Lacnunga
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Lacnunga (altenglisch für „Heilmittel“) ist eine Sammlung verschiedener altenglischer Texte, die Anweisungen zu Heilmethoden geben, von denen viele auf Zaubersprüche und Segen zurückgreifen.
Einordnung
Lacnunga ist einer von mehreren medizinischen Texten der altenglischen Periode. Er wurde wahrscheinlich im 11. Jahrhundert in Südwestengland aufgeschrieben. Der Name wurde ihm allerdings erst im 19. Jahrhundert durch Oswald Cockayne gegeben. Der Text ist im Manuskript British Library Harley 585[1] enthalten. Die Anleitungen, unter welchen Umständen die Zaubersprüche und Segen anzuwenden sind, sind in Prosa gehalten, die Sprüche selbst in Gedichtform.
Inhalt
Während andere Werke der altenglischen Medizinalliteratur (z. B. Bald’s Leechbook) viele rational erklärbare Heilmethoden enthalten, stützt sich Lacnunga vorwiegend auf Weiße Magie als Heilmittel. Eine Ordnung des Inhalts nach dem Prinzip von „a capite ad calcem“ (lat. „vom Kopf bis zur Ferse“) war zwar geplant, wurde aber nicht durchgehalten.[2] So enthält Lacnunga in loser Reihenfolge Sprüche
- zur Fruchtbarmachung kargen Landes
- als Rezept für eine Kräutermischung (Neunkräutersegen)
- gegen einen Zwerg
- gegen Spätgeburt
- gegen die „Wasserelfenkrankheit“
- (Gif mon biþ on wæterælfadle, þonne beoþ him þa hand-
- næglas wonne and þa eagan tearige and wile locian niþer.
- Übersetzung:
- Wenn jemand die Wasserelfenkrankheit hat, dann sind seine Finger-
- nägel bleich und die Augen tränen und er will nach unten schauen.)
- zur Beruhigung eines Bienenschwarms
- gegen Viehdiebstahl
- als Reisesegen und viele andere mehr.
Der längste und bekannteste unter diesen Sprüchen ist der Neunkräutersegen (Nine Herbs Charm).
Rezeption
Lacnunga ist von vergleichsweise geringem medizinischen Wert. Es gewährt aber einen Einblick in den Volksglauben[3] der Angelsachsen – Krankheiten wurden nach ihrer Vorstellung häufig durch Elfen oder Würmer hervorgerufen – und lässt Rückschlüsse darauf zu, was die häufigsten Krankheiten und Beschwerden gewesen sein mögen. Der Zauber Wið færstice (Wider einen plötzlichen Stich) z. B. könnte u. a. als Mittel gegen einen Herzinfarkt verstanden werden. Die letzten Zeilen lauten:
Übersetzung:
|
Außerdem kann eine Vermischung von germanischem heidnischen Glauben, christlichem Einfluss (erkennbar an lateinischen Segen) und griechisch-römischem Aberglauben in Lacnunga untersucht werden.[4]
Möglicherweise hat sich J. R. R. Tolkien, der Professor für Altenglisch war, vom Neunkräutersegen und dem Wið Færstice inspirieren lassen, als er den Roman Der Herr der Ringe schrieb.[5] Im Neunkräutersegen werden neun Heilkräuter neun Krankheiten entgegengestellt, so wie in Tolkiens Roman neun Gefährten gegen neun böse Ringgeister stehen. Im Wið Færstice ist von Reitern auf einem Hügel die Rede, und der plötzliche Schmerz wird auf ein Messer, einen Pfeil oder Speer zurückgeführt, der von Hexen oder Elfen geworfen wird. Schließlich wird das Geschoss entfernt und soll schmelzen. In Der Herr der Ringe wird die Hauptperson Frodo auf einem Hügel von einem Reiter durchbohrt, der ein „Hexenkönig“ genannt wird, und zwar mit einem Messer, dessen in der Wunde zurückgebliebenes Bruchstück später eingeschmolzen wird.[5] Der Segenswunsch „Hal westu“ taucht ebenfalls als „Westu Théoden Hal“ („Werde du, Théoden, heil“) auf.
Fußnoten
- ↑ British Library: Detailed record for Harley 585. Abgerufen am 2. Februar 2015.
- ↑ Siehe Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 6. Mai 2006 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ • Cameron, Malcolm L. “Anglo - Saxon medicine and magic.” Anglo - Saxon England 17 (1988): 191–215.
- ↑ Siehe Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 13. Februar 2006 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ 5,0 5,1 Carol A. Leibiger in der J.R.R. Tolkien Encyclopedia, Hrsg. Michael D.C. Drout. Routledge 2006. Siehe http://cw.routledge.com/ref/tolkien/charms.html
Siehe auch
- Medizingeschichte
- Altenglische Literatur
Quellen (online zugänglich)
Cockayne, T. O., Leechdoms Wortcunning, and Starcraft of Early England Being a Collection of Documents, for the Most Part Never Before Printed Illustrating the History of Science in this Country Before the Norman Conquest, 3 vols., London: Rerum Britannicarum Medii Ævi Scriptores (Rolls Series) 35 i–iii, 1864–6 (reprint 1965) vol. 2. (Digitalisat – Internet Archive)