Nuxalk

Verbreitung der Salish-Sprachen

Die Nuxalk bzw. Nuxálk (das x steht für einen Ach-Laut; früher Bella Coola, Bellacoola, Bellakula oder Bilchula genannt) sind amerikanische Ureinwohner aus der Sprachfamilie der Salish. Sie leben an den Ufern des Bella Coola River in British Columbia, in einem bis 1906 bzw. 1955 isolierten Fischerdorf. Heute steht ihr Dorf Q'umk'uts' nahe der Stadt Bella Coola. Kulturell gehören sie den Küsten-Salish an. Die Mehrheit ist heute Teil der Nuxalk Nation und eine Minderheit Teil der Ulkatcho First Nation (zusammen mit Tsilhqot'in und Dakelh), sie werden von den Stammesräten des Wuikinuxv-Kitasoo-Nuxalk Tribal Council und des Carrier-Chilcotin Tribal Council vertreten.

Die früher auch in der Fachliteratur übliche Bezeichnung als „Bella Coola“ ist eine Verballhornung von Bḷ́xvḷá / Bḷ́xʷlá der benachbarten Wakashan-sprachigen Heiltsuk für die Nuxalk-Stämme mit der Bedeutung „Fremder, Feind“. Die Nuxalk bezeichnen sich heute als Nuxalkmc („Volk im Bella Coola River Valley“) und ihre Sprache als ItNuxalkmc und diese werden vermehrt auch im Englischen vor Ort genutzt.

Da die Nuxalk als Salish-Volk von allen Seiten von meist Wakashan-sprachigen Völkern – den Heiltsuk (Haíɫzaqv) und Oowekyala (’Wuik̓ala) – sowie Nördliches Athapaskisch-sprachigen Völkern – den Tsilhqot'in und Dakelh – umgeben waren, etablierten die Nuxalk-Siedlungen im Grenzgebiet zu diesen Völkern mittels Handel und Eheschließungen familiäre Bindungen, auf die in Zeiten von Krieg oder Hunger zurückgegriffen werden konnte. Viele Nuxalk waren daher zweisprachig bzw. sprachen zur Verständigung mit benachbarten Völkern und Europäern Chinook Wawa,

Ursprünglich umfasste der Name den Stamm gleichen Namens, aber auch die Talio, Kimsquit und einige Kwatna, die in Dörfern am South und North Bentinck Arm und im Bella-Coola-Tal lebten, aber auch am Dean Channel und am Kwatna Inlet. Bis zu den 1920er Jahren hatten diese Stämme jedoch ihre Dörfer aufgegeben und amalgamierten mit den Nuxalk.

Die „Nuxalk Nation“ zählt heute (Stand: Juli 2021) 1.775 Stammesmitglieder von denen 911 in den Reservaten leben, jedoch sprechen nur noch ca. 17 Nuxalkmc ihre Sprache als Muttersprache.

Geschichte

Maske der Nuxalk, 19. Jahrhundert

Die Gesellschaft gliederte sich, wie bei allen Küsten-Salish, in drei Klassen: den gleichsam eine adlige Oberschicht bildenden Familien die jeweils für die Lineages (Familiengruppen) den Erbhäuptling (Staltmc) stellten, die einfachen Stammesmitglieder und den Sklaven (Snaax). Die bemalten Häuser gehörten dabei den Familien mit dem höchsten Rang. Die Nuxalk waren in mehrere nach Hauptsiedlungen benannten Siedlungsgruppen unterteilt, die wiederum aus mehreren kleineren Dörfern bestanden, die jeweils durch die herrschende Lineage einer Familie geführt wurde, die den Erbhäuptling stellte. Laut Überlieferung führten diese Lineages sich auf gemeinsame mythische Urahnen zurück, die jeweils von einem der umgebenden Berggipfel abstammten und von diesen herabgestiegen waren, um – ausgestattet mit Werkzeugen und zeremoniellem Wissen (Titel, Lieder, Tänze, Totempfähle, Masken) – eine Siedlung zu begründen. Ehebande verknüpften die Lineages und die Dörfer miteinander, wobei der Wohnort meistens in der väterlichen Familie gewählt wurde. Jedoch war dies nicht zwingend. Die großen Plankenhäuser[1] beherbergten bis zu sechs Familien.

  • die Sutslhmc mit der Hauptsiedlung „Suts'lhm (Kimsquit)“ entlang des Kimsquit River (Satskw').
  • die Nutl'lmc mit der Hauptsiedlung „Nutl'l“ vom Dean River bis zu dessen Oberlauf.
  • die Talyumc mit der Hauptsiedlung „Talyu(u) (Tallheo)“ vom South Bentinck Arm (Ats'aaxlh) mit Siedlungen entlang des Nuwikw, Talyu und Asiiqw Rivers.
  • die Kw'alhnamc mit der Hauptsiedlung „Kw'alhna (Kwatna)“ und Kwatna Inlet.
  • die Istamc von King Island (Ista)
  • die Nuxalk-mc mit der Hauptsiedlung „Q'umk'uts'“ (nahe der heutigen Stadt Bella Coola an der Mündung des gleichnamigen Flusses) entlang des Bella Coola River (Nuxalk) mit weiteren ca. 25 Siedlungen entlang der Atnarko und Talchako Rivers.

Die Zeremonien des Stammes waren, selbst für die Verhältnisse der Küsten-Salish, sehr komplex. Beherrschende Elemente waren der Potlatch und zwei Geheimgesellschaften, die Sisaok und die Kusiut. Nur die Kinder von Häuptlingen und bestimmte Verwandte konnten Mitglied werden, jedoch erst nach einem Einweihungsritual. Dazu gehörte der Rückzug aus der Gemeinschaft und die Präsentation einer maskierten Figur bei der Rückkehr, die die neue Stellung des Mitglieds darstellte. Die Mitglieder der beiden Gesellschaften traten überwiegend bei Potlatches und Beerdigungen auf.

Dabei dominierten die Kusiut die Winterzeremonien, wobei jede(r) von ihnen einen Namen erhielt und einen übernatürlichen Schutzherrn, dessen Tanz er aufführte.

Die Nuxalk lebten überwiegend vom Lachsfang, aber auch vom Kerzenfisch (Eulachon oder Ooligan). Lachs wurde dabei getrocknet und diente als Handelsgut, ebenso wie der verarbeitete Kerzenfisch.

Europäer

Inschrift Alexander Mackenzies

1793 berührte George Vancouver die Gewässer der Nuxalk. Wenige Wochen später erreichte eine Expedition Alexander Mackenzies das Gebiet, die unter großem Aufwand empfangen und sehr freigebig behandelt wurde. In Nusqalst („großes Dorf“) fand er vier große Plankenhäuser auf Hügeln vor, dazu sieben kleinere. Auch erreichte er Q’umk’uts, wo Mackenzie und seine neun Begleiter zunächst zahlreiche kleine Häuser passierten, und wo sie schließlich auf sechs sehr große Häuser trafen. Sie wurden von nur vier Männern, wohl Häuptlingen, und ihren Familien bewohnt. Schließlich hielt Mackenzie auf einem Felsen an der Pazifikküste durch eine Inschrift fest, dass er am 22. Juli 1793 (eigentlich schon am Vortag) diese Küste erreicht hatte.[2]

Das Handelsgebiet der Nuxalk war sehr weitläufig, und Mackenzie wunderte sich, wie einer der Häuptlinge zu einem Blechknopf gekommen war. Sie lieferten bereits zu dieser Zeit Pelze an die Heiltsuk, die wiederum mit den europäischen Pelzhändlern Kontakt aufnahmen. Umschlagplatz war dort seit den 1830er Jahren die Handelsstation der Hudson’s Bay Company in Bella Bella, Fort McLoughlin, das auf Campbell Island lag.

Mit dem Cariboo-Goldrausch kamen Anfang der 1860er Jahre tausende von Goldschürfern nach Bella Coola. 1862 grassierte eine schwere Pockenepidemie, die wohl mehr als drei Viertel der Bevölkerung das Leben kostete. Die Überlebenden gaben ihre Dörfer überwiegend auf und wohnten nach 1863 in Q'um'kuts.

Dort errichtete die Hudson’s Bay Company 1867 einen Posten, zunächst auf einem Boot, dann beim Dorf. Doch gab die Gesellschaft den Posten 1882 wieder auf und verkaufte ihn an John Clayton, dessen Familie ihn bis ins 20. Jahrhundert hinein fortführte. Doch dominierte nicht mehr der Pelzhandel, sondern die Ausfuhr von Kartoffeln, von Korbwaren und Schnitzwerken. Die Schnitzwerke der Nordwestküste, besonders die Totempfähle, wurden binnen weniger Jahre weltberühmt und zu begehrten Sammelobjekten.

Dennoch versuchte die kanadische Regierung, die Kulturen der Indianer auszulöschen. Die Kinder von Bella Coola mussten, wie alle Kinder der Ureinwohner, in eine Residential School gehen, wo sie ihre Muttersprache nicht mehr benutzen durften. Rituale wurden streng verboten und bei einer Gelegenheit erschien sogar ein Kanonenboot vor dem Dorf, um die Verbote vor allem des Potlatch (1884) gewaltsam durchzusetzen.

Am 30. Oktober 1894 kamen 79 namentlich bekannte Norweger nach Bella Coola.[3] Bis dahin lebten nur 8 Nichtindigene unter den Nuxalk. Reverend Christian Saugstad hatte die 74 Menschen aus Crookston, Minnesota hierher geführt, vertrieben durch religiöse Auseinandersetzungen innerhalb der Lutherischen Kirche, angezogen durch die vorteilhaften Beschreibungen des norwegischen Völkerkundlers B. F. Jacobsen und der ebenso günstigen Ansiedlungsbedingungen, die die Provinzregierung bot. Ihm schlossen sich fünf weitere Norweger aus Seattle an. Dieser Gruppe folgten im nächsten Jahr weitere 98 Kolonisten, wobei jeder der Siedler 160 Acre Land erhielt, worauf ein Haus zu erbauen war. Es entstand eine Poststation in Kristiania (später nach dem Inhaber Hagensborg genannt) und eine Schule.

1904 entschlossen sich die Siedler, ihren Hauptort auf die Nordseite des Flusses zu verlagern, eine Entscheidung, der sich die Nuxalk überwiegend anschlossen. Der neue Ort war einfacher per Schiff zu erreichen. Es folgten Brückenbauten und bis in die 30er Jahre prosperierte der Ort. Doch starke Überschwemmungen zwangen die Siedler, wieder auf den alten Siedlungsort an der Südseite zurückzugreifen und die neue Stadt aufzugeben.

Union Steamships bot von 1906 bis Mitte der 1950er Jahre eine wöchentliche Verbindung von Vancouver nach Bella Coola an. Über Land gab es von hier bis zum Chilcotin-Gebiet nur Trails, wo sich Pack-Trails durch die wilde Landschaft schlängelten. Dennoch wäre die Region ohne den Ersten Weltkrieg wohl völlig anders entwickelt worden. 1912 gab es einen regelrechten Landboom im nordostwärts gelegenen Ootsa Lake District. Die Pacific and Hudson's Bay Railway betrachtete die Region als einen möglichen Endpunkt für ihre transkontinentale Eisenbahnverbindung. Doch der Erste Weltkrieg und danach der Niedergang der nordamerikanischen Eisenbahnen beendeten das Projekt.

Selbst ein Straßenbau scheiterte in den 30er Jahren an den enormen Kosten. Während des Zweiten Weltkriegs sollte die Expedition Polar Bear eine Straße zum Anahim Lake bauen, doch wurde auch dieses Projekt abgebrochen.

1952 bis 1955 bauten die Bewohner von Bella Coola eine Freedom Road genannte Straße, zu der die Regierung ganze 50.000 CAD beisteuerte. Damit hatte Kanada eine dritte Verbindung zum Pazifik durch das Küstengebirge.[4]

Gleichzeitig schlug die Holzindustrie gewaltige Lücken in das riesige Urwaldgebiet. Dieser Prozess hatte bereits um 1900 eingesetzt, verstärkte sich aber in den 40er Jahren. Zudem entstanden Fischfabriken und -farmen, die selbst die enormen Fischbestände der Region überforderten.

Reservate

Die Nuxalk Nation besitzt 7 Reservate. Das mit Abstand größte ist Bella Coola 1 mit 1355,5 ha, das an der Mündung des gleichnamigen Flusses liegt. Nooseseck 2 (5,3 ha) liegt an der Mündung des gleichnamigen Flusses in die Green Bay, am North Bentinck Arm des Burke Channel. Taleomey 3 (202,3 ha) bezieht seinen Namen ebenfalls von einem Fluss, liegt aber am South Bentinck Arm. Kwatlena 4 (53 ha) liegt am Kwatna River in der Kwatna-Bucht, Kemsquit 1 (203,2 ha) liegt dagegen an der Mündung des Dean River, Chatscah 2 (173,2 ha) an der Mündung des Kimsquit River am Nordende des Dean-Kanals, wo auch Skokwiltz River 3 (32,4 ha) liegt.

1996 gab es 1.185 registrierte Nuxalk, davon lebten 706 im Reservat. Etwa 200 sprachen 1998 noch ihre Muttersprache. Zwischen August 2008 und März 2010 stieg die Zahl der anerkannten Nuxalk von 1.484 auf 1.533. Von ihnen lebten nunmehr 837 (2008 waren es 791) im Reservat, 33 (27) in anderen Reservaten und 663 (666) außerhalb.[5]

Aktuelle Situation

Totempfahl der Nuxalk in Hamburg. Er wurde im Jahr 2000 Greenpeace als Dank für die Unterstützung beim Erhalt des Regenwalds geschenkt.

Die Bevölkerungszahl hat sich von den Katastrophen des 19. Jahrhunderts erholt, doch dominieren die Nachkommen der Siedler das Gebiet. Die Nuxalk leben heute in einem eigenen Dorf, doch sind ihre Strukturen nicht mehr vom Ort Bella Coola zu trennen.

Der Stamm versucht, die vorhandenen Traditionen zu pflegen und – so weit möglich – verlorene wiederherzustellen. Der erste Erfolg war die Einrichtung der Kii Kii Tii Nursery School in den 70er Jahren. Ein wichtiges Mittel ist die Schule mit dem sprechenden Namen Acwsalcta, was Ort des Lernens bedeutet. Hier werden traditionelle Techniken und Künste, aber auch Gesang, Tänze und die Sprache der Nuxalk unterrichtet. Anlass zur Gründung waren 1982 große Probleme, die so weit führten, dass 38 Familien ihre Kinder aus der Schule nahmen. 1987 eröffnete die neue Schule ihre Pforten. Am 17. Mai 2007 feierte die Schule ihr zwanzigjähriges Bestehen, wobei ein neuer Totempfahl aufgestellt wurde.[6]

Literatur

  • T.F. McIlwraith: The Bella Coola Indians, 2 Bde., überarbeitete Auflage 1992.
  • Clayton Mack: Bella Coola Man: More Stories of Clayton Mack, 1994.
  • Eric Faa: Norwegians in the Northwest 1858-1918, Runestad Press 1995.
  • Thomas Forsyth McIlwraith: The Bella Coola Indians, University of Toronto Press 1948.
  • Paula Wild: One River, Two Cultures: A History of the Bella Coola Valley, Harbour Publishing 2004.
  • Jennifer Kramer: Switchbacks: Art, Ownership, and Nuxalk National Identity, Univ. of British Columbia, Vancouver 2006.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Nuxálk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Im Royal British Columbia Museum von Victoria befindet sich ein Foto, das Nuxalk vor einem Langhaus abbildet: Entstehungszeit ca. 1894, unbekannter Fotograf, Katalognr. HP066361@1@2Vorlage:Toter Link/www.bcarchives.gov.bc.ca (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. .
  2. Eine Abbildung von diesem Mackenzie Rock mit der Inschrift „Alex Mackenzie from Canada by land 22o July 1793“ findet sich hier: [1].
  3. Quellen zur norwegischen Kolonie: [2].
  4. Das Bella Coola Valley Museum hat eine Ausstellung ins Internet gestellt: Freedom Road
  5. Nach den Angaben des Department of Indian Affairs and Northern Development, First Nation Profiles: Nuxalk Nation (Memento vom 10. April 2016 im Internet Archive).
  6. Ein Video der Feierlichkeiten findet sich auf YouTube: [3].

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