Quintus Aurelius Memmius Symmachus

Symmachus und Boethius, mittelalterliche Miniatur

Quintus Aurelius Memmius Symmachus († 525/26) war ein spätantiker römischer Politiker, Philosoph und Geschichtsschreiber.

Leben

Symmachus stammte aus einem der reichsten und berühmtesten weströmischen Senatorengeschlechter, dessen Angehörige möglicherweise schon unter Septimius Severus hohe Ämter bekleidet hatten. Er war der Urenkel des Quintus Aurelius Symmachus, im Gegensatz zu diesem aber – wie damals üblich – ein Christ, was aus einer Passage im sogenannten Anecdoton Holderi,[1] einem Fragment aus einem verlorenen Werk Cassiodors, abgeleitet wird.[2]

Symmachus gehörte zur stadtrömisch-senatorischen Elite. Er hatte unter Odoaker und dann unter Theoderich mehrere hohe Ämter bekleidet: Er fungierte als Stadtpräfekt Roms, erlangte 485 (wie bereits sein Vater im Jahr 446) in offenbar recht jungen Jahren das Konsulat und trug seit spätestens 510 den ehrenvollen Titel eines patricius.[3] Aufgrund seiner glänzenden Karriere und seiner Persönlichkeit wurde er schließlich als „Haupt des Senats“ angesehen (caput senatus).[4] Er besaß auch einen Dauersitzplatz im Kolosseum[5] und führte in Rom Baumaßnahmen durch. Während des sogenannten laurentianischen Schismas unterstützte er 498 Papst Symmachus.

Symmachus war der Schwiegervater des Boethius und galt als einer der gebildetsten Römer seiner Zeit. Er war berühmt für seinen Reichtum, seine Redekunst, seine offenbar sehr große Bibliothek und sein Mäzenatentum.[6] Er bemühte sich um die Pflege der antiken römischen Kultur und wurde als neuer Cato gefeiert, der aber durch seinen christlichen Glauben diesen noch übertreffen würde.[7]

Unter Odoaker (der 476 das Kaisertum in Italien beseitigt hatte) und während der nachfolgenden ostgotischen Herrschaft, hatte er offenbar ein entspanntes Verhältnis zu den germanischen Herren Italiens gepflegt und Karriere gemacht. Er wurde jedoch aufgrund des Vorwurfs des Hochverrats im Jahr 525 oder 526 hingerichtet. Symmachus wurde ein Opfer der wachsenden Spannungen am Königshof Theoderichs zwischen der pro-gotischen Hofpartei und der alten senatorischen Elite, die oft noch gute Beziehungen zum oströmischen Kaiserhof pflegte, bzw. dem angespannten Verhältnis zwischen Ravenna und Konstantinopel seit 519. Symmachus teilte so das Schicksal seines Schwiegersohns Boethius, der sich durch sein ungeschicktes Verhalten im Rahmen einer vom königlichen referendarius Cyprianus erhobenen Anklage gegen den angesehenen Senator Flavius Albinus iunior angreifbar gemacht hatte. Boethius wurde als magister officiorum Theoderichs abgesetzt und schließlich aufgrund eines angeblichen Hochverrats 524/26 hingerichtet.[8]

Literarische Tätigkeit

Der gebildete Symmachus unterzog nicht nur den Kommentar des Macrobius zum Traum des Scipio zusammen mit einem Nachfahren des Macrobius einer Textrevision, er selbst war zudem einer der letzten lateinischen Geschichtsschreiber in antiker Tradition. Die von Symmachus kurz vor seinem Tod verfasste, eventuell christlich akzentuierte[9] Historia Romana (Römische Geschichte) in sieben Büchern ist heute zwar vollständig verloren, diente aber offenbar als eine der Vorlagen der Werke des Jordanes.[10] In den Getica des Jordanes zitiert dieser zumindest an einer Stelle ausdrücklich das Geschichtswerk des Symmachus.[11] Demnach schrieb wiederum Symmachus Partien der (in der Forschung sehr umstrittenen) Historia Augusta nach, allerdings anscheinend mit christlichen Zusätzen: Das Ende des Maximinus Thrax brachte Symmachus wie Orosius mit dessen Gegnerschaft zu den Christen in Verbindung. Man wird die Qualität des Geschichtsschreibers Symmachus wohl nicht allzu hoch veranschlagen können.

Wilhelm Enßlin schlug vor, dass sich Jordanes in seinem anderen Geschichtswerk (das ebenfalls als Historia Romana bezeichnet wird) durchaus noch stärker auf Symmachus gestützt habe.[12] Lieve Van Hoof und Peter Van Nuffelen äußern sich hingegen wie mehrere andere moderne Forscher sehr viel skeptischer und lehnen einen solchen „Maximalentwurf“ ab.[13] Beide gehen zudem davon aus, dass der Titel des Werks nicht (wie meistens angenommen) Historia Romana, sondern nur Historia gewesen ist.[14]

Editionen/Übersetzungen

  • Eintrag in Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris (CHAP).
  • Lieve Van Hoof, Peter Van Nuffelen (Hrsg./Übers.): The Fragmentary Latin Histories of Late Antiquity (AD 300–620). Edition, Translation and Commentary. Cambridge University Press, Cambridge 2020, S. 146ff.

Literatur

Übersichtsdarstellungen in Handbüchern

  • Maijastina Kahlos: Symmachus (Q. Aurelius Memmius). In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques. Band 6, CNRS Éditions, Paris 2016, ISBN 978-2-271-08989-2, S. 637–639
  • John Robert Martindale: Quintus Aurelius Memmius Symmachus. In: The Prosopography of the Later Roman Empire (PLRE). Band 2, Cambridge University Press, Cambridge 1980, ISBN 0-521-20159-4, S. 1044–1046.
  • Martin Schanz, Carl Hosius, Gustav Krüger: Geschichte der römischen Literatur. Bd. 4,2. Beck, München 1920, S. 83f.
  • Otto Seeck: Symmachos 30. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band IV A,1, Stuttgart 1931, Sp. 1160.

Untersuchungen

  • Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford University Press, Oxford u. a. 2011, ISBN 978-0-19-974727-6.
  • Wilhelm Enßlin: Des Symmachus Historia Romana als Quelle für Jordanes. München 1949 (PDF).
  • Wilhelm Enßlin: Theoderich der Große. 2. Auflage, München 1959.
  • Giovanni Polara: Memmio Simmaco e il teatro. In: Paulo Farmhouse Alberto, David Paniagua (Hrsg.): Ways of Approaching Knowledge in Late Antiquity and the Early Middle Ages. Schools and Scholarship (= Studia classica et mediaevalia, Bd. 8). Traugott Bautz, Nordhausen 2012, ISBN 9783883097886, S. 158–176.
  • Giuseppe Zecchini: Ende und Erbe der lateinisch-heidnischen Geschichtsschreibung. In: Andreas Goltz u. a. (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Beiträge zur spätantiken und frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung. Berlin u. a. 2009, S. 91–105.
  • Giuseppe Zecchini: Ricerche di storiografia latina tardoantica. L'erma di Bretschneider, Rom 1993, S. 51ff.

Weblinks

Wikisource: Quintus Aurelius Memmius Symmachus – Quellen und Volltexte

Anmerkungen

  1. Eintrag in Clavis Historicorum Antiquitatis Posterioris (CHAP).
  2. Text bei Hermann Usener: Anecdoton Holderi. Bonn 1877, S. 3f. Das christliche Bekenntnis wird in der Forschung in der Regel nicht in Frage gestellt, vgl. etwa Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford u. a. 2011, S. 482; Giuseppe Zecchini: Ende und Erbe der lateinisch-heidnischen Geschichtsschreibung. In: Andreas Goltz u. a. (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Beiträge zur spätantiken und frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung. Berlin u. a. 2009, S. 91–105, hier S. 91.
  3. Zur Ämterlaufbahn vgl. John Robert Martindale, John Morris: The Prosopography of the Later Roman Empire. Band 2, Cambridge 1980, S. 1045.
  4. Anonymus Valesianus II 92.
  5. CIL VI, 32162
  6. Vgl. John Robert Martindale, John Morris: The Prosopography of the Later Roman Empire. Band 2, Cambridge 1980, S. 1046. Zum kulturellen römischen Umfeld vgl. speziell Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford u. a. 2011.
  7. Hermann Usener: Anecdoton Holderi. Bonn 1877, S. 4: Symmachus [...] qui antiqui Catonis fuit novellus imitator, sed virtutes veterum sanctissima religione transcendit. Vgl. zu dieser Stelle auch Alan Cameron: The Last Pagans of Rome. Oxford u. a. 2011, S. 203.
  8. Vgl. dazu Frank M. Ausbüttel: Theoderich der Große. 2. Auflage. Darmstadt 2012, S. 133ff.; John Moorhead: Theoderic in Italy. Oxford 1992, S. 219ff.; Christoph Schäfer: Der weströmische Senat als Träger antiker Kontinuität unter den Ostgotenkönigen (490–540 n. Chr.). St. Katharinen 1991, S. 240ff.
  9. Bruno Luiselli: Note sulla perduta Historia Romana di Q. Aurelio Memmio Simmaco. In: Studi Urbinati 49 (1975), S. 529–535.
  10. Zusammenfassend siehe etwa Giuseppe Zecchini: Ricerche di storiografia latina tardoantica. Rom 1993, S. 62–64.
  11. Jordanes, Getica 15, 83ff.
  12. Versuch einer Rekonstruktion bei Wilhelm Enßlin: Des Symmachus Historia Romana als Quelle für Jordanes. München 1949. Enßlins These (die er später teils revidierte) wurde in der neueren Forschung etwa von Brian Croke widersprochen, doch kommen manche Forscher inzwischen zu einem ähnlichen Ergebnis, vgl. Giuseppe Zecchini: Ende und Erbe der lateinisch-heidnischen Geschichtsschreibung. In: Andreas Goltz u. a. (Hrsg.): Jenseits der Grenzen. Beiträge zur spätantiken und frühmittelalterlichen Geschichtsschreibung. Berlin u. a. 2009, S. 91–105, hier S. 92f.
  13. Lieve Van Hoof, Peter Van Nuffelen (Hrsg./Übers.): The Fragmentary Latin Histories of Late Antiquity (AD 300–620). Edition, Translation and Commentary. Cambridge 2020, S. 148 ff.
  14. Lieve Van Hoof, Peter Van Nuffelen (Hrsg./Übers.): The Fragmentary Latin Histories of Late Antiquity (AD 300–620). Edition, Translation and Commentary. Cambridge 2020, S. 155.

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