Rhenus (Personifikation)

„Vater Rhein“ als Brunnenfigur im Hortus Palatinus, zwischen 1614 und 1620
Neuzeitliche Darstellung des Rhenus aus dem Jahr 1750
Barocke Skulptur des „Vaters Rhein“ im Park des Schlosses Schwetzingen, 18. Jahrhundert
Fries des Museum an der Augustinergasse in Basel: Die Basler Stadtallegorie Basilea, rechts neben ihr der Gott Rhenus, um 1849
Nationalromantische Symbolik im Niederwalddenkmal: In der unten dargestellten Figurengruppe überreicht „Vater Rhein“ seiner Tochter, der Mosel, das Wächterhorn – ein allegorischer Verweis auf das Thema Die Wacht am Rhein und die mit ihm einhergehenden Bedeutungen.
„Vater Rhein“ in der Apotheose des Kaisertums, Triptychon von Hermann Wislicenus in der Kaiserpfalz Goslar, um 1880
„Rhein Fluss“, Relief am Rathaus von Duisburg, Friedrich Ratzel, 1896–1902

Rhenus ist als Flussgott die Personifikation des gleichnamigen Flusses, des heutigen Rheins (lateinisch Rhenus, keltisch Rênos, zu ie. H1reiH-, „rinnen, fließen“). In Inschriften wird er auch Rhenus Pater („Vater Rhein“) genannt und mit dem römischen Wassergott Neptunus in Verbindung gebracht. Neben der ebenfalls behornten Gottheit der Donau (Danuvius) wird Rhenus als stiergestaltiger (?) „Vater aller Nymphen und Flüsse“ (Nympharum pater amniumque, Martial)[1] beschrieben.[2] Wegen seiner Hörner wurde er von den Römern „zwiegehörnter Rhenus“ (Rhenus bicornis, Vergil) oder – als Allegorie auf die römische Unterwerfung der „Barbarenvölker“ am Rhein – „Rhenus mit den gebrochenen Hörnern“ (Rhenus cornibus fractis, Ovid) genannt.[3]

Frühe Darstellungen der griechischen Kunst zeigen den Flussgott meist als Mischwesen, als Stier mit menschlichem Oberkörper, das Gesicht von wallendem Haupthaar und Bart gerahmt. Seit dem 5. Jahrhundert vor Christus verdrängte in den Darstellungen die Menschengestalt den Tierkörper, nur noch die Hörner an der Stirn erinnerten an die ursprüngliche Stiergestalt. Bicornis, zweihörnig, wurde der Fluss genannt, und bicornis hieß auch ein Fluss, dessen Mündung ins Meer sich gabelte, also wie der Rhein ein Ästuar oder Flussdelta bildet. Die hellenistische Kunst zeigte den Flussgott in menschlicher Gestalt mit Stierprotomen, auf dem Grund des Flusses liegend, von Wellen umgeben. Oft lehnte er sich auf eine Urne, der Wasser entquillt. Andere Attribute waren Schilfrohr, Ähren oder Füllhorn, eine Anspielung auf seine Funktion als Fruchtbarkeitsgottheit.[4]

Mehrmals berichten auch spätantike und byzantinische Autoren, dass die Kelten und Germanen Neugeborene ins kalte Wasser des Rheins tauchten, um zu schauen, ob sie ehelich sind, oder auch nur, um sie abzuhärten.[5] Berichtet wird ferner, dass Römer, Kelten und Germanen ihren Flussgöttern opferten.[6]

Römerzeitliche Weihesteine

Mehrere römerzeitliche Weihesteine sind bis heute gefunden worden, die den Rhenus nennen:

Fundort Land Verzeichnis Inschrift
Eschenz, Tasgætium Schweiz CIL 13, 5255 [F]LVM RHENO PRO SALVTE ...
Straßburg, Argentorate Frankreich AE 1969/70, 434 RHENO PATRI[7]
Remagen, Rigomagus Deutschland CIL 13, 7790 IOM ET GENIO LOCI ET RHENO ...
Remagen, Rigomagus Deutschland CIL 13, 7791 IOM […] GENIO LOCI [FL]VMINI RHE[NO] ...
Vechten, Fectio Niederlande CIL 13, 8810 IOM DIS PATRIIS ET PRAESIDIBVS HVIVS LOCI OCEANIQUE ET RENO
Vechten, Fectio Niederlande CIL 13, 8811 ... IVNONI REGINAE ET MINERVAE SANCTAE GENIO HVIVSQUE LOCI NEPTVNO OCEANO ET RHENO DIS OMNIBVS DEABVSQUE ...

„Vater Rhein“ als literarisches, künstlerisches, populäres und politisches Motiv

Das Motiv des „Vaters Rhein“ wurde im Zuge der Rheinromantik vielfach aufgegriffen,[8] so etwa bildhauerisch im 19. Jahrhundert von Karl Janssen und Josef Tüshaus im Denkmal Vater Rhein und seine Töchter, im Wrangelbrunnen von Hugo Hagen, im Niederwalddenkmal von Johannes Schilling, im Vater-Rhein-Brunnen von Adolf von Hildebrand, als Kleinplastik im Tafelaufsatz Vater Rhein von Ludwig Brunow zur Hochzeit des deutschen Kronprinzen Wilhelm oder in einem Fries der 1880 geschaffenen Nibelungengrotte im Park der Villa Hammerschmidt.

In seinem Gedicht Der Rhein zeichnete Dichter Friedrich Hölderlin den Strom um 1805 als Bild gelingenden Lebens:

Stillwandelnd sich im teutschen Lande
Begnüget, und das Sehnen stillt
Im guten Geschäffte, wenn er das Land baut –
Der Vater Rhein – und liebe Kinder nährt
In Städten, die er gründet.

1810 bis 1812 schrieb Clemens Brentano Die Mährchen vom Rhein, vier Erzählungen, in denen die fiktiven Erzähler den „Vater Rhein“ mit je einem Märchen unterhalten, um geliebte Menschen zurückzuerhalten, die im Rhein ertrunken und versunken sind. Die Rheinmärchen wurden erst 1846 veröffentlicht.

Im satirischen Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen (1844) ließ Heinrich Heine in Anspielung auf das ihm chauvinistisch erscheinende Rheinlied von Nikolaus Becker, das die Rheinkrise zwischen Frankreich und den Deutschen Bund reflektierte, seinen „Vater Rhein“ folgende Worte sprechen:

Zu Biberich hab ich Steine verschluckt,[9]
Wahrhaftig, sie schmecken nicht lecker!
doch schwerer liegen im Magen mir
die Verse von Niklas Becker.[10]

In der Apotheose des Kaisertums, einem um 1880 geschaffenen Zentraltriptychon zur Verherrlichung der deutschen Reichsgründung 1871, nutzte der Maler Hermann Wislicenus die das Reichsadlerwappen flankierenden Personifikationen des Rheins und der Geschichte, um das Rheinland als historische Landschaft des deutschen Kaisertums symbolisch anzudeuten. 1911 schuf Emil Cauer der Jüngere die Figur des „Vaters Rhein“ für den Siegfriedbrunnen auf dem Rüdesheimer Platz in Berlin. 1912 verwendete die Rhenus Transport GmbH den Namen und das Motiv, um einen sinnbildlichen Bezug zu ihrem Gewerbe der Rheinschifffahrt zu verdeutlichen. Im Jahr 1900 komponierte Paul Lincke für seine Operette Fräulein Loreley den Festmarsch Vater Rhein.

1960 textete Heinz Korn unter humoristischer Verwendung des Vater-Rhein-Motivs den Karnevalsschlager Ich hab den Vater Rhein in seinem Bett gesehn. Mit der Zeile „Sag Good Bye dem Vater Rhein“ bemühte der DDR-Sänger Ernst Busch in seinem Lied Ami – go home! das Vater-Rhein-Motiv im Kalten Krieg, um die Vereinigten Staaten zum Abzug aus Deutschland aufzufordern.

Literatur

  • Bernhard Maier: Lexikon der keltischen Religion und Kultur (= Kröners Taschenausgabe. Band 466). Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-46601-5, S. ?.
  • Rainer Vollkommer: Rhenos, Rhenus. In: Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae (LIMC). Band VII, Zürich/München 1994, S. 632–635.
  • Rainer Vollkommer: Vater Rhein und seine römischen Darstellungen. In: Bonner Jahrbücher, Band 194 (1994)
  • Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, ISBN 3-7001-2609-3, S. ?.

Einzelnachweise

  1. Martial 10, 7.
  2. Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. S. 689 f.
  3. Horst Johannes Tümmers: Der Rhein. Ein europäischer Fluss und seine Geschichte. Verlag C. H. Beck, München 1999, ISBN 3-406-44823-2, S. 24, 25 und Abb. 7
  4. Horst-Johannes Tümmers, S. 25
  5. z. B. Iulianus, epist. 191; Libanios, orat. 12, 48; Claudius Claudianus, in Rufin. 2, 112; Nonnos, Dionysiaka etc.
  6. Siehe etwa: Ortwin Reich: Vom Beatusberg zum Fort Konstantin: Kirche, Kloster, Festung, Kurzfassung, Koblenz 1997, S. 7, PDF-Datei im Portal oreich.de, abgerufen am 3. Februar 2013.
  7. Siehe Abbildung des Weihesteins des Legaten Oppius Severus in Legio VIII Augusta, Artikel im Portal imperiumromanum.com, abgerufen am 3. Februar 2013.
  8. Rheinromantik zwischen Köln und Bingen: Ein Mythos und Symbol Europas, Artikel im Portal nrw-stiftung.de, abgerufen am 3. Februar 2013
  9. Anspielung auf den Nebeljungenstreich
  10. Caput V, Abs. 5.

Weblinks

Commons: Rhenus Pater – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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