Kesslerloch
- Seiten mit Skriptfehlern
- Höhle in der Schweiz
- Höhle in Europa
- Geographie (Kanton Schaffhausen)
- Archäologischer Fundplatz in der Schweiz
- Archäologischer Fundplatz in Europa
- Geschichte (Kanton Schaffhausen)
- Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler von nationaler Bedeutung
- Kulturgut von nationaler Bedeutung im Kanton Schaffhausen
- Thayngen
- Magdalénien
- Jenische
Das Kesslerloch ist eine in prähistorischer Zeit aufgesuchte Höhle bei Thayngen im Kanton Schaffhausen in der Schweiz. Sie liegt im Herblingertal am Südostfuss der Reiat-Hochebene. Die Höhle ist ca. 200 m² gross und wird durch eine Steinsäule unterteilt. Vermutlich benutzten Rentierjäger vor 15'000 bis 11'000 Jahren v. Chr. (Jungpaläolithikum, Magdalénienkultur) die Höhle als Schutzort während der Sommermonate. Die Lage in einem Engtal war zudem günstig für eine Jagdstation, ähnlich etwa der Lage des Petersfels.
Die Höhle wurde mit dem Waldgrundstück und dem umliegenden Wiesland 1902 unter staatlichen Schutz gestellt.
Grabungsarbeiten
Am 4. Dezember 1873 grub der Reallehrer Konrad Merk zusammen mit seinem Kollegen D. Wepf und zwei Schülern ein erstes Mal im Kesslerloch.[1] Ein Jahr später nahm er die ersten Grabungen vor. Die Ergebnisse wurden 1875 in den Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft Zürich (Band XIX, Heft 1) publiziert. Jakob Nüesch, der 1894 die Höhle von Schweizersbild entdeckte, nahm 1893, 1898 und 1899 weitere Grabungen vor, 1902 und 1903 grub Jakob Heierli nach weiteren Funden. Die letzte Bohrung erfolgte 1980.
Die ersten Funde wurden kaum systematisch erfasst; manche wurden unter den Ausgräbern getauscht oder verkauft. Die Funde der ersten Ausgrabung erwarb Ludwig Leiner 1875 für das von ihm gegründete Rosgartenmuseum in Konstanz, weshalb das «Suchende Rentier» auch dort ausgestellt ist.
Zwei Ritzzeichnungen eines Fuchses und eines Bären stellten sich als Fälschungen heraus: Der Hilfsgräber Martin Stamm hatte 1875 seinen Neffen Konrad Bollinger damit beauftragt, die Tiere nach einer Vorlage aus dem Buch Die Thiergärten und Menagerien mit ihren Insassen in einen Knochen zu ritzen.[2]
Fundstücke
Bei den Grabungen wurden Knochen von 53 verschiedenen Tierarten wie Mammut, Rentier, Wollnashorn, Steinbock und Gämse gefunden. Knochen von Menschen wurden nicht entdeckt. Auch Steingeräte aus lokalem Silex und rund 200 Geschossspitzen wurden gefunden sowie Werkzeuge und Geräte aus Geweihen, Knochen und Elfenbein. Ein 1874 in der Höhle gefundener Schädel eines Haushundes wird mittlerweile auf ein Alter von 14'100 bis 14'600 Jahren datiert. Er ist damit einer der ältesten Nachweise für die Domestizierung des Wolfs in Mitteleuropa.
Berühmt wurde das Kesslerloch durch die Funde von Kleinkunst wie Anhängern und Lochstäben. Da viele Forscher den Menschen der Steinzeit noch keine Kunst zutrauten, galten die ersten künstlerische gestalteten Funde als Sensation. Besonders bekannt ist die Ritzzeichnung des sogenannten «Suchenden Rentiers» (früher «Weidendes Rentier» genannt) auf einem Stück Rentiergeweih, wohl einem Bruchstück eines Lochstabs.[3] Entdeckt hatte es der Geologe Albert Heim im Beisein von Jakob Messikommer am 4. Januar 1874. Zudem wurden Schmuckstücke aus Muscheln, Tierzähnen, Schnecken und Pechkohle gefunden.
Ausstellungen
Fundstücke aus dem Kesslerloch sind im Museum zu Allerheiligen in Schaffhausen ausgestellt. Das Diorama des Kesslerlochs aus dem Jahr wurde 1939 vom Museumstechniker Hans Wanner in Zusammenarbeit mit dem deutschen Bühnenbildner Juri Richter entwickelt. Obwohl es nicht mehr den neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen entspricht, war es ein Meilenstein in der Gestaltung von Museen.
Der Lochstab mit dem «Suchenden Rentier» ist im Besitz des Rosgartenmuseums in Konstanz. Ausgestellt ist eine Kopie, das Original wird in einem Safe aufbewahrt. Weitere Kopien davon sind im Museum Allerheiligen und im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich, wo auch weitere Fundstücke ausgestellt sind.
Suchendes Ren (Kopie aus dem Landesmuseum Zürich)
Namensherkunft
Ihren Namen verdankt die Höhle den Jenischen (in der Ostschweiz früher Kessler genannt), die in der frühen Neuzeit in umliegenden Gemeinden Töpfe und sonstiges Kochgeschirr (= Kessel) sammelten, in der Höhle reparierten und anschliessend wieder verkauften. Gemäss dem Forschungsbericht des Entdeckers Konrad Merk sollen noch Anfang 19. Jahrhundert herumziehende Kesslerfamilien jeweils hier Obdach gefunden haben.[4]
Literatur
- Markus Höneisen: Kesslerloch. In: Historisches Lexikon der Schweiz.
- Konrad Merk: Der Höhlenfund im Kesslerloch bei Thayngen (Kanton Schaffhausen). In: Mittheilungen der Antiqarischen Gesellschaft (der Gesellschaft für vaterländische Alterthümer) in Zürich. Band 19, 1875–1877, Zürich 1875, S. 1–44 (Digitalisat).
Weblinks
- Kantonsarchäologie Schaffhausen: Kesslerlorch
- Weidendes Rentiers im Museum Rosgarten in Konstanz
- Erstbeschreibung von Konrad Merk, 1875
Einzelnachweise
- ↑ wohnqualitaet-thayngen
- ↑ schrott-beim-kesslerloch.
- ↑ Foto und Beschreibung auf der Webseite des Rosgartenmuseums
- ↑ Konrad Merk, Reallehrer, Höhlenfund im Kesslerloch bei Thayngen (Kanton Schaffhausen), Zürich 1875, S. 4
Koordinaten: 47° 44′ 43,4″ N, 8° 41′ 37″ O; CH1903: 694119 / 289066