Der moderne Mensch kam auf Umwegen nach Europa

Presseldung vom 14.10.2020

Klimatische Bedingungen leiteten die geographische Ausbreitung von Homo sapiens in der Levante vor 43.000 Jahren.


Günstige klimatische Bedingungen steuerten die Abfolge der Siedlungsbewegungen des Homo sapiens in der Levante auf seinem Weg aus Afrika nach Europa. In einem ersten Schritt besiedelten die modernen Menschen den Küstenstreifen am Mittemeer.

Erst danach breiteten sie sich in die Sinaiwüste und den ostjordanischen Grabenbruch aus. Über zehn Jahre hinweg betrieb das Team sedimentologische, pollenanalytische und archäologische Forschungen rund um die Fundstelle Al-Ansab 1 unweit der Ruinenstadt von Petra (Jordanien), um die vorherrschenden Umweltbedingungen zur Zeit der menschlichen Ausbreitung zu analysieren. „Die Konsolidierung menschlicher Präsenz in der Region geschieht vor dem Hintergrund günstiger klimatischer Bedingungen“, sagt Professor Dr. Jürgen Richter, Erstautor der Studie.


Die Grabungsstelle befindet sich etwas rechts von der Bildmitte

Publikation:


Jürgen Richter, Thomas Litt, Frank Lehmkuhl, Andreas Hense, Thomas C. Hauck, Dirk F. Leder, Andrea Miebach, Hannah Parow-Souchon, Florian Sauer, Jonathan Schoenenberg, Maysoon Al-Nahar, Shumon T. Hussain
Al-Ansab and the Dead Sea: Mid-MIS 3 archaeology and environment of the early Ahmarian population of the Levantine corridor
PLOS ONE, Published: October 13, 2020

DOI: 10.1371/journal.pone.0239968



Die Erfolgsgeschichte des anatomisch modernen Menschen außerhalb Afrikas beginnt bereits vor etwa 100.000 Jahren mit bekannten Fundstellen wie Qafzeh und Skhul. Doch stellen diese frühen Nachweise nur kurze und episodische Ausbreitungen in die Levante dar. Eine dauerhafte Besiedelung der Region vollzog sich nach heutigem Kenntnisstand erst vor etwa 43.000 Jahren. Während der Zeitepoche des sogenannten „Frühen Ahmarien“ breitete sich der moderne Mensch nach und nach in der Levante aus – ein erster Schritt auf dem Weg nach Asien und Europa.

Artefakte von der Grabungsstelle: (1) Refitted blade core, (2) El-Wad points (3) blade cores, (4) end-scraper, (5) Fragmet einer Meeresmuschel mit Ocker, (6) Fragmet einer Meeresmuschel, (7) blade core (8) dihedral burin, (9, 10) end-scrapers, (11) burin and (12, 13) El-Wad points.

Dauerhafte menschliche Ansiedlung konnte nur unter günstigen klimatischen Rahmenbedingungen stattfinden. Im Großen wird dies durch den sogenannten Lisan-See verdeutlicht. Dieser Süßwassersee lag im Gebiet des heutigen Toten Meeres, hatte jedoch ein Vielfaches von dessen Ausdehnung und Wasservolumen. Erst am Ende der letzten Eiszeit verdunstete zunehmend das Wasser und hinterließ das extrem salzhaltige Tote Meer, wie es heute bekannt ist.

Größerer Ausschnitt des Grabungsfotos.

Auch im Kleinen konnten die günstigen Umweltbedingungen nachvollzogen werden. Hierzu untersuchten geoarchäologische Teams der Universität zu Köln und der RWTH Aachen die Fundstelle Al-Ansab 1. Während das Wadi Sabra, in dem die Fundstelle liegt, heute durch saisonal eintretende Sturzflutereignisse stark geformt wurde, zeigten geomorphologische und archäologische Untersuchungen, dass zur Zeit der Besiedelung weitaus ruhigere und anhaltend feuchtere Bedingungen herrschten, die die menschliche Präsenz begünstigten.

„Dies ermöglichte die Ausbreitung des Menschen aus dem küstennahen, mediterranen Bereich in die vormals trockeneren Regionen der Negev Wüste und den Osthängen des Jordanischen Grabenbruches, um in der offenen Landschaft Jagd auf Gazellen zu machen – einer Beute, die in vielen Fundstellen dieser Zeit in der Region immer wieder nachgewiesen wird“, sagt Richter. „Die Menschen sind nicht durch stetige Ausbreitung aus Afrika heraus durch die Levante und weiter nach Europa und Asien gekommen. Vielmehr besiedelten sie zuerst einen küstennahen Streifen entlang des Mittelmeers.“

Die Region um die Fundstelle Al-Ansab 1 war somit ein Trittstein auf dem Weg des modernen Menschen in die Welt – eine Reise, die nicht auf geradem Weg auf den europäischen Kontinent führte, sondern von komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt begleitet war.


Diese Newsmeldung wurde mit Material der Universität zu Köln via Informationsdienst Wissenschaft erstellt


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