Der Kreis Liujiang (chinesisch 柳江县) ist ein Kreis in der bezirksfreien Stadt Liuzhou im Autonomen Gebiet Guangxi der Zhuang-Nationalität in der Volksrepublik China. Er hat eine Fläche von 2.504 km² und zählt 540.000 Einwohner (2004). Sein Hauptort ist die Großgemeinde Labao (拉堡镇).
Im Jahr 1958 entdeckten Landarbeiter in einer Höhle bei Liujiang mehrere menschliche Knochen, darunter auch einen Schädel. Aufgrund der Ähnlichkeit mit sicher datierten menschlichen Fossilien aus Japan bescheinigten Wissenschaftler diesem Homo sapiens ein Alter von 20.000 bis 30.000 Jahren.
Eine neue Datierung deutet indes darauf hin, dass die Funde von Liujiang viel älter sein könnten, als bislang angenommen.
»Die Fossilen stammen möglicherweise aus Sedimenten, die auf 111.000 bis 139.000 Jahre datiert wurden,« sagt der Geologe Guanjun Shen von der Nanjing Normal University. Er fügt noch hinzu, dass auch die Möglichkeit bestehe, dass sie aus Höhlenablagerungen stammen, die 68.000 Jahre alt sind, oder aus Ablagerungen, die mehr als 153.000 Jahre alt sind.
Wenn der Schädel aus Liujiang tatsächlich 153.000 Jahre alt ist, dann gehört er neben den ebenfalls sehr modern aussehenden Schädeln aus Bouri'>Bouri und Omo in Äthiopien zu den ältesten bekannten Vertretern des Homo sapiens. Sollten sich die Schätzungen als zutreffend erweisen, dann wäre der Schädel auch einer der frühesten modernen Menschen in Ostasien. Die Anwesenheit des modernen Menschen in diesem Teil der Welt vor mehr als 100.000 Jahren würde dann mit ihrem frühesten Auftreten im Nahen Osten zusammenfallen.
"Spuren von so alten Wurzeln des Homo sapiens in China bringen für die Out-Of-Africa Theorie einige Probleme mit sich," sagt Shen. Die Theorie geht davon aus, dass moderne Menschen vor 100.000 bis 200.000 Jahren in Afrika entstanden, sich dann über Erde ausbreiteten und angestammte Menschenarten in den verschiedenen Regionen ersetzten. Wenn das Alter der Funde von Liujiang bestätigt werden sollte, müssten die Anhänger von Out-Of-Africa noch ältere Fossilien von Homo sapiens finden, um eine sehr schnelle Migration von Afrika nach Ostasien zu erklären.
Die neuen Datierungen deuten darauf hin, das primitiver aussehende Fossilien mit einem Alter von 150.000 bis 100.000 Jahren eine Linie repräsentieren, die mit den modernen Menschen in China koexistierten, vermutet Shen.
Anthropologen mit einer anderen Auffassung von der menschlichen Evolution geben zu Bedenken, dass die neuen Altersschätzungen nur vorläufig sein können, da es immer noch nicht geklärt sei, wie der Schädel in die Hohle gelangte und wo er ursprünglich begraben war, sagt Christopher B. Stringer vom Natural History Museum in London. Stringer, ein Befürworter der Out-Of-Africa Theorie, ist der Meinung, dass Shens Team entweder den Schädel selbst oder das ihm anhaftende Calcit datieren müssten, um sich sicher zu sein.
Milford H. Wolpoff von der University of Michigan in Ann Arbor stimmt zu. "Es würde mir gefallen, wenn der Schädel tatsächlich so alt ist, wie Shen sagt, aber man wird sich ohne direkte Datierung des Schädels nie sicher sein können," so Wolpoff, ein Anhänger der Multiregionalen Theorie. Nach seiner Meinung entwickelte sich die moderne Menschheit gleichzeitig in Afrika, Asien und Europa während der letzen 2 Millionen Jahre.
Wissenschaftliche Berichte aus den Jahren 1959 und 1965 über die Entdeckungen von Liujiang führten zu der Annahme, dass es sich bei der Fundstelle möglicherweise um Gräber handelt.
Literatur
- Shen, G. 2002. U-Series dating of Liujiang hominid site in Guangxi, Southern China. Journal of Human Evolution, 43(6, 817-829. DOI: 10.1006/jhev.2002.0601
Koordinaten von fossilized.org