Okypete Pieria Lampos Gorgo
44 Pylarge Pieria Idmon Gorgo
45 Hippodike Herse Idas Hephaistine
46 Adiante Herse Daiphron Hephaistine
47 Kallidike Krino Pandion Hephaistine
48 Oime Krino Arbelos Hephaistine
49 Kelaino Krino Hyperbios Hephaistine
50 Hyperippe Krino Hippokorystes Hephaistine
Liste bei Hyginus
Danaide Gatte
1 Midea Antimachus
2 Philomela Panthius
3 Scylla Proteus
4 Amphicomone Plexippus
5 Evippe Agenor
6 Demoditas Chrysippus
7 Hyale Perius
8 Trite Enceladus
9 Damone Amyntor
10 Hippothoe Obrimus
11 Myrmidone Mineus
12 Eurydice Canthus
13 Cleo Asterius
14 Arcadia Xanthus
15 Cleopatra Metalces
16 Phila Philinus
17 Hipparete Protheon
18 Chrysothemis Asterides
19 Pyrante Athamas
20 ? Armoasbus
21 Glaucippe Niauius
22 Demophile Pamphilus
23 Autodice Clytus
24 Polyxena Aegyptus
25 Hecabe Dryas
26 Acamantis Ecnomius
27 Arsalte Ephialtes
28 Monuste Eurysthenes
29 Amymone Midamus
30 Helice Evidea
31 Oeme Polydector
32 Polybe Iltonomus
33 Helicta Cassus
34 Electra Hyperantus
35 Eubule Demarchus
36 Daplidice Pugno
37 Hero Andromachus
38 Europome Athletes
39 Pyrantis Plexippus
40 Critomedia Antipaphus
41 Pirene Dolichus
42 Eupheme Hyperbius
43 Themistagora Podasimus
44 Celaeno Aristonoos
45 Itea Antiochus
46 Erato Eudaemon
47 Hypermnestra Lynceus

Deutungen

Belos ist die gräzisierte Form des westsemitischen/kanaanitischen Wortes „Ba’al“ („Herr“) bzw. des ostsemitischen/babylonischen „Bel(um)“ (ebenfalls „Herr“), welches schlicht einen Herrn (vgl. „Bel bitim“, der Hausherr), einen bestimmten Gott oder aber einen Göttertyp bezeichnen konnte.

Die Danaiden als Mondpriesterinnen

Laut Robert von Ranke-Graves sind die drei in Rhodos verstorbenen Töchter – die auch als Telchinen bezeichnet werden – drei Erscheinungsformen der Mondgöttin Danaë. Ihre Namen verweisen darauf, dass sie gleichzusetzen waren mit den Schicksalsgöttinnen, den Moiren: Linda, Kameira und Ialysa scheinen Abkürzungen von linodeousa („die mit dem Leinenfaden bindet“), katamerizousa („die austeilt“) und ialemistria („die klagende Frau“) zu sein. Auch ihre Fahrt über das Meer als Flucht vor den Söhnen des Aigyptos sowie die Tatsache, dass sie das fünfzig-rudrige Schiff vermutlich selber ruderten, verweist auf das „Mondgestirn“ bei seiner Flucht vor der Sonne.

Mondpriesterinnen traten in der Regel in einer Gemeinschaft von fünfzig Jungfrauen auf – was auch immer geschah, daran änderte sich nichts. Sie hatten die Pflicht, durch ihre Rituale dem Land Regen zu bringen und – konkreter – Brunnen und Quellen zu erhalten. Mit Sieben oder durchlöcherten Töpfen wurden die Kulturen mit Wasser besprüht. Die Aufgabe der Danaiden, in der Unterwelt Wasser in ein durchlöchertes Fass zu schöpfen, kann also auch so verstanden werden, dass sie über den Tod hinaus – auf ewig – ihre Funktion als Mondpriesterinnen erfüllen.[10]

Einführung des Ackerbaus

So war denn die Argolis von einer Dürre geplagt, ehe Danaos mit seinen Töchtern dort erschien. Karl Kerényi erwähnt aus einer Dichtung des Strabo Geographus: „Argos war wasserlos, die Töchter des Danaos machten Argos wasserreich“ und er erwähnt auch eine andere Version der Sage, nach der die Köpfe nicht begraben, sondern in das Wasser des Lerna geworfen wurden, das seither aus ebenso vielen Köpfen hervorsprudle.

Darstellung in der Kunst

Literatur

Dass sich Hypermestra dem Gebot des Vaters widersetzte, veranlasste diesen, sie vor Gericht zu stellen. Aischylos berichtet darüber in seiner Danaiden-Trilogie (→ Die Schutzflehenden). Dort tritt Aphrodite zur Verteidigung der Danaide auf und belehrt die Anwesenden: „Den Himmel verlange es, die Erde mit Liebe zu durchdringen und nach Liebe verlange die Erde. Der Himmel nun durchtränke sie mit lebenspendendem Nass, befruchte sie mit seinem Regen.“ Damit wird die Liebe Hypermestras zu Lynkeus auf eine Art geschildert, die ihre Funktion als Mondpriesterin nicht gefährdet, sondern den Kreislauf von Befruchten und Empfangen noch besser zu erklären vermag. In diesem Sinn wird das Übertreten des väterlichen Gebots der Hypermestra geradezu zur Bedingung dafür, dass Regen fallen kann.

Musik

Neben der Opera seria Ipermestra des Librettisten Pietro Metastasio, die von zahlreichen Komponisten vertont wurde, ist die 1784 komponierte französische Tragédie lyrique Les Danaïdes von Antonio Salieri überliefert, welche die Massenhochzeit und die ungeheuerlichen Morde wieder ins Zentrum des Geschehens rückt und so dem Stoff in seiner ganzen Tragik wiederum gerecht wird. Das Schlussbild der Oper zeigt als Epilog die gequälten Danaiden im Tartarus, ein großartiges Tableau vivant, das bei den Zeitgenossen auf uneingeschränkte Bewunderung stieß.

Bildhauerei

Die 1885 entstandene Skulptur von Auguste Rodin stellt eine Interpretation des Schicksals der Danaiden dar. Ausgestellt wird sie im Musée Rodin in Paris.

Quellen

  • Bibliotheke des Apollodor 2,1,4–2,2,1
  • Herodot, Historien, 2,91; 2,171; 2,182
  • Pausanias, Reisen in Griechenland 3,12,2
  • Ovid, Heroides 14 Hypermnestra an Lynkeus

Literatur

  • Julius Adolf Bernhard: Danaiden. In: Wilhelm Heinrich Roscher (Hrsg.): Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Band 1,1, Leipzig 1886, Sp. 949–952 (Digitalisat).
  • Ulrike Kenens: Some Observations on the Catalogue of Danaids (Apollod. 2.16–20 and Hyg.Fab. 170). In: Mnemosyne. Serie 4, Band 65, 2012, S. 726–731.
  • Otto Waser: Danaïdes. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV,2, Stuttgart 1901, Sp. 2087–2091.

Weblinks

Commons: Danaides – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Bibliotheke des Apollodor 2,1,4–5; Hyginus, Fabulae 168
  2. Diodor 5,58
  3. Strabon 14,654
  4. Bibliotheke des Apollodor 2,1,4; Hyginus, Fabulae 169
  5. 5,0 5,1 Bibliotheke des Apollodor 2,1,5; Hyginus, Fabulae 168
  6. Pindar, Nemeische Oden 10,6f.; vgl. auch Horaz, Carmina 3,11 und Ovid, Heroides 14
  7. Hyginus, Fabulae 170
  8. Ovid, Metamorphosen 4,462f. und 10,43f.
  9. Hyginus, Fabulae 170
  10. Samuel Henry Hooke: Origin of Early Semitic Ritual. Jerusalem 1935, S. 53.

Die News der letzten Tage