Vicus Wareswald

Lanzenspitzen aus den Ausgrabungen

Als Vicus Wareswald wird ein auf den Gemarkungen der Gemeinden Oberthal, Marpingen und Tholey im Landkreis St. Wendel im nördlichen Saarland gelegener römischer Siedlungsrest (Vicus) bezeichnet. Hier finden seit dem Jahr 2001 umfangreiche Ausgrabungen statt, die zum Ziel haben, Aussehen, Struktur und Chronologie der Siedlung zu klären.

Lage und Entstehung

Die Siedlung hat ihren Ursprung in der ersten Hälfte des 1. Jahrhunderts n. Chr. am Kreuzungspunkt zweier stark frequentierter Straßen aus römischer Zeit. Eine Verbindung lief von Straßburg über den römischen Vicus in Schwarzenacker (Stadt Homburg) nach Trier, die zweite kam von Metz über Dillingen-Pachten, das antike Contiomagus, durch den Vicus im Wareswald bis nach Mainz. Die Siedlung lag in der römischen Provinz Gallia Belgica (später Belgica I) im südöstlichen Grenzgebiet der civitas der Treverer zur civitas der Mediomatriker, jedoch noch auf treverischem Gebiet. Viele Reisende nutzten die Straßen und schufen, so das gängige Erklärungsmodell zur Genese, eine Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen, die von sich hier ansiedelnden Händlern und Handwerkern befriedigt wurde. Möglicherweise folgte der Straßenzug einer eisenzeitlichen Handelsroute, da geringe Reste einer keltischen Vorgängersiedlung beobachtet werden konnten, belegt durch Funde aus der Spätlatènezeit.

Ausdehnung und Chronologie

Durch umfangreiche geomagnetische Untersuchungen und intensive Oberflächenbegehungen ist die Ausdehnung des Vicus weitgehend bekannt. Er erstreckte sich auf einer Länge von circa 1000 Meter auf dem Höhenrücken entlang der Straße. Darüber hinaus wurde das Siedlungsgelände terrassenförmig hangabwärts in südliche und nördliche Richtung erweitert.

Der im 1. Jahrhundert n. Chr. gegründete Siedlungskern wuchs nach und nach und erreichte seine größte Ausdehnung in der Blütezeit des 2. Jahrhunderts, die bis zu etwa 20 Hektar betrug.

Der wirtschaftliche Niedergang im Verlauf des 3. Jahrhunderts n. Chr. erfasste auch die Siedlung im Wareswald.

Ein erneuter Aufschwung, der die Region erfasste, als Trier Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. Kaiserresidenz wurde, lässt sich auch im Wareswald erkennen. Es ist in dieser Phase zu beobachten, dass einige Gebäude eine grundsätzliche Instandsetzung erfuhren (siehe Abschnitt Marstempel). Bis zum Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. sind Siedlungsaktivitäten archäologisch zu fassen. Ende des 4. Jahrhunderts wurde der Vicus endgültig verlassen und fiel wüst. Eine mittelalterliche oder neuzeitliche Überbauung fand nicht statt.

Befunde

Siedlungskern

Im Siedlungskern wurde bislang eine Fläche von ca. 2500 Quadratmetern ausgegraben. Entlang der römischen Straße mit parallel laufendem Abwassergraben und anschließender Arkade erstreckte sich die Bebauung mit Gebäuden. Bislang können drei Gebäudekomplexe mit verschiedenen Bauphasen unterschieden werden.

Das sogenannte Gebäude D besaß in seiner frühen Bauphase einen ca. 12,50 × 7,50 Meter messenden Keller, der durch Einzug einer Quermauer später halbiert wurde. Aufgrund seiner Größe lässt sich vermuten, dass er einem Händler als Lager seiner Waren diente. In einer weiteren Ausbauphase wurde der Keller aufgegeben und mit Lehm verfüllt. Über dem Keller wurde nun ein repräsentativer Raum mit Fußbodenheizung (hypokaustum) errichtet, der mit Wandmalerei ausgestaltet wurde und verglaste Fenster besaß. Südwestlich anschließend legte man zwei ca. 3,50 × 3,50 Meter messende Badezimmer an, deren Wannen aus einem wasserdichten Gemisch von weißem Kalkmörtel und Ziegelbruch, dem sogenannten Terrazzo, bestand. Ein weiterer kleiner ca. 2 × 2 Meter messender Anbau der gleichen Bauphase im südöstlichen Bereich wies ebenfalls eine Fußbodenheizung auf und wird als beheizter Baderaum gedeutet. Zu dieser Bauphase besaß das Gebäude also reinen Wohnhauscharakter.

Die südwestlich und nordöstlich angrenzenden Gebäude dagegen dienten wohl Händlern und Handwerkern nicht nur als Wohnraum, sondern auch als Kontor, denn hier fanden sich halbfertige Bronzestatuetten und ein 99 römische Pfund (ca. 30 Kilogramm) schweres Steingewicht einer schweren Balkenwaage[1], die wohl nicht in einem Privathaushalt eingesetzt wurde.

Da noch kein Gebäude vollständig im Grundriss erfasst ist, können wenig Aussagen zur Typologie der Grundrisse gemacht werden. Offensichtlich war aber im offengelegten Teil keine Streifenhausbebauung vorhanden, wie sie in den Straßenvici sonst so häufig vorkommen.

In der Spätantike entwickelt sich im untersuchten Grabungsbereich eine Rötelstift-"Manufaktur". Der nur wenige km entfernt bis ins 20 Jh. abgebaute Mineralfarbstoff wurde zu Farbstiften geschnitten und in den Handel gebracht.[2]

Der Mars-Tempel

Figur aus dem Marstempel

200 Meter südwestlich der Grabungen im Siedlungskern liegen die Überreste eines Tempels des Gottes Mars, der wohl im 2. Jahrhundert n. Chr. errichtet und Anfang des 4. Jahrhunderts n. Chr. grundlegend renoviert wurde. Es erscheint naheliegend, die Wiederaufnahme baulicher Aktivität an öffentlichen Bauten in der Siedlung mit dem Aufstieg des nahe gelegenen Triers zur Kaiserresidenz in Verbindung zu bringen, doch liegen keine direkten Indizien vor. Den bislang aufgedeckten Mauern war mittig jeweils ein außen liegender Pilaster vorgesetzt. Der Grundriss folgt dem Typ des gallo-römischen Umgangstempels. Der ansonsten weiße Verputz der äußeren Umgangsmauer besaß einen rot gemalten Sockel. Der Fund zweier Figuren des Mars vom Typ des jugendlichen, nackten Mars mit Helm und Helmbusch sowie zahlreicher Lanzenspitzen lassen eine Zuweisung des Tempels an den Kriegsgott als gerechtfertigt erscheinen. Wie schon bei den Grabungen im Siedlungskern enden die Funde, insbesondere die Reihe der Fundmünzen, am Ende des 4. Jahrhunderts n. Chr. Eine weitere Überbauung fand bis in heutige Zeit nicht mehr statt. In unmittelbarer Nachbarschaft wurde der Grundriss eines weiteren gallo-römischen Umgangstempels freigelegt. Die bislang ausgegrabenen Mauerreste lassen sich mühelos zu einem weiteren Heiligtum ergänzen. Die erhaltenen Mauerzüge sind in max. 2 Steinlagen erhalten, der weitere Aufbau bestand wohl aus einer Holzkonstruktion mit Flechtwerkwänden und Lehmbewurf. Das Gebäude wurde zu einem noch unbekannten Zeitpunkt niedergelegt und das Gelände planiert. Leicht nach Osten versetzt, aber mit gleicher, über Eck genordeter Orientierung wurde dann der sog. Mars-Tempel errichtet.

Das Pfeilergrabmal

Beim Bau eines Parkplatzes im Grabungsschutzgebiet wurden zunächst behauene Sandsteinblöcke entdeckt. Der Fund von mehr als 1000 Relieffragmenten und besonders eines ca. 40 Zentimeter hohen Pinienzapfens ließ dann erkennen, dass man es hier mit einem Grabmonument zu tun hatte, genauer gesagt einem Pfeilergrabmal. Zahlreiche Fragmente des Reliefschmucks zeigen unbekleidete Figuren mythologischer Szenen, es gibt aber auch Fragmente bekleideter Figuren, wahrscheinlich eine Darstellung der Familie, die dieses Monument bauen ließ, sowie Szenen aus dem Meer, aber auch aus dem Weinberg. Die Inschrift ist durch lediglich zwei, allerdings recht großformatige Buchstaben nachweisbar. An der Basis besaß der Pfeiler eine Kantenlänge von 4,20 × 3,80 Meter. Die Untersuchung der geborgenen Architekturglieder ließ darauf schließen, dass das gesamte Monument einst eine Höhe von ca. 10–12 Meter besessen hat. Unmittelbar an der römischen Straße gelegen, diente der Pfeiler nicht nur dem Totenkult, sondern auch der Repräsentation der Familie des Erbauers, die mit Sicherheit eine hochrangige Position im Vicus Wareswald innehatte. Auch und besonders durch dieses Pfeilergrabmal ist der Wohlstand belegt, der zur Blütezeit in der Siedlung herrschte. Es wird erwartet, dass planmäßige Grabungen weitere Erkenntnisse zur Siedlung erbringen.

Ein Pfeilergrabmal wurde abstrakt in Stahl und Beton nach Vorgaben des Landesdenkmalamtes mit EU-Fördermitteln in seinen Dimensionen visualisiert.[3]

Im Rahmen der archäologischen Untersuchungen wurden neben dem Grabpfeiler mindestens drei weitere Fundamente und Schuttfelder mit reliefierten Sandsteinen von Grabarchitektur entlang eines antiken Straßenkörpers entdeckt. Des Weiteren einen bis 5 m Tiefe untersuchten kreisrunden antiken Schacht sowie ein ungewöhnliches römerzeitliches Drainagesystem.[4]

Literatur

  • Edith Glansdorp und Eric Glansdorp: Gewichte und ein Bleietikett aus dem romischen vicus Wareswald bei Oberthal. In: Dies. (Hrsg.): Vor- und frühgeschichtliche Spuren im mittleren Primstal. Archäologische Ausstellungen im Heimatmuseum Neipel von 1997 bis 2012. Archäologische Funde im Saarland 2, Tholey 2013, ISBN 978-3-00-039212-2, S. 557–575.
  • Edith Glansdorpund Eric Glansdorp: Gräberstraße, Schacht und Römerhaus. Funde und Befunde der "Parkplatzgrabung" im vicus Wareswald. In: Kelten und Römer im Sankt Wendeler Land. Heusweiler 2010, ISBN 978-3-941095-04-5, S. 216–264.
  • Eric Glansdorp: Römerzeitliche Rötelstift- und Rötelpulverproduktion im nördlichen Saarland. Rötelstifte aus dem römischen vicus Wareswald bei Oberthal. In: Edith Glansdorp und Eric Glansdorp (Hrsg.): Vor- und frühgeschichtliche Spuren im mittleren Primstal. Archäologische Ausstellungen im Heimatmuseum Neipel von 1997 bis 2012. Archäologische Funde im Saarland 2, Tholey 2013, ISBN 978-3-00-039212-2, S. 253–271.
  • Klaus-Peter Henz et al.: Römischer Vicus Wareswald: Ausgrabung Wareswald – Erste Ergebnisse. Pirrot Verlag, Saarbrücken 2002, ISBN 3-930714-80-9.
  • Klaus-Peter Henz: Vicus Wareswald. In: Archäologie in Deutschland. Heft 3/2002, S. 53–54.
  • Klaus-Peter Henz und A. Klöckner: Die Grabmäler im Wareswald bei Tholey in: D. Boschung (Hrsg.): Grabbauten des 2. und 3. Jahrhunderts in den gallischen und germanischen Provinzen. Akten des Internationalen Kolloquiums Köln 22. bis 23. Februar 2007. ZAKMIRA 7, Wiesbaden 2009, S. 69-89
  • Klaus-Peter Henz: Ein gallo-römischer Umgangstempel im Wareswald, Gmde. Tholey, Kr. St. Wendel. Ein Vorbericht. In: M. Koch (Hrsg.): Archäologentage Otzenhausen Bd. 2. Beiträge des internationalen Symposions zur Archäologie in der Großregion in der Europäischen Akademie Otzenhausen vom 19.-22. Februar 2015. Nonnweiler 2016, S. 183–193, (Digitalisat)
  • Klaus-Peter Henz: Der gallorömische Vicus Wareswald. Ein Rundgang durch die antike Siedlung. Marpingen 2017.
  • Klaus-Peter Henz: Fortuna im Wareswald. In: Saargeschichten 58/59 Hefte 1/2, S. 5-11.
  • Klaus-Peter Henz: VIVAMUS und BIBITE. Trierer Spruchbecher im Wareswald. In: Ministerium für Bildung und Kultur - Landesdenkmalamt (Hrsg.): Denkmalpflege im Saarland. Jahresbericht 2017.
  • Reiner Schmitt: Fundmünzen im römischen vicus Wareswald 2002–2006. In: Edith Glansdorp und Eric Glansdorp (Hrsg.): Archäologische Funde im Saarland 1, Tholey 2008, S. 17–132.
  • Reiner Schmitt: Katalog der Fundmünzen. 2001–2002. In: Römischer vicus Wareswald. Erste Ergebnisse. Saarbrücken 2002, S. 129–156.
  • Terrex gGmbH (Hrsg.): Kelten und Römer im St. Wendeler Land. Die Ausgrabungen der TERREX gGmbH am "Hunnenring" und im vicus Wareswald. Eine Bestandsaufnahme. Heusweiler 2010.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Edith Glansdorp/Eric Glansdorp, Gewichte und ein Bleietikett aus dem romischen vicus Wareswald bei Oberthal.In: E. u. E. Glansdorp (Hrsg.), Vor- und frühgeschichtliche Spuren im mittleren Primstal. Archäologische Ausstellungen im Heimatmuseum Neipel von 1997 bis 2012. Archäologische Funde im Saarland 2 (Tholey 2013) 557-575.
  2. E.P. Glansdorp, Römerzeitliche Rötelstift- und Rötelpulverproduktion im nördlichen Saarland. [Rötelstifte aus dem römischen vicus Wareswald bei Oberthal] In: E. u. E. Glansdorp (Hrsg.), Vor- und frühgeschichtliche Spuren im mittleren Primstal. Archäologische Ausstellungen im Heimatmuseum Neipel von 1997 bis 2012. Archäologische Funde im Saarland 2 (Tholey 2013) 253-271. ISBN 978-3-00-039212-2
  3. Foto des visualisierten Grabpfeilers
  4. Edith Glansdorp/Eric Glansdorp, Gräberstraße, Schacht und Römerhaus. Funde und Befunde der "Parkplatzgrabung" im vicus Wareswald. In: Kelten und Römer im Sankt Wendeler Land ([Heusweiler] 2010), 216-264. ISBN 978-3-941095-04-5

Koordinaten: 49° 29′ 39″ N, 7° 3′ 30″ O

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