Noreia (Göttin)

Noreia galt früher als das Epitheton einer vorrömischen, möglicherweise keltischen Muttergöttin, bekannt aus Weiheinschriften der römischen Kaiserzeit. Da eine Etymologie des Namens noch nicht gelungen ist, wurde sogar eine vorkeltisch/illyrische Gottheit angenommen.[1] Da unter den Verehrern der Noreia keine Privatpersonen und keine einheimischen Noriker nachzuweisen sind, dürfte Noreia eher eine römische Neuschöpfung sein.[2]

Weiheinschrift für Isis Noreia, Kirchenportal Ulrichsberg

Weiheinschriften

Moderne Spekulation zum Aussehen eines Heiligen Hains der Noreia in der Keltenwelt Frög

Kelten und Briten bezeichneten heilige Haine als nemeton, was allgemein einen heiliger Ort bedeutet.[3][4] Sie sind durch Inschriften und Ortsnamen überliefert.[5] In der römischen Provinz Noricum, im Raum des heutigen Kärntens, der Steiermark und Sloweniens sind zahlreiche Weiheinschriften für Noreia gefunden worden.

  • CIL III, 4806 Hohenstein: Noreiae / Aug(ustae) sacr(um) / Q(uintus) Fabius / Modestus / domo Roma / dec(urio) al(ae) I Aug(ustae) / Thracum / phialam / argent(eam) p(ondo) II |(quadrantem) / embl(emata) Noreiae / aurea / uncias duas / d(onum) d(edit)
  • CIL III, 4809 Hohenstein: Isidi Norei(ae) / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito) / pro salute / Q(uinti) Septuei / Clementis / con(ductoris) fer(rariarum) N(oricarum) P(annoniarum) D(almatarum) / et Ti(beri) Cl(audi) Heraclae / et Cn(aei) Octa(vi) Secundi / pro(curatorum) fer(rariarum) Q(uintus) Septueius / Valens pro(curator) ferr(ariarum)
  • CIL III, 4810 Ulrichsberg: Noreiae Isidi fecit / A(ulus) Trebonius [3] / proc(urator)
  • CIL III, 5123 Trojane (Atrans): Norei(a)e / August(ae) et / Honori / stat(ionis) Atrant(inae) / Bellicus et / Eutyches / |(contra)sc(riptores) stat(ionis) / eiusdem / ex voto
  • CIL III, 5188 Celje (Celeia): I(ovi) O(ptimo) M(aximo) et Cel(eiae) / et Noreiae / Sanct(a)e Rufi(us) / Senilis b(ene)f(iciarius) co(n)s(ularis) / pro se et suis / v(otum) s(olvit) l(ibens) m(erito)
  • CIL III, 5193 Celje (Celeia): Marti / Herculi / Victori/ae / Noreiae
  • CIL III, 5300 Črešnjevec: [Victoriae(?)] / [A]ug(ustae?) e[t] / [N]oreiae Re[g(inae)] / [e]t Britan(n)ia[e] / [pr]ovi(n)c(iae) L(ucius) Sep[t(imius)] / [T]ertinu[s] / [b(ene)f(iciarius?)] l(egionis) II Ita[l(icae)] P(iae) [F(idelis)] / [e]x vot[o pos(uit?)]

Verehrung

Noreias Name wird mit dem keltischen Stamm der Noriker in Verbindung gebracht, in deren Siedlungsgebiet ihre Inschriften gefunden wurden. Das Suffix -eia spricht für einen ursprünglichen Stammes- und/oder Siedlungsnamen und nicht für einen Götternamen.[6] Frühestens unter Vespasian wurde Noreia, wohl als politische Loyalitätsadresse, mit Isis in Verbindung gebracht – später wurde von der Eisengrubenverwaltung diese Gleichsetzung, vielleicht wegen der besonderen Funktion der Isis als Schutzgöttin des Bergbaues, übernommen. Sie wurde von den Römern offiziell verehrt. Dass sie eine rein keltische Gottheit sei, die nur „von den Römern“ mit der ägyptischen Göttin Isis gleichgesetzt wurde[7], ist eine nicht haltbare These. In der römischen Zeit wurde „Isis-Noreia“ angeblich als Herrin des Schicksals, des Lebensglücks, der Fruchtbarkeit, des Bergsegens und der heilenden Kraft insbesondere des Wassers angesehen.[8]

Heiligtümer sind in Hohenstein im Glantal und auf dem Ulrichsberg durch Inschriften bezeugt.[1] Mit Noreia wurden zwei Ortschaften im Stadtbereich von Virunum bezeichnet (eine 27 Meilen entfernt, die andere 40 Meilen). Aus diesen Bereichen finden sich auch Inschriften über diese Göttin. Dass Noreia eine „gemeinnorische Göttin“ sei, basiert auf der Behauptung, dass „bei den Grabungen im Salzburger Dom als Spolie ein Altar gefunden wurde, der der Isis Noreia geweiht war“[9]. Ein derartiges Denkmal ist jedoch in den Datenbanken, Inschriftenwerken, Museumsberichten, Grabungs- und Fundberichten nicht bekannt – abgesehen davon, dass beim Salzburger Dom nachweislich aus kilometerweit entfernten Orten Spolien-Steine antransportiert wurden. Wieso weiters von Salzburg auf „gemeinnorisch“ geschlossen werden kann, ist ebenso nicht nachvollziehbar. Auch Kybele-Statuen (siehe auch Sirona), wie z. B. jene der sog. „Kuhdirn“ von Wutschein (Gemeinde Magdalensberg, Kärnten) wurden bereits ohne Belege mit Noreia gleichgesetzt.

Seit dem Fund eines kleinen und vielfältig interpretierbaren Inschriftenfragments bei Ausgrabungen in den 1950er Jahren gab es die Theorie, dass sich am Steirischen Frauenberg (ehemalige Gemeinde Seggauberg) ein Heiligtum der Isis Noreia befunden hätte. Als Folge neuerer Forschungen gilt diese Überlegung mittlerweile als überholt.[10]

Siehe auch

Literatur

  • Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. 2. korrigierte und erweiterte Auflage. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, ISBN 3-7001-2609-3.
  • Gabriele Russwurm-Biro: Dehio Kärnten. Dritte, erweiterte und verbesserte Auflage 2001, Verlag Anton Schroll & Co, Wien 2001, ISBN 3-7031-0712-X, S. 310.
  • Franz Glaser: Das verlorene Weihegeschenk der Göttin Noreia. In: Fremde Zeiten. Festschrift Jürgen Borchhardt. Wien 1996, 275ff.
  • Bernhard Maier: Lexikon der keltischen Religion und Kultur (= Kröners Taschenausgabe. Band 466). Kröner, Stuttgart 1994, ISBN 3-520-46601-5.
  • Marjeta Šašel Kos: Pre-Roman Divinities of the Eastern Alps and Adriatic. Narodni Muzej Slovenije, Ljubljana 1999, ISBN 961-6169-11-4, S. 33–39.

Weblinks

Commons: Noreia – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Bernhard Maier: Lexikon der keltischen Religion und Kultur. S. 252.
  2. Kulte in Noricum, am Beispiel des Heiligtums der Noreia in Hohenstein. In: www2.rgzm.de. Abgerufen am 2. März 2004.
  3. Richard Dunn: Four possible “nemeton” place-names in the Bristol and Bath area. In: Landscape History Band 27, Nr. 1, S. 17–30, hier S. 17 (englisch; doi:10.1080/01433768.2005.10594569; unter Berufung auf Rivet und Smith 1979: The Place-Names of Roman Britain).
  4. James MacKillop: A dictionary of Celtic mythology. Oxford University Press, Oxford 2004, ISBN 978-0-19-172655-2, S. ?? (englisch).
  5. R. Flasche; Wald und Baum in den Religionen. In: Forstwirtschaftliches Centralblatt Band 113, 1994, S. 5.
  6. Patricia De Bernardo-Stempel: Zu den keltisch benannten Stämmen im Umfeld des oberen Donauraums S. 92.
  7. Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. S. 348.
  8. Behauptung ohne Quellenanalyse bei Helmut Birkhan: Kelten. Versuch einer Gesamtdarstellung ihrer Kultur. S. 485 f.
  9. Kelten und Römer - Dort wird der Eindruck erweckt, dass Hermann Vetters der Autor sei. Er hat mit diesen Falschaussagen jedoch nichts zu tun, die auf eine Person im Vereinsvorstand zurückgeht, die mit „Asta“ zeichnet und auch auf www.artedea.net schreibt. In: religionen.at. Abgerufen am 2. Mai 2003.
  10. Bernhard Schrettle: Das Heiligtum Frauenberg. Vom latènezeitlichen Zentralort zum kaiserzeitlichen Tempelberg. In: Zentralort und Tempelberg. Siedlungs- und Kultentwicklung am Frauenberg bei Leibnitz im Vergleich = Studien zur Archäologie der Steiermark. Band 1. Phoibos, Wien 2016, ISBN 978-3-85161-163-2, S. 192 f.

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