Neandertaler gingen für ihre Werkzeuge ins Wasser


Neandertaler sammelten Muschelschalen und Bimsstein aus den Küstengewässern, um sie als Werkzeuge zu benutzen.


Neandertaler sammelten während des Mittelpaläolithikums Muscheln und Vulkangestein an den Stränden und Küstengewässern Italiens. Dies geht aus einer Studie hervor, die am 15. Januar 2020 in der Open-Access-Zeitschrift PLOS ONE von Paola Villa von der University of Colorado und Kollegen veröffentlicht wurde.


Muschelschalen an einem Strand.

Publikation:


Paola Villa, Sylvain Soriano, Luca Pollarolo, Carlo Smriglio, Mario Gaeta, Massimo D’Orazio, Jacopo Conforti, Carlo Tozzi
Neandertals on the beach: Use of marine resources at Grotta dei Moscerini (Latium, Italy)
PLOS ONE, 2020; 15 (1): e0226690

DOI: 10.1371/journal.pone.0226690



Es ist allgemein bekannt, dass Neandertaler Werkzeuge verwendet haben, aber in welchem Ausmaß sie auch die Ressourcen der Küsten nutzten, darüber herrscht unter den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern Uneinigkeit. In dieser Studie untersuchten Villa und Kollegen Artefakte aus der Grotta dei Moscerini in Italien, einer der zwei archäologischen Neandertalerhöhlen des Landes, in denen eine Fülle von bearbeiteten Muschelschalen aus der Zeit vor etwa 100.000 Jahren entdeckt wurden.

Die Autoren untersuchten 171 modifizierte Schalen, von denen die meisten retuschiert worden waren, um sie als Schaber zu verwenden. Alle Muschelschalen gehören zur mediterranen Weichmuschelart Callista chione. Basierend auf dem Erhaltungszustand der Muscheln, einschließlich der Beschädigung der Muscheln und der Verkrustung durch Meeresorganismen, schlossen die Autoren, dass fast ein Viertel der Tiere lebend unter Wasser vom Meeresboden aufgesammelt wurden und nicht an den Strand gespült wurden.

In denselben Höhlensedimenten fanden die Autoren auch reichlich Bimssteine, die wahrscheinlich als Schleifsteine für die Muschelkanten verwendet wurden. Die Bimssteine stammen von ausbrechenden Vulkanen im Golf von Neapel (70 km südlich der Höhle) und wurden vermutlich über Meeresströmungen an den Moscerini-Strand getrieben, wo sie von den Neandertalern gesammelt wurden.

Diese Ergebnisse reihen sich in eine wachsende Liste von Beweisen dafür ein, dass die Neandertaler in Westeuropa in Küstengewässern wateten oder tauchten, um deren Ressourcen zu nutzen, lange bevor Homo sapiens diese Praxis in die Region brachte.

Die Autoren stellen auch fest, dass die Schalenwerkzeuge in Sedimentschichten mit nur wenigen Steinwerkzeugen gefunden wurden, was darauf hindeutet, dass die Neandertaler der Küstenregionen, in denen typische Steinmaterialien selten waren, auf Werkzeuge aus Muschelschalen auswichen. Andererseits ist es auch möglich, dass Muschelschalen sogar gezielt den Steinwerkzeugen vorgezogen wurden, weil sie eine dünne und scharfe Schneide haben, die im Gegensatz zu Werkzeugen aus Feuerstein nachgeschärft werden kann.

Die Autoren fügen hinzu: "Der Höhleneingang befindet sich am Strand. Im Inneren fand man eine große Ansammlung von 171 Werkzeugen aus Muscheln, die am Strand oder untertauchend direkt vom Meeresboden aufgesammelt wurden. Bereits in einer von E. Trinkaus veröffentlichten Studie über andere Fundorte war das Tauchen nach Muscheln oder das Fischen in niedrigen Seen und Flüssen eine garnicht so seltene Aktivität der Neandertaler, die Ressourcen ihrer Umwelt zu nutzen. Auch geht daraus hervor, dass sie auch Bimssteine sammelten, die, genau wie in der vorliegenden Studie, von Vulkanen im Golf von Neapel stammten und über Meeresströme an die italienischen Strände transportiert wurden."


Diese Newsmeldung wurde mit Material PLOS One via Science Daily erstellt


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