Sine Cerere et Baccho friget Venus
Sine Cerere et Baccho friget Venus (Lat.: Ohne Ceres und Bacchus stockt Venus) ist ein Terenz-Zitat, das in der frühen Neuzeit als Sprichwort und Bildmotiv weit verbreitet war.
Sprichwort
Der Satz geht zurück auf die Liebeskomödie Eunuchus des Terenz, wo Chremes in der fünften Szene des vierten Akts (732) zu Pythias sagt: verbum hercle hoc verum erit "sine Cerere et Libero friget Venus" (das Wort ist tatsächlich [wörtl.: beim Hercules] wahr: Ohne Ceres und Liber leidet Venus an Kältestarre). Es war also offenbar schon als Sprichwort bekannt. Chremes benutzt es, um zu erklären, warum ihm im erheiterten Zustande, nach einem ausgiebigen Mahl, Pythias mit einmal viel schöner erscheint als sonst. Liber, der Sohn der Ceres und Gott der männlichen Befruchtung (und sekundär des Weins), ist später durch Bacchus ersetzt worden. In ähnlicher Form findet sich das Sprichwort auch bei Cicero[1], der es zudem als Muster für das Stilmittel der Metonymie zitiert.[2] Es ist später durchgängig Terenz zugeschrieben worden.
Im Mittelalter verwendet es Caesarius von Heisterbach in seinem Werk Dialogus miraculorum als Warnung vor Luxus und Völlerei und als Aufruf zu einem asketischen Lebensstil.[3] Auch Martin Luther zitiert es 1518 in diesem Sinn in einer Predigt über die sieben Todsünden.[4] Mit dem Renaissance-Humanismus fand das Sprichwort auf breiter Basis Eingang in entsprechende Sammlungen, wie zum Beispiel die Adagia des Erasmus von Rotterdam.[5] Die früheste deutsche Fassung ist in einer Klagenfurter Sammlung von 1468 überliefert: An (=ohne) wein und brot Leidet Venus not.[6] Weitere deutsche Varianten lauten:[6]
- Ohne Wein und Brot ist Venus tot.
- Ohn Speis und Trank ist Venus krank.
- Ohne Kost und ohne Wein kann die Liebe nicht gedeihn.[7]
Bildmotiv
Zunächst ist das Bildmotiv eng mit dem Text verbunden und findet sich vor allem in Emblembüchern wie dem Mikrokosmos von 1579. Der Text macht dabei klar, dass das ganze als eine Warnung vor den Gefahren übermäßigen Schlemmens und Weingenusses als Stimulanzen sexueller Begierde zu lesen ist:
Sag, kythereische Venus mitsamt Cupido: Warum
wärmst du dir selbst die Füße, wärmst dir die Hände?
Etwa, weil dir der wortgewandte Iakchos nicht beisteht?
Die staubige Ceres ist auch nicht da?
Wo Nüchternheit herrscht, da friert die schädliche Lust
und fängt keine Kriege gegen die Curier[8] an.
Wo immer die mächtige Trunkenheit und Überfluss herrscht,
da beginnt die Mutter des Ehebruchs ruchlose Kriege.
Das Bildmotiv wurde im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert vor allem in den Niederlanden sowie im Kreis der dem Manierismus zugewandten Künstler am Hofe Rudolfs II. in Prag sehr beliebt.
Eine frühe Fassung als eigenständiges Gemälde ist Hans von Aachens Bacchus, Ceres und Armor, das er 1598 für Rudolf II. malte. Ebenfalls in Rudolfs Sammlung befand sich früher ein monumentales Penwercken (Bleistiftwerk), 105×80 cm, von Hendrik Goltzius, das heute im Philadelphia Museum of Art gezeigt wird.[9] Eine Variante ist in der Eremitage zu sehen. Sind vor allem bei Goltzius noch die gefährlichen Untertöne und der moralische Zweck der Allegorie zu spüren, so wird das Thema später weitaus weniger moralisch und eher unterhaltend umgesetzt.
Peter Paul Rubens variierte das Thema mehrfach: So gibt es die Fassung der sichtlich frierenden Venus frigida, eine mit Amor, der verzweifelt versucht, ein wärmendes Feuer zu machen, und eine mit Venus im Moment maßvollen Erwärmens und ruhigen Erwachens, in dem sie die Weinschale aus der Hand des kultivierten Gottes nur zögernd entgegennimmt.[10] In nach-barocker Zeit spielte das Thema offensichtlich keine Rolle mehr.
Literatur
- Samuel Singer: Thesaurus Proverbiorum Medii Aevi. = Lexikon der Sprichworter des Romanisch-germanischen Mittelalters. Band 7: Kern – Linie. Walter de Gruyter, Berlin u. a. 1998 ISBN 3-11-016119-2, S. 453f.
- Berthold Hinz: ... non iam friget – Jordaens blickt auf Rubens. In: Bruno Klein, Harald Wolter-von dem Knesebeck (Hrsg.): Nobilis Arte Manus. Festschrift zum 70. Geburtstag von Antje Middeldorf Kosegarten. 2., korrigierte Auflage. B. Klein, Dresden u. a. 2002, ISBN 3-00-009205-6, S. 380–394, (Digitalisat; PDF; 4,3 MB).
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Rhetorica ad Herennium 4,32,43
- ↑ De nat. deor. II, 23,60, zitiert nach Gerd Hagenow: Der nicht ausgekehrte Speisesaal (PDF; 3,5 MB), Anm. 7
- ↑ CAPITULUM CXII
- ↑ WA 1,519
- ↑ Adagia 1297 = II.3.97
- ↑ 6,0 6,1 Singer (Lit)
- ↑ Publius Terentius Afer: Lustspiele, übersetzt von Christian Victor Kindervater. Leipzig: Frommann, 1799, S. 175 (Digitalisat)
- ↑ d. h. maßvolle Männer
- ↑ Philadelphia Museum of Art
- ↑ nach Hinz (Lit.), S. 389