40.000 Jahre alte Kultur in China entdeckt

Presseldung vom 29.03.2022

Eine Studie eines internationalen Forschungsteams eröffnet einen Blick auf die Lebensweise von Jägern und Sammlern vor 40 Tausend Jahren in Nordchina. Archäologische Ausgrabungen an der Xiamabei-Fundstätte im Nihewan-Becken liefern Belege für die früheste Verarbeitung von Ocker in Ostasien sowie die Herstellung und Nutzung klingenähnlicher Steinwerkzeuge.


Die Entdeckung einer neuen Kultur weist auf Innovationsprozesse und eine kulturelle Ausdifferenzierung in Ostchina während einer Periode genetischer und kultureller Hybridisierung hin. Frühere Studien bewiesen, dass der Homo sapiens Nordchina vor 40.000 Jahren erreicht hat, dennoch blieb vieles über das Leben und die kulturellen Anpassungen dieser Menschen und deren mögliche Interaktionen mit archaischen Gruppen verborgen. Auf der Suche nach Antworten bietet das Nihewan-Becken in Nordchina mit seinem Reichtum an archäologischen Stätten, deren Alter sich zwischen 2 Millionen und 10.000 Jahren erstreckt, eine der besten Möglichkeiten, um die Evolution des kulturellen Verhaltens in Nordostasien zu verstehen.

Das internationale Forschungsteam, beschreibt eine einzigartige, 40.000 Jahre alte Kultur am Fundort Xiamabei im Nihewan-Becken. Xiamabei beherbergte unter anderem Funde, die für Nordostasien bislang einzigartig sind. Darunter sind Belege für die früheste Verarbeitung von Ocker in Ostasien sowie klingenähnliche Steinwerkzeuge. Die Analysen der Funde geben wichtige Erkenntnisse über die kulturelle Innovation während der Ausbreitung der Homo sapiens-Populationen.


Ein Team von Archäologen bei Ausgrabungen der gut erhaltenen Oberfläche der Xiamabei- Fundstätte in Nordchina, abgebildet sind Steinwerkzeuge, Fossilien, Ocker und rote Pigmente.

Publikation:


Wang, FG., Yang, SX., Ge, JY. et al.
Innovative ochre processing and tool use in China 40,000 years ago
Nature 603, 284–289 (2022)

DOI: 10.1038/s41586-022-04445-2



„Xiamabei hebt sich von allen anderen bekannten archäologischen Fundstätten in China ab, da es eine bislang unbekannte Kombination aus kulturellen Eigenschaften zu einem frühen Zeitpunkt vorweisen kann“, sagt Dr. Fa-Gang Wang vom Hebei Provincial Institute of Cultural Relics and Archaeology, dessen Team zuerst Ausgrabungen an der Fundstelle durchgeführt hat.


Außergewöhnlich gut erhaltenes Klingenblatt mit mikroskopischen Spuren eines Knochengriffs, zum Binden verwendete Pflanzenfasern, und beim Schnitzen entstandene Pflanzenpolitur.
Ockerstücke und Steinbearbeitungsgeräte, die auf einem rot gefärbten Pigmentfleck liegen.

Kulturelle Anpassungen in Xiamabei

„Die Fähigkeit der Menschen in nördlichen Breitengraden mit kalten und stark saisonalen Umgebungen zu leben, wurde vermutlich durch die Evolution von Kultur in Form von wirtschaftlichen und sozialen Adaptionen erleichtert”, sagt Dr. Shixia Yang, Wissenschaftlerin an der Chinese Academy of Sciences und am Jenaer Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte. „Die Funde an der Xiamabei-Stätte helfen uns, diese Anpassungen und deren mögliche Auswirkung auf die menschliche Migration zu verstehen.“

Eine der herausragenden kulturellen Besonderheiten, die an der Xiamabei-Stätte gefunden wurden, ist die umfangreiche Nutzung von Ocker - dies verdeutlichen Artefakte, die benutzt wurden um große Mengen Pigment zu verarbeiten. Zu den Artefakten gehören zwei Ockerstücke mit unterschiedlicher mineralischer Zusammensetzung und ein länglicher Kalksteinabschlag mit geglätteten Bereichen mit abgefärbtem Ocker, und zwar auf einer Oberfläche aus rot gefärbtem Sediment. Analysen von Forschenden der Universität Bordeaux unter der Leitung von Prof. Francesco d’Errico, deuten darauf hin, dass verschiedene Arten von Ocker nach Xiamabei gebracht wurden und durch Stampfen und Reibung weiterverarbeitet wurden. Die Ockerherstellung in Xiamabei repräsentiert das früheste bekannte Beispiel dieser Technik in Ostasien.

Die Steinwerkzeuge der Xiamabei-Fundstätte veranschaulichen eine neuartige kulturelle Anpassung in Nordchina vor 40.000 Jahren. Da nur wenig über die Herstellung von Steinwerkzeugen in Ostasien bekannt ist, bevor vor etwa 29.000 Jahren Mikroklingen die vorherrschende Technologie wurden, geben die Xiamabei-Funde wichtige Erkenntnisse. Die klingenähnlichen Steinwerkzeuge in Xiamabei waren einmalig für die Region, wobei mehr als die Hälfte der Werkzeuge kleiner war als 20 Millimeter. Die Einwohner des Fundortes stellten Mehrzweckwerkzeuge mit einem Griff her – dieser Vorgang zur Verarbeitung von Rohmaterialien erfordert ein komplexes technisches System, das an älteren oder etwas jüngeren Fundorten nicht beobachtet wurde. Funktions- und Rückstandsanalysen weisen darauf hin, dass die Werkzeuge zum Bohren, zum Schaben von Tierhäuten, zum Schnitzen von pflanzlichem Material sowie zum Schneiden von weicher, tierischer Materie verwendet wurden.

Eine komplexe Geschichte der Innovation

Die Aufzeichnungen aus Ostasien zeigen, dass eine Vielzahl von Anpassungen stattfand, als der moderne Mensch vor etwa 40.000 Jahren die Region erreichte. Obwohl keine menschlichen Überreste in Xiamabei gefunden wurden, deutet das Vorhandensein von Fossilien moderner Menschen an der gleichaltrigen Fundstätte Tianyuandong und den etwas jüngeren Stätten Salkhitu und der Oberen Zhoukoudian-Höhle darauf hin, dass die Bewohner von Xiamabei Homo sapiens waren. Eine vielseitige Steinwerkzeug-Technologie und das Auftreten einiger Innovationen, wie das Anbringen eines Griffes an ein Werkzeug sowie die Verarbeitung von Ocker, aber fehlende Neuerungen, wie Werkzeuge aus Knochen und Verzierungen, könnten auf einen frühen Kolonisierungsversuch durch moderne Menschen hinweisen. Es ist denkbar, dass während der Besiedlungsperiode ein genetischer und kultureller Austausch mit archaischen Gruppen, wie den Denisova-Menschen, stattfand, bevor sie letztendlich von späteren Migrationswellen des Homo sapiens abgelöst wurde.

Angesichts des unverwechselbaren Charakters von Xiamabei, argumentiert die Autorenschaft der neuen Studie, dass die archäologischen Aufzeichnungen nicht mit der Idee der kontinuierlichen kulturellen Innovation oder einer vollständig festgelegten Anzahl von Adaptionen einhergeht, welche den frühen Menschen den Weg aus Afrika in die ganze Welt eröffneten. Stattdessen sollten wir ein Mosaik von Innovationsmustern erwarten, bei dem die Verbreitung früherer Neuerungen, das Fortbestehen regionaler Traditionen und die lokale Einführung neuer Praktiken während einer Übergangsphase zeitgleich stattfinden.

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass aktuelle Evolutionsszenarien zu einfach sind,“ sagt Professor Michael Petraglia vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena, „und dass sich der moderne Mensch und unsere Kultur, durch wiederkehrende aber dennoch unterschiedliche Abschnitte des genetischen und sozialen Austauschs über große geografische Gebiete entwickelt haben, anstelle einer einzigen, rasanten Ausbreitungswelle über Asien.“


Diese Newsmeldung wurde mit Material Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte erstellt


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