Wer waren die Kanaaniter
Die Menschen, die in dem als Südlevante bekannten Gebiet – das heute als Israel, Jordanien, Libanon und Teile Syriens bekannt ist – um 3.500 bis 1.150 v. Chr. während der Bronzezeit lebten, werden in alten biblischen Texten als die Kanaaniter bezeichnet. Jetzt haben Forscherinnen und Forscher um Ron Pinhasi vom Department für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien neue Einblicke in die Geschichte der Kanaaniter gewonnen, die auf einer genomweiten Analyse der antiken DNA beruhen, die von 73 Personen gesammelt wurde. Ihre Erkenntnis: Die Kanaatier waren nicht nur kulturell, sondern auch genetisch ähnlich. Die Ergebnisse werden aktuell in "Cell" veröffentlicht.
Um Einblicke in die historischen und demografischen Ereignisse zu erhalten, führte das Forscher*innenteam rund um Ron Pinhasi von der Universität Wien eine detaillierte Analyse der alter DNA von Personen – bekannt als Kanaaniter – aus der südlichen Levante der Bronzezeit durch. In der Studie sollten drei grundlegende Fragen beantwortet werden: Wie genetisch homogen waren die Menschen aus der südlichen Levante der Bronzezeit? Gibt es plausible Herleitungen des genetischen Ursprungs bezogen auf frühere Bevölkerungsgruppen und wie stark hat sich die Abstammungsgeschichte in diesem Gebiet seit der Bronzezeit verändert?
Publikation:
Agranat-Tamir et al.
The Genomic History oft he Bronze Age Southern Levant
Cell, May 28, 2020
DOI: 10.1016/j.cell.2020.04.024
Das Team extrahierte und untersuchte die aDNA von Menschen aus fünf archäologischen Stätten in der südlichen Levante der Bronzezeit. Sie alle werden der Kultur der Kanaaniter zugeschrieben und scheinen genetisch zwei Ursprünge zu haben: Menschen, die ursprünglich in der Region lebten, und Menschen, die aus dem Gebiet des Kaukasus/Zagros-Gebirges zugezogen waren. Beide Bevölkerungsgruppen mischten sich zu ungefähr gleichen Anteilen.
Die Daten zeigen eine starke genetische Ähnlichkeit, einschließlich einer Komponente aus Bevölkerungsgruppen, die mit dem chalkolithischen Zagros und dem Kaukasus der frühen Bronzezeit verwandt sind. Der Genfluss dauerte mindestens bis zur späten Bronzezeit an und beeinflusste die moderne levantinische Bevölkerungsarchitektur.
Bei diesen Gruppen konnte weiters Erbgut identifiziert werden, das mit den verfügbaren Daten nicht vollständig modelliert werden kann, was die entscheidende Rolle von Migrationen nach der Bronzezeit in die Region in den letzten 3.000 Jahren unterstreicht. Die Studie liefert Hinweise darauf, dass die Wanderungsbewegungen der Menschen aus dem Kaukasus/Zagros bereits vor 4.500 Jahren stattgefunden, wahrscheinlich sogar früher begonnen haben und sich während der Bronzezeit fortsetzten.
"Die Bevölkerungsgruppen in der südlichen Levante während der Bronzezeit waren nicht statisch. Vielmehr beobachten wir Menschenbewegungen über lange Zeiträume – nicht unbedingt kontinuierlich – vom Nordosten des alten Nahen Ostens in die Region. Die Kanaaniter sind kulturell und genetisch ähnlich. Darüber hinaus hat diese Region viele spätere Bevölkerungsbewegungen mit Menschen aus dem Nordosten, dem Süden und dem Westen erlebt", erklärt Ron Pinhasi.
Unter dem Gesichtspunkt der Archäologie und Geschichte des alten Nahen Ostens war das Team überrascht, die Stärke der Kaukasus/Zagros-Komponente in der Bevölkerung der Bronzezeit zu entdecken. Ebenso erstaunte die Forscherinnen und Forscher, dass sich die Migration aus diesem Gebiet noch im zweiten Jahrtausend v. Chr. fortsetzte. Archäologischen Funden zufolge wurde die südliche Levante in der Bronzezeit in Stadtstaaten unterteilt, die eine ähnliche materielle Kultur aufweisen.
Nun schließen die Wissenschaftler, dass sich die Ähnlichkeit zwischen diesen Bevölkerungsgruppen auch auf die Genetik erstreckt, was zeigt, dass es sich um eine kulturelle Einheit handelt, die mit einer gemeinsamen Abstammung verbunden ist. "Unsere Ergebnisse liefern ein umfassendes genetisches Bild der Mehrheit der Bevölkerung der südlichen Levante im zweiten Jahrtausend vor Christi", so Pinhasi abschließend.
Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität Wien via Informationsdienst Wissenschaft erstellt